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Ferdinand Stracke (1935–2023)


Ferdinand Stracke hat sechs Jahrzehnte als Architekt und Stadtplaner gewirkt, er war Autor und Zeuge des stetigen Wandels der zentralen Themen dieses Berufes. In Praxis und Lehre leitete ihn die soziale Verantwortung, was auch hieß, sich aktiv am öffentlichen Diskurs und in der Ausbildung über die Universität zu engagieren. 


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Ferdinand Stracke. (Bild: privat)

Ferdinand Stracke wurde 1935 in Eslohe/Sauerland geboren. Er studierte ab 1958 Architektur an der TH Darmstadt und der TU Berlin und schloss 1963 mit dem Diplom in Darmstadt ab. Der früheste Entwurf, den wir von ihm kennen, sind Zeichnungen zum Jugendheim Elspe von 1958, professionelle Zeichnungen im 1.Semester eines Studiums nach einer Maurerlehre.  Von 1963–1966 war Ferdinand Stracke wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Städtebau und Wohnungswesen an der TH Darmstadt bei Prof. Max Guther. Gleichzeitig begann er seine freiberufliche Tätigkeit als Architekt und Stadtplaner, ebenfalls mit Max Guther als Büro „Guther und Stracke“, das er ab 1973 als „Stadtbauplan GmbH“ in Darmstadt/Bonn/München fortführte. Für seine erfolgreiche Praxis in den 60er und 70ern stehen Wettbewerbserfolge, Planungen und Realisierungen von Großwohnanlagen, u.a. Bonn-Tannenbusch, Leverkusen-Steinbüchl, Bonn-Beuel, Braunschweig-Kanzlerfeld und auch der Wettbewerbsgewinn des dritten Bauabschnitts von Neuperlach Süd in München 1972 mit Max Guther und Thomas Sieverts. Nach all diesen Neuplanungen folgten wenig später die ersten Konversionsprojekte wie z.B. in Delmenhorst.
1975 wurde das Planungsbüro „Stracke und Partner“ Bonn/Braunschweig gegründet.
Die städtebaulichen Typologien dieser Fülle an Entwürfen und Projekten waren deutlicher Ausdruck ihrer jeweiligen Epoche. Vor allem waren sie immer eng gekoppelt an die aktuelle Entwicklung neuer Wohnungstypologien. Ferdinand Stracke verstand Städtebau als soziale Aufgabe, den Wohnungsbau als einen ihrer Kerne. Parallel widmete er sich aber auch größeren Maßstäben, wie z.B. Stadtentwicklungsplanungen für Bonn, Salzburg, Schweinfurt, Gladbeck, Wilhelmshafen, Giessen, Seligenstadt oder später in den 1980er Jahren der Studie zu Weimar/Erfurt. Hier untersuchte er die Entwicklungsmöglichkeiten einer ganzen Region auf strategisch-struktureller Ebene. Seine rege Entwurfs- und Planungstätigkeit führte schließlich in die akademische Karriere.

1975 wurde Ferdinand Stracke als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Städtebau, Wohnungswesen und Landesplanung an der TU Braunschweig berufen und Direktor des gleichnamigen Instituts. 1980–1983 war er Dekan des Fachbereichs Architektur an der TU Braunschweig und 1985–1987 Vizepräsident der TU Braunschweig.

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München Neu-Perlach, Egon Hartmann (Gesamtstrukturplan); Baureferat der Landeshauptstadt München, Neue Heimat Bayern; Bernt Lauter; Planergruppe Darmstadt mit Max Guther, Thomas Sieverts und Ferdinand Stracke; Gottfried Hansjakob (Landschaftsarchitektur), 1967-1992. (Bild: Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.5, Maximilian Dörrbecker /Chumwa)

Wechsel nach München

1988 erfolgte dann die Berufung als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Städtebau und Regionalplanung an der TU München, verbunden mit der Leitung des Instituts für Städtebau und Raumplanung. 1994–1996 war er Dekan der Fakultät für Architektur der TU München. Den Lehrstuhl führte er als Ordinarius bis zu seiner Emeritierung 2003. In allen Maßstabsebenen des Städtebaus tätig, stellte er stets die Frage nach dem sozialen Bedarf als Ausgangspunkt des städtebaulichen Entwerfens und Planens. In seiner Zeit an der TUM widmete er sich intensiv der Lehre und förderte seine Assistenten auf ihrem persönlichen Weg in jeder Weise. Viele heute tätige Architekten in München wurden durch den begeisternden und gleichermaßen neugierigen Lehrer Ferdinand Stracke geprägt. Er führte einen offenen, diskursorientierten Lehrstuhl. Das gemeinsame Entwerfen und das Arbeiten im Team, in der Profession unabdingbar, entsprach seiner Persönlichkeit. Zudem unterstütze er die Neuorganisation der fächerübergreifenden Ausbildung der Bayerischen Baureferendare an der TUM und blieb somit der Fakultät und dem Lehrstuhl auch nach seiner Emeritierung verbunden.

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2011 erschien Strackes Grundlagenwerk zur Stadtentwicklung München.

Mit dem Städtebaulichen Gutachten Mittlerer Ring, das er in seinem Stadtplanungsbüro „Stracke & Zurmöhle“ entwickelte, und der Hochhausstudie wirkte Ferdinand Stracke maßgeblich an der stadträumlichen und strukturellen Entwicklung Münchens mit. Sein umfassendes Verständnis von Planung und Entwurf sei hier mit einer seiner Aussagen angedeutet: »Stadtplanung bedarf der Phantasie, sie braucht Kreativität, sie steht im Kontext zur Historie und Morphologie des jeweiligen Ortes und bereitet zugleich dessen Zukunft vor.« (in: Stracke/Laux, Stadtwerk, München 2003). Städtebau war für ihn immer in Geschichte und in Geschichten eingebunden, die er voller Anteilnahme zu erzählen wusste.

Vielfältigen Ämtern und Ehrenämtern widmete sich Ferdinand Stracke mit großem Engagement. Um nur zwei herauszugreifen: 1991–1993 war er Vizepräsident des Bundes Deutscher Architekten BDA, 2002–2009 Vorsitzender der Landesgruppe Bayern der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung DASL. Im Jahr 2011 publizierte er seine langjährige Forschung zu Wohntypologien in München: „WohnOrt München. Stadtentwicklung im 20.Jahrhundert” im Franz Schiermeier Verlag. Es ist ein Standardwerk für alle geworden, die sich mit Wohnungsbau, dessen Typologie und Geschichte in München befassen. 2005 erhielt Ferdinand Stracke für seine herausragenden Leistungen im Städtebau die Leo-von-Klenze-Medaille des Freistaates Bayern.

Dem sozialen Auftrag des Städtebaus blieb er immer tief verbunden. Menschen, die sich für die Stadt verantwortlich fühlen, ob sie nun vom Fach sind oder Laien, sie alle hat er mit Respekt und Freundlichkeit einbezogen.

Am 10. Mai ist Ferdinand Stracke im Alter von 87 Jahren verstorben.


Dieser Nachruf wurde für die TU München verfasst. Wir bedanken uns für die Erlaubnis, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen. Nachruf auf den Seiten der TUM >>>