„Vorbilder – Nachbilder“ aus einer Wunderkammer der Fotografiegeschichte: Die fotografische Lehrbildsammlung der Universität der Künste Berlin umfasst Konvolute, Alben und rund 25000 fotografische Einzelblätter. Über 300 Exponaten der Zeit von 1850 bis 1930 werden in München in 11 Themenkreisen wie Natur-, Tier- und Aktstudien, Historienbilder, Italien, Spanien und Orient präsentiert. Hier soll der Fokus auf das gewichtige Thema Architektur gerichtet werden.
In der Sammlung tauchen zahlreiche namhafte Fotografen aus dem 19. Jahrhundert auf. Genannt seien hier die Gebrüder Alinari, Éduard Baldus, Adolphe Braun, Juan Laurent, Jakob August Lorent, Albrecht Meydenbauer, Giacomo Rossetti, Alfred Stieglitz oder Renger-Patzsch.
Die großformatigen Fassadenaufnahmen der königlich preußischen Messbildanstalt wurden lange Zeit unter dem Aspekt ästhetischer Qualitäten eher abschätzig betrachtet. Inzwischen sieht die Forschung den Rang der Bilder anders. Man schätzt sie nun als wesentliche Komponenten einer frühen Denkmalpflege. Ihre große Rolle bei der Rezeption früherer Baustile im Historismus wird nicht mehr in Frage gestellt. Die Gebrauchsspuren auf den kräftigen Kartons, auf die man die Originalabzüge aufgezogen hat, belegen den intensiven langjährigen Einsatz in der Lehre. Der Erhaltungszustand der Blätter ist trotz alledem hervorragend. Für die Ausstellung hat man sie sorgfältig mit Passepartouts, Glas und Rahmen versehen. Ausstellungstechnisch ist das ohne Zweifel unabdingbar. Einige wenige Beispiele sind hingegen im Original zu bewundern.
Die Präsentation unterstützt nun auch eine Neubewertung der ästhetischen Qualitäten der Aufnahmen. Der sorgfältig aufbereitete Katalog regt unmittelbar zu Nachrecherchen an. Der Rezensent findet für das Beispiel des Palazzo Vendramin-Calergie in Venedig, aufgenommen zwischen 1853 und 1855 von Jakob August Lorent, im Internet unschwer eine Rezeption der Fensterformen an einem Wohngebäude in Köln, entworfen von de Voss & Müller, erbaut von 1883-1885. Trotz klar erkennbarer Übernahmen von wichtigen Details war im neuen Kontext ein eigenständiger Entwurf entstanden.
Unter der Überschrift „Neues Sehen“ gibt Ludger Derenthal im Katalog Auskunft über die 41 Aufnahmen von Renger-Patzsch in der Sammlung, die in einer Auswahl die sehenswerte Ausstellung schließlich auch zeitlich abrunden. Die Ankündigung, dass die hier gehobenen Schätze demnächst auch ins Internet gestellt werden kann nur begrüßt werden. Dann haben sich Arbeit und die eingesetzten Mittel vollends gelohnt.