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Was hierzulande im Diskurs über die Metropolen leicht vergessen wird, betrifft den Alltag in anderen, sehr unterschiedlichen, nicht urbanen Regionen. So lohnt der Blick nach Italien, wo die Balance zwischen akademischer Räson und populärer Akzeptanz zum Beispiel von Zeno Bampi als Konzept nachhaltigen Bauens anerkannt wird – in erster Linie und unbedingt als Auseinandersetzung mit dem Bestand.


Das Büro des Architekten Zeno Bampi (Bild: Zampi)

Das Büro des Architekten Zeno Bampi im Obergeschoss eines alten Kellereigebäudes, der Tisch stammt aus einer ehemaligen Tuchhandlung. (Bild: Zeno Bampi)

Kann man sich vorstellen, dass der italienische Architekt Zeno Bampi (65 Jahre alt) in Berlin ein Architekturbüro eröffnet oder an Wettbewerben in China teilnimmt? Sicher nicht. Bampi baut in Südtirol und im Trentino, er kennt, versteht und liebt seine Heimat. Dabei trifft die Berufsbezeichnung Architekt nur einen Teil seiner Fähigkeiten. Um das steife deutsche Wort Dienstleister zu vermeiden, könnte man seine Talente auflisten als Landessachverständiger, Urbanist, Heimatpfleger, Makler, Händler, Mediator, Kulturkämpfer, Vermittler, Pate. Es würde nicht wundern, wenn sich herausstellte, dass er auch Ehen gestiftet hat, damit zwei schüchterne Herzen zusammenfinden.

Önothek Johnson & Dipoli in Neumarkt/ Südtirol (Bild: Zeno Bampi)

Erhalten und Ertüchtigen: Önothek Johnson & Dipoli in Neumarkt/ Südtirol (Bild: Vincenzo Degasperi)

Studiert hat Bampi in Florenz, machte sich gleich nach dem Doktorat 1979 selbstständig, für seine ersten Pläne musste ihm noch ein Kollege seinen Stempel leihen, denn nichts sollte ihn von der freiberuflichen Tätigkeit abhalten, die zunächst in Partnerschaft mit Christoph Mayr-Fingerle begonnen hat. Sucht man nach Einflüssen oder Weggefährten, nennt Bampi die Architekten der Memphis-Gruppe oder Josef Frank – die Nähe zu Details von Hermann Czech werden Architekturbeflissene selbst entdecken.
In vierzig Jahren umtriebiger Berufspraxis hat Zeno Bampi ein stattliches Werk geschaffen, es sind Beispiele jedweder Typologie darunter. Wohnanlagen, Hofstellen, Kindergärten, Seniorenwohnungen, vor allem zahllose Gastronomiebauten. Es scheint fast, als sei der Architekt in dieser Kategorie besonders herausgefordert, da er dem Gast im Restaurant oder Hotel für seinen kurzen Aufenthalt eine sofort spürbar stimmige Atmosphäre bieten muss. Was man gottlob nicht erwarten darf: Zeno Bampi hat keine Geschmacksmuster avantgardistischer Architektur in der Südtiroler Landschaft verteilt, keine harsche Moderne, um sich als Architekt zu kaprizieren, keinen Bilbao-Effekt, damit die Feuilletonredakteure interessante Dienstreisen für ihre Theoriebeiträge unternehmen können. Bampi baut zeit-, aber nicht ortlos. Seine Önothek Johnson & Dipoli in Neumarkt kennen wir seit Jahrzehnten. Erst beiläufig haben wir erfahren, dass es das Lokal nicht schon immer gab, dass dort ehemals eine Sattlerei zuhause war – und im Geschoss darüber einmal Bampis Büro. Man kann sich vorstellen, dass die Bauherrenakquise leichter fällt, wenn man sich auf ein Glas Wein ins eigene Lokal begeben kann, zumal in eine derart geschmackvolle Umgebung.

