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Hans Scharoun, ohne Titel, Architekturfantasie, 1939-1945, Akademie der Künste, Berlin, Hans-Scharoun-Archiv

Am Pariser Platz in Berlin ist eine Ausstellung zu sehen, die Hans Scharoun und Frank Gehry einander gegenüberstellt. Das mag auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen, doch die Kuratoren verlassen sich zu sehr darauf, dass die Kombination der beiden Meister genau dies tut: einleuchtend zu erscheinen. Sehenswert ist die Ausstellung dennoch.

Allein die Aquarelle von Hans Scharoun lohnen den Besuch dieser Ausstellung. Sie zeigen Ideen einer Architektur, die nie verwirklicht wurde. Arbeiten, in denen die Möglichkeiten des Mediums genutzt wurden, um ein Verhältnis zwischen Architektur und Landschaft auszuloten. Große Segel, gerundete Formen – bei aller Offenheit, die das Aquarell braucht, um wirken zu können, sind diese Architekturfantasien sehr präzise, sie vermitteln, wie Scharoun Architektur verstanden hat, verstehen wollte – dabei kommt es nicht darauf an, ob das, was zu sehen ist, einmal hätte realisiert werden können. Manchmal sieht man Menschen in den Aquarellen, so klein, dass man erstaunt ist, wie groß diese Architektur gedacht war. Doch sie machen auch deutlich, dass die Qualität dieser Architektur nicht die des fixierten Maßstabs war, sie können in verschiedenen Skalierungen gedacht werden: Scharoun wollte nie überwältigen. Zu sehen sind diese Aquarelle aus dem Archiv der Bildenden Künste in einer Ausstellung der Stiftung Brandenburger Tor. Sie stellt aus Anlass der 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Los Angeles und Berlin Scharoun und Frank Gehry einander gegenüber.


Auch Gehrys Modelle lohnen den Besuch


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Frank Gehry, Museumsinsel, Berlin, Phase I, finales Wettbewerbsmodell, 1994 und Wettbewerbsskizzen, beide: © Stiftung Brandenburger Tor, Foto: Frank Sperling

Neben den Aquarellen von Scharoun ist seine Berliner Philharmonie Teil der Ausstellung, in historischen und aktuellen Fotos, Plänen, einer Wettbewerbsskizze, einem neueren Modell aus dem 3D-Drucker und einem älteren des Kulturforums einschließlich der von Scharoun entworfenen, aber nie verwirklichten Bauten. Ihnen gegenüber stehen die Walt Disney Concert Hall sowie Berliner Entwürfe und Bauten Gehrys: die DZ Bank, die direkt schräg gegenüber von der Ausstellung am Pariser Platz liegt, außerdem der Pierre Boulez Saal der Barenboim-Said Akademie (>>>) sowie der Entwurf, mit dem Gehry am Museumsinsel-Wettbewerb teilgenommen hat. Dieser Entwurf ist eine aus heutiger Sicht wild anmutende Ergänzung des Bestands mit unterschiedlich geformten Baukörpern, Glaskörpern als Verbindungen zwischen den verschiedenen Bauteilen und nach außen. Der Entwurf mache, so wird im Katalog der ihn befürwortende damalige Direktor des Ägyptischen Museums Wildung zitiert, „die historischen Gebäude zu Objekten kritischer Betrachtung, ohne ihnen ihre Würde zu nehmen“ – dennoch konnte er die Mehrheit der Jury nicht überzeugen, vielleicht gerade weil er durch den Kontrast neue und historische Bauten als sich gegenseitig inszenierende Objekte hervorgehoben und dem die Ensemblewirkung untergeordnet hätte.

Dennoch: Modell und Skizzen zu diesem Entwurf sind ebenso wie Arbeitsmodelle zur DZ Bank ein weiterer triftiger Grund dafür, diese Ausstellung zu besuchen.

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Frank Gehry, DZ Bank, finales „Horse Head“-Modell, 1997/1999 (links) und Prozessmodell, 1995, beide: © Stiftung Brandenburger Tor, Foto: Frank Sperling

Zu wenig Worte, unglückliches Ungleichgewicht


Weniger überzeugend, vor allem neben den wunderschönen Scharoun-Aquarellen, sind die in großer Anzahl gezeigten Skizzen Gehrys, die – anders als seine Entwurfsskizzen zum Museumsinselentwurf – zu routiniert anmuten und mehr den Stararchitekturkult zu bedienen scheinen denn der aufschlussreichen Vergewisserung über die eigenen Entwürfe. Eine Edition von Zeichnungsdrucken in einer Holzbox mit Edelstahldeckel, in den eine Skisse eingefräst ist, treibt dies auf die Spitze. Überhaupt ist die Auswahl der Exponate etwas ungleichgewichtig: viel Gehry, wenig Scharoun, was den unglücklichen Eindruck einer marketingmotivierten Geschwätzigkeit Gehrys so sehr betont, dass man seinem Werk damit Unrecht tut.

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Hans Scharoun, Halle, 1939–1945, Akademie der Künste, Berlin, Hans-Scharoun-Archiv, Nr. 2462, © Stiftung Brandenburger Tor, Foto: Frank Sperling (links); Frank Gehry, Pierre Boulez Saal, Skizze, 2012, Abbildung bereitgestellt von Gehry Partners, LLP

So bleibt die These, die diese Gegenüberstellung rechtfertigt, die Geistesverwandschaft zwischen den beiden Architekten, auf wackligem Grund und wird lediglich durch formale Parallelen gestützt, die etwa bei der Konzertsaalarchitektur schon allein deswegen fraglich ist, weil Scharouns genialer Protoyp, der Philharmonie, weltweit vielfach aufgegriffen wurde; auch von Architekten, die kaum als Nachfolger Scharouns gehandelt werden. Die „Parallelen, Inspirationen und Verbindungen“ bleiben vage konstruiert; dass der expressionistische Ansatz von Hans Scharoun die dekonstruktivistische Formensprache inspiriert habe, wie es die Begleittexte behaupten, wird nicht anders als durch formale Ähnlichkeiten belegt.

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Außenansichten der Berliner Philharmonie 2017 und der Walt Disney Concert Hall, 2018, beide Fotos: © J. Paul Getty Trust

Das ist zu wenig und bleibt vor allem deswegen unbefriedigend, weil damit die Architektur von beiden auf die Form reduziert bleibt. Wie diese Formen begründet werden, von welchen Ideen sie gespeist werden, wird nicht aufgearbeitet. Dass Gehrys berühmter Innenraum der DZ Bank, der Konferenzsaal, stets als Pferdekopf bezeichnet wird und als technischer Entwurfsprozess erläutert wird, erhärtet diesen Mangel mehr, als dass er ihn beheben könnte.
Dem einfühlsamen Besucher wird also eher durch die Modelle Gehrys und die Aquarelle Scharouns vermittelt, welche Haltung zu den gefundenen Formen geführt hat, wenn auch ohne Worte. Dass die 50-jährige Partnerschaft mit Los Angeles mit Architekten gefeiert wird, von deren spielerischem Umgang mit freien Formen Berlin wahrlich nicht über Gebühr gesegnet ist, ist aber all dieser Kritik zum Trotz viel wert.


Frank Gehry – Hans Scharoun: Strong Resonances / Zusammenklänge. Bis 20. Jaunar 2019.
Max Liebermann Haus, Pariser Platz 7, Berlin.
Weitere Information >>>
Zur Ausstellung erschien im Hirmer Verlag ein Katalog. Er kostet in der Ausstellung 28 €