• Über Marlowes
  • Kontakt

Martin Warnke (1937-2019)

2003_Warnke_c_Gerda_Henkel-Stiftung


In guten (Wissensschafts-)Zeiten war es ein Segen, wenn sich Kunsthistoriker auch der Architektur zuwandten und dabei weit über ihr Fach hinaus dachten und forschten, um im besten Sinne als Kulturwissenschaftler zu wirken. Zu den bedeutendsten Vertretern dieser Wissenschaft gehörte Martin Warnke, der im Dezember nach langer Krankheit starb.

Martin Warnke (Bild: Gerda Henkel Stiftung)

Maßgeblich für die Architekturgeschichtsschreibung: Martin Warnkes "Bau und Überbau"von 1984

Maßgeblich für die Architekturgeschichtsschreibung: Martin Warnkes „Bau und Überbau“ von 1984

Bau und Überbau

Wer sich – wie Martin Warnke – dank Kenntnissen, Gedankenkraft und -freiheit mit den Grundlagen seines Fach kritisch befasst, dem gebührt per se höchste Anerkennung. Denn der Vorwurf der „Nestbeschmutzung“, der hinter vorgehaltener Hand erhoben wird, ist gängige Reaktion darauf, zudem droht ein Karriereknick, wenn man denn die Karriere im Sinn hat. Genau das hatte Martin Warnke nicht, auch ein Revoluzzer-Gehabe war ihm fremd. Mit Martin Warnke starb ein Geisteswissenschaftler des Typus, der immer seltener wird: des Gelehrten.

1970 leitete Martin Warnke, gerade mal 33 alt, die Sektion „Kunstgeschichte zwischen Wissenschaft und Weltanschauung“ des Kunsthistorikertags in Köln. „Es war die erste tief greifende Auseinandersetzung nicht nur mit der Kunstgeschichte des Nationalsozialismus, sondern darüber hinaus mit deiner Denkform, welche die Formbetrachtung nach den Maßstäben der Unterwerfung organisierte“. Daran erinnert Horst Bredekamp in seinem Nachruf in der Süddeutschen Zeitung vom 12. Dezember 2019. (Weitere Nachrufe, in denen Martin Warnkes Bedeutung für die Kunstgeschichte erläutert wurden, sind am Ende dieses Beitrags verlinkt.) Damit wird schon deutlich, dass die Tragweite, mit der Martin Warnke sein Fach neu fundierte, auch die Architekturgeschichtsschreibung betreffen musste. Nach diversen Anfeindungen bekam Warnke doch noch einen Ruf an eine Universität: In Marburg wirkte er unter anderem mit Heinrich Klotz und Gert Mattenklott, wobei endlich auch die Zerstörung, der Bildersturm und der Abriss als Themen kunsthistorischer Forschung thematisiert wurden.

Martin Warnke, Uwe Fleckner und Hendrik Ziegler (Hrsg.): Handbuch der politischen Ikonographie. Band 1: Abdankung bis Huldigung. Bd. 2: Imperator bis Zwerg. 2. Auflage. München 2011

Martin Warnke, Uwe Fleckner und Hendrik Ziegler (Hrsg.): Handbuch der politischen Ikonographie. Band 1: Abdankung bis Huldigung. Bd. 2: Imperator bis Zwerg. 2. Auflage. München 2011

Kunst und Politik

Günter Bandmann hatte Ende der 1970er Jahre mit seinem Buch „Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger“ den Rang der Ikonographie für die architekturgeschichliche Forschung verdeutlicht, Martin Warnke widmete sich dezidiert der politischen Ikonographie. Mit der Leitung der Hamburger Bibliothek Aby Warburg belebte er die umfassende Auseinandersetzung mit Gegenständen der Kunst- und Architekturgeschichte, stets frei von jeglichem Pathos, jeder Inanspruchnahme von Kunst für eigene Zwecke. In Hamburg und bei vielen Vorträgen habe ich Martin Warnke als einen nachdenklichen, selbstkritischen, im Gespräch überaus angenehmen Menschen kennengelernt, dessen geisteswissenschaftliche Stimme heute mehr denn je Aufmerksamkeit verdiente. Denn Martin Warnkes Beiträge zur Kunstgeschichte reichen nicht nur bis in die Geschichtstheorie und Philosophie hinein, sondern weit über sie hinaus.

Denn die Instrumentalisierung von aus der Zeit gerissenen Architekturobjekten, die derzeit üblich ist und bar jeden architekturgeschichtlichen Wissens um sich greift, kann nicht vergessen lassen, dass ihre Strategien und Intentionen bekannt sind. Erschreckend ist allerdings, dass Forschungen, wie sie Martin Warnke vorangetrieben hat, schamlos ignoriert werden.


Horst Bredekamp: Rubens, Warburg und die Couchecke. In: Süddeutsche Zeitung, 11.12.2019

https://www.sueddeutsche.de/kultur/zum-tod-des-kunsthistorikers-martin-warnke-rubens-warburg-und-die-couchecke-1.4719332

Michael Diers: Der deutsche Kunsthistoriker Martin Warnke hat das Orchideenfach vom Kopf auf die Füsse gestellt. In: Neue Züricher Zeitung, 13.12.2919

https://www.nzz.ch/feuilleton/kunsthistoriker-martin-warnke-ist-gestorben-ld.1528431

Andreas Beyer: Empathische Nähe zur Kunst. Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung, 17.12.2019

https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/martin_warnke