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Attrappe Bauakademie, Januar 2020. Bild: Friederike Meyer
Stilkritik (84) | Der Protest gegen die Entscheidung, Florian Pronold als Gründungsdirektor der Bauakademie zu berufen, beschränkte sich nicht nur auf einen von über 600 Personen unterzeichneten Offenen Brief. Zwei Bewerber haben gegen die Entscheidung geklagt. In der ersten Klage wurde Anfang Januar entschieden. Pronold kann die Stelle vorerst nicht antreten. Eine Hängepartie droht. Nun sollte die Politik reagieren.

Wenn unterlegene Bewerberkonkurrenten klagen, weil das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, sind in der Regel Stellen der öffentlichen Hand betroffen. Da hier, bei der Berliner Bauakademie, die Stelle einer Stiftung zu besetzen war, hatte das Gericht Anfang Januar erst einmal darüber zu entscheiden, ob eine Konkurrentenschutzklage zulässig ist. Geklagt hatte Philipp Oswalt, Professor für Architekturtheorie in Kassel und ehemaliger Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau; ein weiteres Verfahren eines anderen Bewerbers wird Ende Januar entschieden. Das Gericht ist der Begründung von Oswalts Anwalt gefolgt: Die Bauakademie wird mithilfe öffentlicher Gelder eingerichtet, sie wird maßgeblich durch die öffentliche Hand getragen werden – die Konkurrentenschutzklage ist zulässig. Dazu folgte das Gericht der Argumentation, dass es plausibel zu vermuten sei, wie es das vorsichtige Juristendeutsch in diesem Fall benennen muss, dass Pronold die Kriterien der Ausschreibung nicht erfülle. Und untersagte die Berufung Pronolds vorerst. Die Entscheidung darüber, ob tatsächlich Pronold hätte berufen werden dürfen, fiel jetzt gleichwohl noch nicht. Sie wird in einer Hauptverhandlung zu treffen sei, die erst in einigen Monaten beginnen könnte. Das Verfahren könnte sich durch das Einlegen von Berufungen verzögern, es ist nicht auszuschließen, dass die Stelle zunächst provisorisch besetzt würde, vielleicht sogar mit Pronold selbst.

Ein Desaster

Alle juristisch denkbaren Szenarien sind Horrorszenarien. Eine neu gegründete Institution, die den Auftrag hat, den Diskurs über Architektur, Städtebau, Ingenieurswesen und das Baugewerbe zu bündeln, würde mit einer juristischen Auseinandersetzung starten, die den oder die Träger der Institution von vorneherein mit Zweifeln überzieht. Der Verdacht bliebe, hier werde das Potenzial der Stiftung nicht genutzt. Denn sie könnte ein Labor für neue Wege der Umweltgestaltung sein – in aller Breite, von der Theorie bis in die konkrete Praxis hinein. Sie könnte auch Erkenntnisse hervorbringen und Wege aufzeigen, die unbequem sind, weil sie sich nicht am politischen Pragmatismus oder Interessen von Beteiligten orientieren. Die Stiftung, deren Programm erst noch genauer beschrieben werden muss, sollte etwas kritischer agieren, als es der Vorsitzende des Fördervereins Bauakademie Wolfgang Schoele formuliert hatte. Laut Tagesspiegel meinte er, es komme darauf an, „künftig dem Bereich der Wertschöpfungskette Bauen, die einen der größten Beiträge zum Bruttosozialprodukt in Deutschland leistet, die dringend erforderliche Plattform hinsichtlich Wissenschaft und Forschung auf diesem Gebiet, um den Ausbau dieser Position, die an frühere Traditionen anknüpft, zu bieten.“ Die Stiftung sollte unabhängig genug sein, die eingefahrenen Routinen infrage zustellen, wenn sie nicht mehr dafür taugen, den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Dafür müsste sie mehr leisten, als sich an der „Wertschöpfungskette Bauen“ entlangzuhangeln.

