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Umbau eines Ladengeschäftes zum Architekturbüro in Karlsruhe (baurmann.dürr architekten; Karlsruhe; Bild: Stephan Baumann, StadtBauKultur NRW e. V.)

Die Situation in zahlreichen Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen ist hierzulande zuweilen trostlos. Leerstände und eher hilflose Versuche, den Leerstand zu kaschieren, prägen immer häufiger das Stadtbild. Außer in den Hotspots einer begrenzten Anzahl von besonders attraktiven Innenstädten verliert der Handel in der der Stadt massiv an Bedeutung. Hier setzt die Studie „Einkaufsstraßen neu denken!“ an: Anstatt den Sterbeprozess vieler Geschäftsstraßen sinnlos zu verlängern, werden Nutzungsalternativen formuliert und planerische Handlungsansätze dargestellt. Die Autoren stellen hier ihre Thesen und ihre Methodik vor – die Langfassung ist hier >>>  zu finden.

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In vielen Städten stecken die Wirtschaftsförderung, das Innenstadtmanagement oder eine Interessen- und Standortgemeinschaft viel Energie in die Wiederbelebung des Einzelhandels. Bild: Sebastian Becker, StadtBauKultur NRW e. V.

Unsere Städte waren zwar schon immer Orte des Handels, aber nie so stark von ihm dominiert wie in den letzten 100 Jahren. Geschäftsstraßen – und vor allem deren besondere Form der Fußgängerzone – entwickelten sich, damit die Menschen in ihnen störungsfrei einkaufen konnten und so der Einzelhandel gestärkt werden konnte. Das Prinzip erwies sich als Erfolgsmodell, wurde stetig ausgeweitet und fast in jeder Stadt Deutschlands umgesetzt. Seit gut einem Jahrzehnt wird aus dem einstigen Erfolgsmodell jedoch vielerorts im wahrsten Sinne des Wortes ein „Auslaufmodell“: Leer stehende Ladenlokale und wenig attraktive Umnutzungen in Geschäftsstraßen nehmen zu und beeinträchtigen so letztlich die Strahlkraft von Geschäftszentren und damit auch das Erscheinungsbild der gesamten Innenstadt. Der Internet-Handel hat sich die Situation in den letzten Jahren weiter verschärft. Trotzdem halten die meisten Immobilieneigentümer am vermeintlich bewährten Funktionsmuster fest. Zudem haben viele Städte versucht, auf die Entwicklung über ein Laden- oder Leerstandmanagement Einfluss zu nehmen. Dabei blieb es meist bei überschaubaren, eher punktuellen Erfolgen, die den Markttrend nicht stoppen konnten. Vielerorts ist in Innenstädten und Stadtteilzentren die ehemalige ‚Leitfunktion‘ Einzelhandel zur ‚Leidfunktion‘ geworden. Es ist unübersehbar: Der Funktionsmix der Innenstadt muss neu gedacht werden, es müssen endlich gesamtplanerische Strategien für die funktionale Neuausrichtung entwickelt werden, denn der funktionale Niedergang hat starke räumliche Auswirkungen.

Analyse und Perspektive

Die Situation sticht vor allem deshalb so dramatisch ins Auge, weil die städtebauliche Anmutung und Ausstattung einer niedergehenden Geschäftsstraße suggeriert, man sei noch in einem funktionierenden Zentrum, während tatsächlich jedoch das Aufgegebene beherrschend wird. Mehr noch: Die in der krampfhaften Wiederbelebung des Einzelhandels gebundenen Ressourcen verhindern, dass neue Strategien und Ideen verfolgt werden. Die Leere wird in der Folge unerträglich und verhindert durch die Kaschierungsversuche, dass neue positive Impulse gesetzt werden können. Von dieser Entwicklung besonders betroffen sind:

  • Städte in ausgeprägter Wettbewerbssituation, insbesondere Klein- und Mittelstädte,
  • Innenstädte und Stadtteilzentren mit ausgedehnten Geschäftsbereichen,
  • Randlagen von Innenstädten und Stadtteilzentren sowie
  • Stadtteilzentren mit einer schwachen Angebotsbreite und –tiefe.

Um die Perspektiven von Einkaufsstraßen nachvollziehbar einordnen zu können, wird in der Studie „Einkaufsstraßen neu denken!“ ein zweistufiges Prüfschema vorgestellt, das von betroffenen Städten zur Einordnung von in die Krise geratenen Straßen eingesetzt werden kann. Zunächst ist dabei eine Risikoanalyse durchzuführen, die aufzeigt, in welchem Maß eine Einkaufsstraße gefährdet ist, ihre bisherige Funktion nicht mehr oder nur noch unzureichend erfüllen zu können. Diese Analyse stellt für alle Beteiligten eine Diagnose dar, die in der Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung zu diskutieren ist. Die jeweilige Situation ist dabei nicht als absolut zu betrachten, sondern jeweils neu in den gesamtstädtischen Kontext zu stellen. Im zweiten Schritt geht es dann darum, präzise mögliche Perspektiven für die einzelnen Straßen herauszuarbeiten; also zu prüfen, was für den Erhalt der Geschäftsstraßenfunktion und was für eine Neuorientierung spricht. Auch kann aus dieser Analyse abgeleitet werden, welche neue Funktionen in Frage kommen könnten.

