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Die zweite Konferenz zur „Identität der Architektur“, veranstaltet von den Lehrstühlen von Hartwig Schneider und Uwe Schröder an der RWTH Aachen, kümmerte sich Ende Januar 2018 um das Thema Material – ein weiterer Versuch zu erforschen, ob Vitruvs Buchstabiertafel in Zeiten des Analphabetismus die Architektur noch zusammenhalten kann. Es traf sich ein Who-is-who der Architektenschaft. Unklar blieb deren Botschaft – am ehesten ein „Sowohl als auch“.


1806_IdentitaetGeschlossene Gesellschaft

Um mit einer konstruktiven Kritik zu beginnen: Warum findet so eine Veranstaltung wie ein hermetisches Freimaurertreffen gegen Eintrittsgeld in einer Hochschule statt? Was und wem (außer den Studenten) hilft es, wenn bekannte Architekten ihre bekannten Positionen vortragen? Sollte Max Dudler was von Robertneun erben, oder Beat Consoni sich mit den Brüdern Brückner einlassen?
Kaum. Aber verzichten wollte man auf keinen der dreißig angekündigten Beiträge, auf keines der von den Veranstaltern ausgewählten Gebäude. Großartig wäre gewesen, hätte man den Parcours für Laien geöffnet, ein Stadttheater voll mit Bauherren, Investoren, Handwerkern, Studienräten und ZEIT- oder Spiegel-Abonnenten, Rheinpfalz- oder Schwarzwälder Boten-Redakteuren gefüllt, um vor ihnen die Vielfalt zeitgenössischer Architektur auszubreiten!


Wohnhaus in Lindetal. Architekten: AFF architekten und Stephan Hahn Architekt & Zimmerer (Bild: Hans Christian Schink)

Wohnhaus in Lindetal. Architekten: AFF architekten und Stephan Hahn Architekt & Zimmerer (Bild: Hans Christian Schink)

Zum Thema, bitte!

Denn was wissen nun die Teilnehmer der illustren Tafelrunde? Erwartungsgemäß wurde keine der vielen eingangs aufgeworfenen Fragen über das Wechselverhältnis von Architektur und Material beipackzettelgerecht beantwortet. Nach Wolfgang Pehnts bauhistorischer Vergewisserung schien sich ein Tenor zugunsten einer soliden, schweren, echten Bauweise einzustellen, so wie es Sven Fröhlich mit einem bauhüttenmäßig gezimmerten Wohnhaus in naturreiner Holzkonstruktion vorstellte.

Turnhalle in Haiming. Architekten: Allmanai Fischer, München (Bild: Sebastian Schels)

Turnhalle in Haiming. Architekten: Allmanai Fischer, München, Tragwerksplaner: Harald Fuchshuber. (Bild: Sebastian Schels)

Wie es uns gefällt

Drauf antwortete Florian Fischer mit einer Sporthalle, die mit ihren preiswerten Nagelblechen der Ökonomie des Machbaren folgte, getreu dem Credo des Architekten, dass jedes Material zum Bauen geeignet sei und Dekor mit der Konstruktion entstehe. Und wirklich beweist die schmucklose Hütte, dass gute Architekten ihr formales Talent gar nicht verhehlen können. Hier ließe sich mit Andreas Hild anschließen, der arbiträr definierte, Material sei nicht der Anlass, sondern das Ergebnis einer Entscheidung, denn jede Architektur manifestiere sich in Form und nicht in Philosophie, Soziologie oder Politik.

Projekt: Integrierte Gesamtschule Riedberg-Kalbach Frankfurt GU: Kaufmann Bausysteme Architekt: NKBAK - Nicole Kerstin Berganski / Andreas Krawczyk Ort: D-Frankfurt Datum: 2017/08

Integrierte Gesamtschule Riedberg-Kalbach Frankfurt. Architekten: NKBAK – Nicole Kerstin Berganski / Andreas Krawczyk, Frankfurt mit Kaufmann Bausysteme (Bild: Norman Radon)

Materialkunde

Andere Referenten überhöhten ihre Materialkunde mit geisteswissenschaftlichen Betrachtungen (Günter Pfeifer, Jörg Springer) oder entspannten das Publikum mit einem Ausflug zu sinnlichen Konnotationen (Christian Brückner). Auch von Unverträglichkeiten war die Rede, Wärmedämmverbundsystem (überhaupt), Gipskarton (Florian Nagler) oder Aluminium (Jorunn Ragnarsdóttir) stehen bei vielen auf der roten Liste.

Haus Hoppenrade, Architekt und Fotograf: Peter Grundmann

Haus Neiling in Hoppenrade, Architekt und Fotograf: Peter Grundmann

Dafür ließe sich Manufactum metaphorisch als Botschaft der guten Dinge zitieren. Gottlob hatte Mies van der Rohe den Beginn der Architektur einmal als das sorgfältige Zusammenfügen von zwei Backsteinen genannt, damit konnte man immer wieder zum Thema zurückrudern.

Glücklich, wer wie Florian Nagler Herkunft, Handwerk und Architektur mit regionaltypischen Aufträgen zusammenbringen kann. Christoph Mäckler übersetzt diese Sehnsucht in die großstädtische Umgebung. Allerdings beruht seine Forderung nach ihrer materiellen Fortschreibung ohne Selbstverwirklichung der Architekten auch auf einer selektiven Wahrnehmung, sonst könnte er Carsten Roth nicht vorhalten, dass in Hamburg nur Backstein als gültiges Baumaterial zähle. Immerhin baut Christoph Mäckler keinen Kitsch. Da ist man sich bei Hans Kollhoff nicht so sicher.

Umbau eines Geschäftshauses aus den 1960er-Jahren in Hamburg, Lielienstraße. (Architekten und Foto: Kollhoff Architekten, Berlin)

Umbau eines Geschäftshauses aus den 1960er-Jahren in Hamburg, Lilienstraße. (Architekten und Foto: Kollhoff Architekten, Berlin)

1806_Couven_KapplerTravestie, Holpern und Haspeln

Seine Partnerin Helga Timmermann, die den Aachenern ernsthaft die barocke Baukunst eines Johann Joseph Couven (geboren 1701 in Aachen, gestorben 1763 ebenda) schmackhaft machen wollte, zeigte aus ihrem Portfolio, wie man die Fensterbänder eines Verwaltungsgebäudes aus den 1960er-Jahren mit Ziegelkunststücken rückdatiert. Ob es sich dabei noch um Architektur handelt oder schon um Travestie, hätte in der anschließenden Diskussion mit Jasper Cepl und Michael Mönninger interessiert. Aber der eine Moderator holperte, und der andere haspelte sich durch seinen Fragenzettel, zur Platzreife für das Stadttheater mit großem Publikum hätte das nicht gereicht.

 


aktuell: der architekt, „Material“, 6/17 >>>