Es ist schwer zu glauben, dass ein Politprofi dafür die richtige Person ist. Vor allem aber: Wie soll das Wort einer Stiftung Gewicht haben, wenn der Verdacht nie ausgeräumt werden kann, dass es hier nicht um die Sache, sondern darum ging, Einfluss zu sichern und eine Instanz zwischen Politik und Wirtschaft zu installieren, die das Schmiermittel für die Zusammenarbeit liefert? Warum war denn das Gremium der Berufung mehrheitlich mit Vertretern der Politik besetzt? Warum musste das Gericht letzte Woche das Verfahren für seine Intransparenz kritisieren? Wie gering schätzen die Politiker der Kommission den Vertrauensverlust in das Verfahren, wenn sie einen Bewerber berufen, der Kriterien der Ausschreibung nicht erfüllt?

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Eine Hängepartie droht. Wie sieht die Zukunft der Bauakademie aus? Bild: Friederike Meyer.

Zu allem Unglück hat sich der bisher mit Äußerungen zurückhaltende Pronold in der letzten Woche in einem Interview noch zu Wort gemeldet. Er nährt damit weitere Zweifel, ob er der Richtige ist. Nicht, weil er sich gegen den Vorwurf verteidigt, er habe angesichts zweifelhafter Erfolgsaussichten einer politischen Karriere einen sichereren Hafen gesucht. Ein solcher Vorwurf ist eher von der stillosen Sorte – Pronold würde sich ja auch finanziell verschlechtern. Aber die Art, wie er als Jurist mit Wortklaubereien seine Kritiker angeht, zeigt, dass er nicht die integrative Größe hat, die man für eine solche Stelle vorweisen müsste – das ist nicht das diplomatische Geschick, das die Ausschreibung fordert. Die Pronold auch noch selbst so interpretiert und gewichtet, damit er selbst als um so geeigneter erscheinen kann. Das ist anmaßend, wie es auch die Behauptung ist, er kenne „kaum jemanden, der die nationale Baupolitik so stark beeinflusst hat (…) wie ich.“ Und überhaupt: Warum muss Pronold eine Entscheidung verteidigen, die er selbst nicht getroffen hat? Warum ist von denen, die diese Entscheidung zu vertreten haben, nichts mehr zu hören? Will man die Sache aussitzen?

Jetzt aber schnell

Soweit darf, soweit sollte es nicht kommen. Nun, da die Besetzung der Direktorenstelle mit Pronold erst einmal gerichtlich untersagt ist, und eine mindestens monatelange Hängepartie droht, die der Sache mit jeder Woche, die sie länger dauert, mehr schadet, müssen die politischen Vertreter, insbesondere die zuständige Staatssekretärin Anne Katrin Bohle, aus der Deckung kommen, die sie nach den Protesten und vor der Gerichtsverhandlung aufgesucht haben. Nun müssen sie, um die Institution vor weiterem Schaden zu bewahren, um das Ansehen der Politiker, ja, auch um letztlich den beschädigten Kandidaten Pronold zu schützen, aktiv werden. Und das Verfahren neu aufsetzen. Transparent und mit einem Entscheidungsgremium, das sich an das hält, was es mit der Ausschreibung zu suchen vorgibt. Mit einer Ausschreibung, die das formuliert, was die Stiftung leisten soll. Mit einer klaren Vorstellung, wie das Verhälltnis zwischen Politik und Stiftung aussehen soll, damit vom Neuanfang klar ist, was in diesem Punkt Sache ist. Und mit einer Auswahlkommission, die so besetzt ist, wie es sich für eine solche Stelle gehört: mit der Fachkompetenz in der Mehrheit.

Da hatte man noch so schön behauptet, man wolle bei der Bauakademie nicht die gleichen Fehler wie beim Humboldt-Forum machen. Daran hat man sich gehalten: Man hat einfach andere gemacht. Nun sollte man erst einmal zusehen, dass man die eigenen Fehler korrigiert. Das ist sicher schmerzhaft. Aber es wird umso schmerzhafter werden, je länger damit gewartet wird.


Einen Überblick über die Presseberichte zur Bauakademie ist zu finden unter https://www.facebook.com/pg/neuebauakademie/posts/

Der Autor ist Unterzeichner des Offenen Briefs, der die Entscheidung für Florian Pronold kritisierte und war 2017 einer der Unterstützer der Zehn Thesen zur Bauakademie