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Gute Architektur. Punkt. Bundesarbeitsgericht, Erfurt, Architektin: Gesine Weinmiller. Bild: Christian Holl

Stilkritik (36): Nach vielen Jahren, in denen Frauenbeauftragten ihren selten einfachen Job wahrnahmen, haben wir es nun meist mit Gleichstellungsbeauftragten zu tun. An der Notwendigkeit, den ursprünglichen Auftrag zu erfüllen, hat sich wenig geändert.


Es ist eine wohl schon etwas ältere Beobachtung, leider weiß ich nicht mehr, wer sie gemacht hat oder durch wen sie überliefert wurde, aber ich habe sie mir gemerkt, weil sie trifft: Der stinkende Arme stinkt, der stinkende Reiche ist reich. Man kann das beliebig variieren. Der kriminelle Ausländer ist kriminell, der kriminelle Deutsche ist deutsch. Man wählt den Maßstab, den man anlegt, passend zu den Vorurteilen, die man damit pflegt, passend zu den Machtverhältnissen, die man damit festigt. Auf die Architekten lässt sich dies zumindest in einer Hinsicht auch anwenden: der männliche Architekt ist Architekt. Die weibliche Architektin ist eine Frau.

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Im Deutschen Architekturmuseum eröffnet 29. September die Ausstellung „Frau Architekt“. Im Bild: Margarete Schütte-Lihotzky, „die erste Frankfurter Architektin auf dem Hochbauamt.“ Porträtzeichnung: Lino Salini

Architektinnen werden schlechter bezahlt, sie werden in eine Schublade gesteckt, die nichts mit dem Beruf zu tun hat. Eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum wird das schiefe Bild etwas gerade rücken. Das ist auch nötig. Wenn Architektinnen es in der Vergangenheit doch geschafft haben, sich gegen die männlich Dominanz durchzusetzen, dann werden sie schneller vergessen – Niklas Maak hat kürzlich darauf aufmerksam gemacht.  Es gibt wenige Ausnahmen, Gae Aulenti, Lina Bo Bardi, Zahah Hadid. Margarete Schütte-Lihotzky, genau, das ist die mit der Küche. Dann wird es dünn. Vergangenheit? Nein, das ist immer noch die Gegenwart.

17:0

Vor kurzem bekamen wir eine Einladung zum „ersten Deutschen Architektenkonress“. Deutsch mit großem D. Und das nach dem 24. September. Und warum „erster“? Weil alle anderen Kongresse nicht „Deutsch“ waren?  Oder weil zufällig der Begriff „Architektenkongress“ nicht verwendet wurde? Der Titel des Kongresses: „Die Rolle des Architekten im digitalen Zeitalter“. Das klingt etwas albern. Ist jemals eine Kongress zur Rolle des Architekten im Zeitalter des Buchdrucks durchgeführt worden? Na gut, BIM und Smart und Industrie 4.0 und so, geschenkt. Was aber bei der Sichtung des Programms aufstößt: 17 Referenten werden angekündigt. Frauen: 0, Männer: 17. Hätte man acht, meinetwegen fünf, oder vielleicht auch nur zwei Frauen gefunden, wäre der Titel vermutlich nicht übel aufgestoßen. So liest man „Die Rolle des Architekten“ eben etwas anders – nach der Rolle der Architektin wird anscheinend nicht gefragt. Da hilft es auch nichts, dass man Barbara Ettinger-Brinckmann, die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, unter „Eröffnung“ ankündigt. Das macht es eher schlimmer – wenn es um die wichtigen Dinge geht, bleiben die Männer unter sich. Erst Kuchen und Hausmusik, dann ziehen sich die Männer in den Salon zurück, so war es im 19. Jahrhundert. Klar, „Die Rolle der Architektinnen und Architekten …“ oder „Die Rolle der den Architekturberuf Ausübenden …“ wäre sprachlich auch etwas kompliziert geworden, aber genau das ist der Punkt: Wer ein Podium ausgewogen besetzt, kann sich leichter gegen den Vorwurf verteidigen, mit der Sprache Vorurteile zu bedienen.

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Ebenfalls in der Ausstellung „Frau Architekt“  zu sehen: Grit Bauer-Revellio: GEDOK-Haus in Stuttgart, Ansicht von der Seidenstraße, nach 1959 © GEDOK-Archiv

Deswegen, liebe Männer, schaut einfach, dass ihr Frauen aufs Podium holt. Ja, es läuft manchmal dumm, wissen wir. Dann hat man wieder nur Männer auf dem Podium. Das liegt aber nicht daran, dass man keine Frauen hätte finden können, diese Ausrede gilt nicht. Ob man bei drei Referenten noch gnädig sein darf, darüber kann man sich streiten. Aber bei 17 Männern muss das doch irgendjemandem aufgefallen sein. Und bitte, bitte denkt nicht, dass es um eine Quote ginge. Darum geht es nicht. Es geht darum, die Bandbreite dessen, was man in den Blick nehmen kann, zu vergrößern. Es geht um Sorgfalt: Haben wir die besten, haben wir uns überall umgeschaut, um die besten zu finden? Darum geht es.
Claudius Seidl hatte im Februar 2016 die Frage gestellt: „Wo sind eigentlich die echten Männer?“ Nach Köln und Sylvester sei gefragt worden, warum es denn keine Beschützer gegeben habe. Seidl zeigt, dass diese vermeintliche Lösung (der Beschützer) auch das reproduziert, was das Problem ist: die „archaische Männlichkeit“. Auf die will Seidl verzichten, und viele andere hoffentlich auch. Immerhin sei die Gegenwart, „in der Männlichkeit nichts Exklusives ist und nichts, was man mit dem Y-Chromosom geschenkt bekommt“, die beste Gegenwart, die Männer jemals hatten. Die Männer könnten sie sogar noch besser machen. Und sie müssen es nicht einmal alleine tun. Unser Tipp: Gleich anfangen.


Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main
FRAU ARCHITEKT – Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architektenberuf
30. September 2017 bis 8. März 2018
Eröffnung: 29. September 2017, 19 Uhr
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