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Nobler Rahmen im Heidelberger Schloss: Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg, selten gemeinsam zu Gast, 2016 (Bild_ Thilo Ross)

Nobler Rahmen im Heidelberger Schloss: Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg, selten gemeinsam zu Gast, 2016 (Bild: Thilo Ross)

Die Heidelberger Schlossgespräche, in denen die städtische Bildungsgesellschaft mit dem Jet Set der Architektur in Kontakt gerät, haben sich zu einem stabilen Format entwickelt. Gesine Weinmiller stand genauso auf der Bühne wie Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg – und viele andere. Die erfolgreiche Publikumsveranstaltung findet zweimal jährlich statt. Anfang November war beim nunmehr 18. Gespräch Roman Delugan zu Gast.


Roman Delugan (Bild: https://www.dmaa.at/office#about)

Roman Delugan (Bild: https://www.dmaa.at/office#about)


Er trägt einen langen schwarzen Kittel und enge Ziehharmonika-Röhren, die sich über seinen Stiefeletten stauchen, er hat eine Weltreise über Shanghai und San Francisco hinter sich, aber nun ist er gottlob bei uns angekommen, bevor er nach Wien weiterjettet: Roman Delugan auf der hohen Bühne beim 18. Heidelberger Schlossgespräch.

Global Players

Die Auswahl der eingeladenen Architektinnen und Architekten ist mittlerweile international geworden, gleich geblieben ist die große Resonanz an diesem prominenten Ort, den die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg und die Stadt Heidelberg zusammen mit ihren Projektpartnern, der Architektenkammer Baden-Württemberg, dem Bund Deutscher Architekten und der SRH Hochschule zur Pflege der Baukultur bespielen.
Jetzt also der Kollege aus Wien, ein gebürtiger Südtiroler, der zusammen mit seiner (ehemaligen) Frau Elke Delugan-Meissl 1993 das inzwischen unter DMAA firmierende Architekturbüro gegründet hat.

Porsche Museum in Stuttgart-Zuffenhausen (Bil: Brigida González)

Porsche Museum in Stuttgart-Zuffenhausen (Bild: Brigida González)

Zugegeben, uns waren ihre Arbeiten etwas verloren gegangen. Der hochgestemmte Wohnbalken in der Donaucity, ihr eigenes Dachhaus in Wien, das Porsche-Museum in Stuttgart und die Erweiterung des Festspielhauses in Erl waren noch geläufig. Das entspricht allerdings nur einem bescheidenen Ausschnitt aus dem umfangreichen Œuvre, das mittlerweile nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und Südamerika entsteht. Das leisten DMAA mit gerade mal 30 Mitarbeitern.

Wird 2019 fertig: Taiyuan Botanical Garden - Restaurant und Teehaus China (Bild: Delugan Meissl)

Wird 2019 fertig: Taiyuan Botanical Garden – Restaurant und Teehaus in China (Bild: Delugan Meissl)

"Casa Invisible" (Bild: Deludan Meissl)

„Casa Invisible“ (Bild: Delugan Meissl)

Und es handelt sich nicht um Einfamilienhäuser und Kindergärten, sondern um respektable Großbauten, darunter ein spektakuläres Gewächshausprojekt in Shanghai, ein Komplex aus Hotel, Apartments und Büros nahe des Wiener Hauptbahnhofs sowie weitere Wohnanlagen in Wien und München. Als Fingerübung zählt ein transportabler Wohncontainer, der auf 45 Quadratmetern eine elegante transportable Behausung bietet. Der Architekt hat sich für seinen Vortrag mit 200 Bildern präpariert, das reicht den Zuhörern für die Erfahrung:

Campus Tower in Hamburg (Bild: Delugan Meissl)

Campus Tower in Hamburg (Bild: Delugan Meissl)

Die bauen nicht nur organisches Geschlinge und kantige, an Tarnkappen-Bomber erinnernde Kubaturen, sondern auch scharfkantig geschnittene Gebäude, als wollten sie mit einer rationalen Grundreinigung ihr einfallsreiches Repertoire überprüfen. Kein Projekt wiederholt sich, versichert der Architekt, und hätte man die Verantwortlichen für den Campus Tower am Hamburger Baakenhafen erraten sollen, wären einem sicher nicht DMAA eingefallen.