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Ehemalige Ladenlokale im Erdgeschoss eignen sich sehr gut für eine gemeinschaftlich genutzte Lobby. Bild: The Cat’s Pajamas; StadtBauKultur NRW e. V.

Wichtig dabei ist, dass es nicht als eine Kapitulation gewertet wird, wenn eine bislang von Einzelhandel dominierten, aber mittlerweile notleidende Geschäftsstraße von anderen Funktionen geprägt wird. Vielmehr heißt das, dass die realen Gegebenheiten richtig eingeschätzt werden: Eine funktionale Neuausrichtung eröffnet Chancen, stärkt die Funktionsmischung und kann Stadtzentren aufwerten, wenn dabei bestimmte Aspekte beachtet werden. Die potenziellen Chancen, die sich aus solch einer Umstrukturierung ergeben, sollten dem Charakter sowie dem Bedarf und der Nachfrage der jeweiligen Innenstädte oder Städte Rechnung tragen. Dann werden sie positive Veränderungen nach sich ziehen und der leider so oft anzutreffende Stagnation und Resignation entgegenwirken. Mit Blick auf die geschichtliche Entwicklung der (Innen-)Städte, deren Citybereiche sich ab dem 19. Jahrhundert immer stärker auf die Leitfunktionen Einzelhandel und Dienstleistung fokussierten, ist dieser Prozess eigentlich nur eine Rückkehr zur Normalität, weil sich die Städte aus dem Prozess monostruktureller Verarmung der letzten 150 Jahre befreien.

In der primär an Kommunen als Adressat gerichteten Publikation werden verschiedene Nutzungsalternativen sowie die den funktionalen Wandel bestimmenden Einflussgrößen und Faktoren dargestellt und konkrete Handlungsansätze aufgezeigt. Es handelt sich dabei im Einzelnen um die Optionen Dienstleistungen, innerstädtisches Wohnen oder urbane Produktion, also Handwerk und Gewerbe im innerstädtischen Kontext sowie um die Nutzungsbausteine Gastronomie, soziale Infrastruktur sowie innerstädtische Frei- und Grünflächen.

Handlungsansätze und Planungsstrategien

 

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Ob Lobby, Laden oder Fahradparkplatz: Es ist vieles denkbar. (Bild: Holger Pump-Uhlmann, StadtBauKultur NRW e. V.)

In jedem Stadtzentrum können sich im Bereich der in Not geratenen Geschäftsstraßen Umnutzungen und Ergänzungen oder Ersatzbebauungen als attraktiv für eine funktionale Neuausrichtung auf Dienstleister, Wohnen oder Gewerbe erweisen. Hierfür gilt es, ein vielfältiges Spektrum unterschiedlicher Handlungsansätze zu entwickeln.

Deshalb bietet die Studie konkrete Praxisanleitungen, die für die möglichen Nutzungsoptionen zur Wiederbelebung leergelaufener Citybereiche angewendet werden können. Sie sind jeweils nach verschiedenen Handlungsebenen gegliedert und schließen die unterschiedlichen räumliche Ebenen bis hin zum Gebäude selbst ein. Ihnen sind jeweils mögliche Handlungsansätze zugeordnet, die der Systematik der Umnutzungsoptionen folgen.

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Für Gemeinschaftsnutzungen wie Fahrradabstellplätze sind ehemalige Ladenlokale gut zu nutzen. Bild: homebnc.com; StadtBauKultur NRW e. V.

Mit Hilfe von Schemaskizzen werden grundsätzliche Ideen und Anregungen zur Gestaltung von öffentlichen und privaten Freiflächen und zu baulichen Elementen dargestellt. Sie zeigen, wie Ladenlokale umgenutzt und neu gestaltet werden können: wie sie zu Lobbys, gemeinschaftlich nutzbaren Räume, oder Erdgeschosswohnungen umfunktioniert werden können; zudem wird gezeigt, wie Hauseingänge der Erdgeschosszonen oder Fassaden verändert werden können.
Zusätzlich werden Hinweise auf mögliche Schwierigkeiten gegeben, die früh beachtet werden sollten. Generell muss auf jeder Handlungsebene auf eine gute architektonische und städtebauliche Gestaltung Wert gelegt werden. Nur so können die vorgeschlagenen Handlungsansätze und -empfehlungen ihr Potenzial entfalten. Alle Teile sollten in einer kohärenten und attraktiven Weise so zueinander geordnet werden, dass sie die Straßen aufwerten sowie die Straßenhierarchie und die Notwendigkeit öffentlicher Räume berücksichtigen.

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Die frühere Einzelhandelsnutzung spiegelt sich in der Gestaltung der Suiten des dezentralen Grätzlhotels in Wien. Bild: Monika Nguyen, StadtBauKultur NRW e. V.

Abschließend werden Steuer- und Förderinstrumente sowie ein Handlungsrahmen für Kommunen zur Umsetzung des erfolgreichen Nutzungswandel dargestellt. Die dabei thematisierten Faktoren bilden einen Handlungsrahmen aus elf Punkten, an dem sich Kommunen ebenso orientieren können wie an den in den vorhergehenden Kapiteln dargestellten konkreten Praxisanleitungen für den Umbau von in Not geratenen und nicht mehr funktionierenden Geschäftsstraßen.