Inzwischen hat Zeno Bampi sein Büro mit zehn Mitarbeitern im piano nobile des schwägerlichen Weinguts eingerichtet. Es stehen zwar tatsächlich irgendwo Rechner in den weitläufigen Räumen. Aber in Erinnerung bleibt ein fast sechs Meter langer alter Holztisch aus einer Tuchhandlung, er liegt voller Pläne, Bücher, Kataloge und Materialmuster – wie auch die anderen Arbeitsplätze. Wenn man ein Fenster öffnet, sieht man, hört man, riecht man, was darunter im Weingut vor sich geht.

Isi-Huette in Jochgrimm: unspektakulär, alltagstauglich detailliert, nachhaltig (Bild: Zeno Bampi)

Isi-Huette in Jochgrimm: unspektakulär, alltagstauglich detailliert, Bestand nutzend – deswegen nachhaltig (Bild: Isolde Daldoss)

Vielleicht erklärt diese Lebensnähe, was Bampis Architektur auszeichnet. Sie ist so professionell, um von Kollegen ernst genommen, gleichzeitig so populär, um von Laien verstanden zu werden. Weder blutarmer Akademismus noch der Stallgeruch des Gemütlichen zeichnet seine Häuser aus. Man kann es an einem kleinen Beispiel erklären. Die Isi-Hütte oberhalb von Radein. Eine Hälfte des Stadels war zusammengefallen. Bampi hat ihn neu als konstruktives Zitat der erhaltenen Scheune errichtet. Die Sprossenfenster hat er von einem Abrisshaus gerettet und außen zusätzlich festverglast. Die Beleuchtung, weiße Glasteller oder alte Pergamentschirme mit reichlich Textilschnüren, hängt an Spanndrähten. Die Tische und Bugholzstühle stehen funktional gereiht. Es hätte wie eben meistens banal ausgehen können. Aber Bampi genügen wenige Griffe, um aus dem alltäglichen Material ein zwanglos-elegantes Interieur zusammenzustellen. Und der bodenständige Charme dieser gastlichen Architektur schließt niemanden aus.

Hotel Reichhalter in Lana/ Südtirol: Keine Hotel-Ketten-CI, sondern bestandsorientiertes Weiternutzen für die Rezeption (Bild: Zeno Bampi)

Hotel Reichhalter in Lana/ Südtirol: Keine Hotel-Ketten-CI, sondern bestandsorientiertes Weiternutzen für die Rezeption (Bild: Hotel Reichhalter)

Die Beispiele ließen sich beweiskräftig fortsetzen. Vom verträglich in die Landschaft modellierten Gemeindebau in Oberradein zum unauffällig umgebauten Ballhaus in Neumarkt. Bampi scheint Scheunen gepachtet zu haben, um gerettetes Material zu verwahren, das sich irgendwo recyceln lässt. Vermutlich sammelt er auch Immobilien, um sie der gedankenlosen Verwertung zu entziehen. Als beim Ansitz Romani, in dessen Einrichtungskonzept sich Schreinerarbeiten, erlesene Antiquitäten und IKEA-Möbel zu einem gemeinsamen Auftritt verbünden, gegen Ende noch ein Luster gebraucht wurde, hat ihn Bampi (Sohn eines Elektrikers und Enkel eines Tischlers) aus Pergelstöcken und Lampenfassungen zusammengeschraubt.

Hotel Berghoferin, Lana/ Südtirol (Bil: Zeno Bampi)

Hotel Berghoferin, Radein/ Südtirol (Bild: Zeno Bampi)

Heute ist sein Sommersitz das Hotel Berghoferin, das seine Tochter Anna betreibt. Diese einmalige Niederlassung des guten Geschmacks hat er von einer einfachen Herberge zu einer komfortablen Kulturbastion erweitert. Aber er weiß: Weltklassearchitektur ist selten möglich, und wir Zeitgenossen können sie womöglich noch gar nicht erkennen. Wichtiger ist es, dass sich die Menschen wohlfühlen, dass sie am Ort bleiben können. Dafür muss man ihnen vielleicht auch mal auf krummen Wegen ein gerades Baurecht erstreiten. Bampi kann nur mit Architektur helfen. Aber sie ist nicht alles, bisweilen kümmert es ihn mehr, dass eine Küchenhilfe des Hotels bis zum Winter eine Wohnung findet.