Am Mittwoch, den 31. Januar 2018, hält Gerd de Bruyn, der seit 2001 das legendäre igma (Institut für Grundlagen moderner Architektur) der Universität Stuttgart leitete, seine Abschiedsvorlesung – Anlass, einen Blick auf Bücher zu werfen, die im weitesten Sinne die Architekturtheorie betreffen, zumal in einem dieser Bücher Gerd de Bruyns „Programmatische Texte“ versammelt sind. Um im Diskurs über Architektur weiterzukommen, stehen andere Disziplinen derzeit hoch im Kurs.
ISBN 978-3-8376-3812-7, 322 Seiten, 34,99 €
Hier liegt eine Habilitationsschrift vor, die 2015 am Lehrstuhl von Gerd de Bruyn angenommen wurde. Fokussiert auf den Begriff „Mimesis“, geht der Autor einem Aspekt von Architektur und Architekturtheorie nach, der Debatten in der Gegenwartsarchitektur bereichern könnte. Mimesis darf dabei nicht einfach als Imitation oder Nachahmung bezeichnet werden, vielmehr sollte von einem ontologischen Bezug zwischen Natur und Welt die Rede sein. Wie in allen anderen hier besprochenen Publikationen irritiert, dass von „der Moderne“ gesprochen wird – die aber argumentativ dauernd instrumentalisiert wird, ohne als „vollendetes Projekt“ gelten zu dürfen. Kategorien, Herkunft und neuzeitliche Entwicklung des Begriffs „Mimesis“ werden geklärt, bevor es dann zur modernen Architektur, zu Nietzsche (Verleiblichung) und Adorno (Vergesellschaftung) geht. Den Abschluss bildet die Wirkungsgeschichte der „Querelle des anciens et des modernes“ im 20. Jahrhundert Le Corbusiers und Peter Eisenmans „Ende des Klassischen“.
ISBN 978-3-8376-3591-1, 440 Seiten, 34,99 €
Grundlage dieser Textsammung ist wie im zweiten hier besprochenen Band eine Ringvorlesung, hier an der Fakultät für Philosophie und Kunstwissenschaft der Katholischen Privat-Universität Linz. Sie sei zur Lektüre vor allem empfohlen, weil sie hilft, auf inhaltliche Schärfe in allen Argumentationen auch zur Architektur zu achten. Ästhetische Begriffe, die im Alltag omnipräsent sind, werden hier aus philosophischer und kunstwissenschaftlicher Sicht betrachtet und dargestellt. Es geht dabei um das Schöne, das Erhabene, das Hässliche, die Nachahmung, die Atmosphäre, die Zeitlichkeit, das Zeichen, um Handlung, Performance und Transformation. Zwar beziehen sich die Beiträge ausschließlich auf Kunst, aber weil sich dabei zeigt, welche inhaltlichen Veränderungen die ästhetischen Kategorien beziehungsweise Begriffe erfahren, sind sie für viele Argumentationsketten auch im Architekturdiskurs von Bedeutung.
Im Elfenbeinturm?
Bei Hartmut Mayer liest man folgenden den Satz: „Architektur mit Nietzsche als mimetische Disziplin zu denken bedeutet, sie als eine körperlich-räumliche, eigentlich mythologische Kunst zu erkennen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit unserer Physis steht und dadurch die alte anthropomorphe Analogie wieder thematisiert“.
So sei es, denkt man, geht hinaus an die frische Luft und schaut auf die Stadt – dann leuchtet das Problem der gegenwärtigen Architekturtheorie auf. Auch im Zusammenwirken mit Geisteswissenschaften erklärt sie nicht, warum die Welt so aussieht, wie sie aussieht und warum sie sich wie verändert. Geisteswissenschaften entschwinden mehr und mehr aus den akademischen Lehrangeboten, staatlich gefördert werden bereits in den Schulen nur die MINT-Fächer und Wirtschaftswissenschaften. Architekturtheorie droht sich in einer Art Elfenbeinturm einzumauern, zu dem nicht einmal mehr Architekten Zugang finden.