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Konzentration, Reduktion, Wärme

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Foto: Marcus Ebener


Neuapostolische Kirche in Pliezhausen von Ackermann + Raff Architekten


Wettbewerb: 2014, 1. Preis
Ausführung: 2015–2016
Standort: Bachstr. 40, 72124 Pliezhausen
Bauherr: Neuapostolische Kirche Süddeutschland
Architekten: Ackermann+Raff Architekten BDA Stadtplaner
Fotografie: Marcus Ebener

Die Neuapostolische Kirche hält nicht viel von Prunk und auffälligen Gotteshäusern. Mit einem Kirchenneubau in Pliezhausen bei Tübingen gelang es den Architekten, dem Wunsch nach Zurückhaltung zu entsprechen, die Umgebung zu respektieren, und dennoch ein besonderes, den Ort prägendes Haus zu verwirklichen.

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Den Architekten gelang es, die Kirche in die Umgebung einzufügen und dennoch einen kraftvollen Akzent zu setzen. (Fotos: Marcus Ebener)

Die Neuapostolische Kirche ist in Deutschland eine der großen Glaubensgemeinschaften, aber auch sie muss sich darauf einstellen, in Zukunft weniger Mitglieder zu haben. Sie begegnet dem, in dem sie Gemeinden zusammenlegt und dafür bislang genutzte Gotteshäuser aufgibt. In Pliezhausen wurde für drei Gemeinden eine neue Kirche gebaut, die kleinere Kirche aus der Nachkriegszeit, die vorher an ihrer Stelle stand, wurde dafür abgerissen. Den eingeladenen Wettbewerb für den Neubau hatte das Büro Ackermann + Raff für sich entschieden, Ende 2016 konnte die Kirche eingeweiht werden.
Sie liegt am nördlichen Ortseingang zwischen Streuobstwiesen und einem Einfamilienhausgebiet, an einem nach Nordosten ansteigenden Grundstück, auf einem in den Hang geschobenen Plateau. Der so entstandene, erhöhte Platz vor der Kirche schafft Distanz zur Straße. Die Höhenentwicklung des Gebäudes folgt nicht der Hangneigung, sondern ist ihr entgegengesetzt, der höchste Punkt des Kirchenraums wird durch einen Riegel mit Fensterband noch akzentuiert, so dass sich eine Höhe von fast 13 Metern ergibt. Die Kirche zeigt sich dem, der in den Ort kommt, mit einer kräftigen Geste, die entfernt an alte Wehrkirchen erinnert. Zum Ort hin geben spielerisch platztierte, quadratische Fenster in verschiedenen Größen ein etwas offeneres Bild. Da die Fenster tief eingesetzt wurden, wird hier aber auch die beachtliche Stärke der Wand sichtbar.

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Foyer mit dem Eingang in den Kirchenraum (rechts) und zur Sakristei. (Foto: Marcus Ebener)

Die Neuapostolische Kirche legt bei ihren Gotteshäusern keinen Wert auf ein aufwändiges Äußeres, Glockentürme sind nicht üblich. Mit der den Altarbereich überhöhenden Figur haben es die Architekten mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit geschafft, dies zu berücksichtigen, und die Kirche dennoch als ein Orientierung gebendes Kraftzentrum zu verorten.
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Die ansteigend gestufte Decke und die Lichtchoreographie lenken zum Altar. Schwarzstahl fasst die aus unbehandelter Eiche gefertigte Einheit aus Altar und Rückwand mit Kreuz. (Fotos: Marcus Ebener)

Das Material, das die Architekten für die Konstruktion gewählt haben, spielt dabei eine wesentliche Rolle, denn es sorgt dafür, dass sich die Kirche in das Umfeld einfügt. Es ist ein mit hellem Ockerton eingefärbter Blähbeton. Da für Kirchen die strengen EnEV-Vorgaben nicht gelten, konnte man die Wände einschalig konstruieren. 61,5 Zentimeter sind die Außenmauern tief, die Innenwände immerhin noch 40 Zentimeter. Im Wettbewerb hatten die Architekten noch eine Ziegelfassade vorgeschlagen, in der intensiven Zusammenarbeit mit dem kompetenten Bauherrn – die Neuapostolische Kirche Süddeutschland führt eine professionelle und anspruchsvolle Bauabteilung – hatte man sich dann aber auf dieses vergleichsweise neue Material entschieden.

 

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Direkter Blick aus der Sakristei zum Altar. Eltern mit Kindern beispielsweise können so dem Gottesdienst folgen, ohne andere zu stören. (Foto: Marcus Ebener)

Der Blähbeton mit seinen günstigen wärmedämmenden Eigenschaften bekam nicht nur einen Farbton, der die Kirche in das ländliche Umfeld integriert. Tritt man näher, zeigen sich Strukturen, die an Sandschüttungen erinnern und sich wie konzentrierte Landschaftsbilder lesen lassen. Lunker, Blasen, Hohlräume geben der Wand eine Stofflichkeit, die einem Sedimentgestein, etwa dem hier oft verwendeten Kalktuff ähnelt.
Etwas zurückgesetzt, die Dachneigung des Kirchenraums aufnehmend, ist tief eingeschnitten der Eingang, der in ein kleines Foyer führt, von dem der Gemeinde- und Mehrzwecksaal zur Linken und der Kirchenraum zur Rechten betreten werden kann. Die Grundrissfigur ist so kalkuliert, dass der Raum zum Eingang führt und sich nach dem Betreten des Inneren wieder weitet. Der Kirchenraum wiederum wird zum Altar hin schmaler, der Blick fällt auf die vom Oberlicht akzentuierte Altarwand, die Decke steigt zu ihr in Stufen an. Eine sanft, aber wirkungsvoll gelenkte Konzentration des Raumes, der die Reduktion auf die wenigen Materialen stimmig entspricht.

 

Grundriss

 

 

1706_AT_A+R_NAKSchnitt

Längsschnitt

Dem Bauherren war es wichtig, die Kosten für Unterhalt, Sanierung und Wartung gering zu halten. Der Blähbeton erfüllt gerade diese Forderung exzellent. Die Architekten haben sich auch sonst auf wenige Materialien konzentriert, im Wesentlichen ist es unbehandelte oder geölte Eiche, die für Innenausbau, Kirchenmöbel und die kräftigen Fensterrahmen, verwendet wurde, aber auch für die große Tafel der Altarwand, in die das Kreuz als Negativform eingelassen ist, in Anspruch genommen wurde. Kirchen- und Gemeindesaal sowie die Sakristei erhielten eine Fußboden aus sägerauer Räuchereiche, ein geschliffener Estrich wurde für das Foyer verwendet. Zunderstahl, ein roher Schwarzstahl, der dunkel, matt, aber angenehm warm wirkt, ist gezielt an wenigen Stellen im Altarbereich und für den Opferstock eingesetzt worden. Die Fenster der Kirche sind farbig bedruckt, der Blick nach außen soll nicht vom Gottesdienst abhalten. Lediglich im Außenbereich, an den feuerverzinkten Geländern und den Betonsteinen Bodenbelags, spürt man ein wenig, dass gespart werden musste.
Davon angesehen setzt sich aber auch im Innern fort, die konzentrierte, unverkrampfte Bestimmtheit fort, die Kirche von außen prägt. Diese Kirche ist selbstbewusst, ohne auftrumpfen zu wollen, reduziert, ohne ärmlich zu wirken, und warm, ohne sich anbiedern zu müssen.

Der Grundriss in höherer Auflösung >>>