Sie kennen sich seit Jahrzehnten, schätzen sich und hatten beruflich einiges miteinander zu tun. Wilfried Dechau hat Wolfgang Pehnt, den vielfach ausgezeichneten Architekturhistoriker und -kritiker, zum 80. porträtiert, ihn zum 90. beglückwünscht, und gemeinsam scherzten sie über den 100. Nun ist Wolfgang Pehnt 92-jährig nach einem erfüllten Leben gestorben. Der Nachruf wendet sich in persönlicher Ansprache an den, der nicht in Vergessenheit geraten wird.
Lieber Wolfgang, wir sind uns 1988 über eine gemeinsame Aktion, die Du zunächst skeptisch beäugtest, aber dann mit um so größerer Begeisterung bearbeitet hast, näher gekommen. Ich hatte Dich damals gefragt, ob Du Lust hättest, den Einleitungstext Deines Buches »Neue deutsche Architektur 3« rund zwei Jahrzehnte danach einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen – und zwar für das erste Heft der db zum Thema »… in die Jahre gekommen«. Für mich war Dein Buch zur Vorbereitung des Heftes, mit dem eine auch heute noch gepflegte Rubrik begonnen wurde, außerordentlich hilfreich. Der Text wirkte immer noch frisch und aktuell, und ich war neugierig darauf, wie Du mit der Herausforderung umgehen würdest. Du schriebst mir damals: »Auch der Gedanke, mich mit dem Text von damals an den Pranger zu stellen, sollte mich nicht stören. Daß nicht nur die Architekten Zeitverhaftetes produzieren, sondern wir (Kritiker) mit ihnen auch, habe ich längst akzeptieren gelernt.« Nach kritischer Durchsicht des Textes von 1970 ist eine die Zeiten überbrückende Synopse geworden, die noch spannender zu lesen ist als die unkommentierte Originalfassung.
Geschichte ist ein Kontinuum
Bereits 2011, aus Anlass Deines 80. Geburtstages und der zu Deinen Ehren im DAM veranstalteten Ausstellung »Die Regel und die Ausnahme« hatte ich darüber geschrieben: »Er hat sich souverän, kritisch, humorvoll kommentierend mit Randnotizen, Skizzen und Kommentaren über einen eigenen, zu dem Zeitpunkt etwa zwanzig Jahre alten Text hergemacht. Und damit etwas gewagt, was zwischen medienhektischen Erstveröffentlichungen und kanonisierter Architekturgeschichte zunehmend zu kurz kam. Damals freute es mich sehr, dass er die Rückblick-ohne-Zorn-Kollage übernommen und den Auftakt zur erfolgreichsten Serie meiner Zeit als db-Chefredakteur geliefert hatte.« (siehe Seitenspalte)
Die Souveränität und entwaffnende Uneitelkeit, mit der Du Dich damals selbstkritisch über eigene Texte gebeugt hast, ist bewundernswert und zollt mir immer noch Respekt ab. Man könnte geneigt sein, darüber zu vergessen, dass Deine Randbemerkungen – gemessen am Originaltext, der über weite Strecken auch heute noch aktuell ist – tatsächlich nur marginal sind.
Zu Deinem Neunzigsten habe ich Dich in Köln-Weiden besucht – siehe hier in der Seitenspalte. In dem Haus, das der Architekt Wolfgang Meisenheimer »Haus Pehnt« nennt, obwohl er es für einen anderen Bauherrn gebaut hatte. Nun, es passt zu Dir, obwohl Du Dich mit der Beton-Skulptur »Der Riese« nie so recht hast anfreunden können.
Das „pehnthaus“
Bei marlowes hieß es: »Doch ein Besuch bei Wolfgang Pehnt in seinem Kölner Zuhause offenbarte einen aufmerksamen Geist und nimmermüden Schreiber.« So ist es durchaus zu verstehen, dass wir uns auf die nächste gemeinsame Foto-Session gefreut haben. »Auf jeden Fall haben wir zwei uns schon mal für seinen Hundertsten verabredet. ›Same procedure as every decade?‹ Schau’n wir mal, ob ich dann noch auf den Auslöser drücken kann ohne zu verwackeln…«
Kurze Zeit später bist Du – in die Nähe Deines Sohnes – nach Heidelberg gezogen. Und ich machte mir Sorgen zunächst um Dich, und dann auch um das zurückgelassene Haus, das so durch und durch von Dir geprägt worden ist. Nicht nur mit überbordenden Bücherregalen. Doch da kannte ich Dich schlecht: Was Du geschrieben hast, galt immer auch für Dich selbst: »Daß Eigentum verpflichtet, haben sich die Deutschen in ihre Verfassung geschrieben. In welcher Weise es verpflichten soll, läßt die Verfassung offen. Mit dem Artikel 14 des Grundgesetzes1) hat das Bundesbaugesetz nicht Ernst gemacht.« Du schon. Du hast Dein Haus der Architekturfakultät der TH Köln vermacht. Damit das Haus Pehnt weiterlebt, als „pehnthaus“. Und man in Deinem Haus nachvollziehen kann, was Du gelesen und was Du warum geschrieben hast.2)
Am Sonntag, 15. Oktober ist Wolfgang Pehnt im Alter von 92 Jahren in Heidelberg gestorben.
1) »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.«
2) https://akoeln.de/pehnthaus/