Emotions

Was verbindet nun die einzelnen Arbeiten? Roman Delugan hat seinen Vortrag überschrieben „Choreografie der Emotionen“. Das ist schön gesagt und passt zu einem Baubeflissenen, der zunächst seine Zukunft als Modern Dancer suchen wollte. Auch Architektur vermag einen Raum in Bewegung zu setzen. Das heißt, ihre Geometrie hat einen physiologisch-funktionalen Sinn, erläutert der Architekt. Das gelte nicht nur für den Innenraum, sondern auch für den Ort, den sie aufnimmt, wenn sie (nur) gut, und überhöht, wenn sie gelungen ist. Ein rechter Winkel sorge für Ruhe, ein stumpfer für Bewegung – Spitzwinkliges wolle man lieber vermeiden, das erzeuge Aggression. Ein kleines, leider von der Denkmalpflege verhindertes Beispiel erläutert diese Haltung: ein Panoramalift zum Museum der Moderne auf den Salzburger Mönchsberg. Statt die kürzeste geradlinige Verbindung zu nehmen, hätte eine sich drehende Glaskabine die Annäherung inszeniert mit dem Blick zur Stadt, zum Berg und schließlich über die Zugabe einer überhöhten Rampe zum Museum: eine krumme Tour, die den Besucher emotional eingestimmt hätte. Bei anderen Arbeiten sind es Kleinigkeiten, die die angestrebte Choreografie vermitteln. Beim Film-Institut in Amsterdam setzt sich die skulpturale äußere Geste innen fort, und dann reicht ein um zwei Prozent geneigter Boden im Foyer, dass die Gäste nicht einsam herumstehen, sondern sich bewegen und ambulierend mit anderen Besuchern Kontakt finden.
Ob man zum Verständnis von Delugans Werkschau die Metaphern des Tänzers benötigt, muss man dahingestellt lassen. Es ist jedem Architekten gestattet, seine Überzeugung unter einem merkbaren Begriff zu subsumieren (bei KadaWittfeld heißt die Formel „Mehrwert“). Delugan erträumt sich seine Einfälle, gerne bei Nacht, wenn es dunkel ist. Solche Mitteilungen liebt das Publikum.

Filmmuseum in Amsterdam von Delugan Meissl (Bild: Iwan Baan)

Filmmuseum in Amsterdam von Delugan Meissl (Bild: Iwan Baan)

Esprit?

Die nachfolgende Diskussion, zu der Christiane Riedel vom ZKM und Nikolai B. Forstbauer von den Stuttgarter Nachrichten dazu kamen, streifte den Paradigmenwechsel vom Tragwerk zur Performanz sowie die Trägheit der Baubranche, was ihr Überleben gefährde, aber das Herumreden führte zu keiner mitnahmefähigen Erkenntnis. Der Gesprächsleiter Wolfgang Riehle, Ehrenpräsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, strahlte, wenn alle nacheinander irgendetwas sagten, aber er hat nicht die Gabe, einen Dialog zu moderieren, Aussagen zuzuspitzen oder schlagfertig Behauptungen zu parieren. Wenn Roman Delugan beispielsweise auf die Frage, ob er sich eher als Generalist oder Experte verstehe, antwortet, er sei ein Tänzer, der baue, bedankt sich das Publikum mit Applaus. Gut, Erheiterung ist die Essenz jeder öffentlichen Debatte. Aber warum hakt der Unparteiische nach dieser Steilvorlage nicht nach? Hier ist man doch neugierig.
Irgendwann war der Plausch halt zu Ende, so läuft es immer. Die Schlossgespräche sind eine großartige Einrichtung. Doch man trauert Reinhard Hübsch nach, einem witzigen, kenntnisreichen, redegewandten Journalisten, der diese Veranstaltungsreihe vor Jahren vielversprechend auf den Weg gebracht hat.


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