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Huch, gebaut! (Bild: Shawn Liu Studio)
Unverhofft kommt vielleicht nicht so oft, wie man es gerne hätte, vielleicht auch schon deshalb, weil zu viel gehofft wird. Aber manchmal kommt unverhofft eben doch. Auch in der Architektur. Ein Beispiel.

Im Leben einer Architektin oder eines Architekten kommt es  – so ist zu vermuten – selten vor, dass ein Gebäude nach dem eigenen Entwurf gebaut wird, ohne dass er oder sie davon weiß. Und wenn, ist das wohl auch völlig unproblematisch, jedenfalls solange es so bleibt. Auf der einen Seite wird niemand, wie es so schön heißt, heiß von den der Kenntnis entzogenen Dingen, die andere Seite wiederum bleibt unbehelligt von Plagiats- oder sonstigen Vorwürfen und erfreut sich im besseren Fall guter Architektur, im weniger guten immerhin des wohligen Gefühls, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Die Architektin oder der Architekt lebt hingegen weiter im wohltemperierten Zustand der Unwissenheit, den man sich, so keine anderen Erschwernisse wie Hunger,  Krankheiten, Lokführerstreik oder unangemeldete Verwandtschaftsbesuche dazwischen kommen, annähernd paradiesisch vorstellen kann. Die Autoren, die die Bibel schrieben, (wir gehen davon aus, dass es in den finsteren Zeiten des Patriarchats Männer waren) haben das in eine bis heute kaum übertroffene Geschichte gepackt. Mit dem Biss in den Apfel und der Adam und Eva schlagartig ereilenden Erkenntnis begann ja erst der ganze Schlamassel, der unser Dasein auf der Erde zu einem im Jammertal macht.

Und so muss man davon ausgehen, dass die Kunde vom unbekannterweise verwirklichten Gebäuden sich irgendwann den Weg bahnt. Architekt:innen auf der ganzen Welt werden sich das Eintreffen dieser Kunde vermutlich als unangenehm vorstellen. Entwurf geklaut, verhunzt, kopiert und Geld und Ruhm sind auch ausgeblieben. Die Redewendung vom falschen Film scheint angebracht: Schwer vorstellbar, dass in einem solchen Fall entsteht, was den Ideen und Ansprüchen gerecht wird, von denen im Entwurf eine Vorstellung entwickelt wurde. Unverstanden das Konzept, die Planung dann so umgesetzt, dass die Tränen fließen, Geld hingegen nicht. Das ist fast so schlimm wie die Gebäude, die mit dem Zutun der Architektin oder des Architekten verwirklicht wurden und dennoch so aussehen, als wäre ein Entwurf von jemand kopiert worden, der nicht verstanden hat, worum es eigentlich geht. Vielleicht ist es auch schlimmer, das kommt wie so oft auch hier auf die Perspektive an. Ach ja, und Gebäude, die so aussehen, als hätte jemand damit ein Schnäppchen gemacht, weil am Entwurf gespart wurde, gibt es ohnehin genug. Schlimm, schlimm.

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Kao-Ho Hospital in Kaohsiung im Süden Taiwans. Entwurf: schneider + schumacher. (Bild: Shawn Liu Studio)

Aber manchmal ist die Welt doch nicht so schlecht, wie uns die Alltagstristesse, die Bibel, andere Überlieferungen oder Wahlprognosen befürchten und viele leidvollen Erfahrungen denken lassen. Im Büro von schneider + schumacher ist ein solcher Fall aufgetreten, der den Glauben vom Guten im Menschen (oder, wem das zu viel des Guten ist, mindestens vom Anständigen im Menschen) wieder ein wenig stärken kann. Das Büro hatte 2017 den Auftrag für die Planung eines Krankenhauses mit Büroräumen erhalten. Auftraggeber war ein Unternehmen aus Taiwan.  Das Kao-Ho Hospital ist spezialisiert auf präventive Gesundheitsuntersuchungen, integrative Medizin als ganzheitlichen Behandlungsansatz sowie Krebsbehandlungen. Der Gründer Dr. Hsu Ting-Yuan setzt sich seit langem für die Verbindung der chinesischen und westlichen Medizin ein. Entwurfspläne wurden gemacht, besprochen, abgegeben und die Arbeit dafür honoriert. Dann war Ruhe. Zumindest schien es so. Denn irgendwann machte man im Büro die eher zufällige Entdeckung, dass das Haus in Taiwan gebaut worden war. In Übereinstimmung mit den Verträgen, und, was noch viel besser ist, mit den Plänen, die gemacht worden waren. Da ist nichts verhunzt, geklaut oder plagiiert worden, nicht einmal wurde so gespart, dass man zwar verständnisvoll still seufzen, aber eben doch seufzen müsste. Nichts dergleichen. So wurde uns glaubhaft versichert.
Und so dürfen wir hier Kunde geben vom einem Gebäude, das sich nun seit einigen Monaten auf einem 12.000 Quadratmeter großen Grundstück im Zentrum der Stadt erhebt, umrahmt von Hauptverkehrsstraßen an der Nord- und der Westseite. Mit einer Fassade, die tagsüber matt schimmert und nachts leuchtet. Die Bilder dieses Beitrags mögen einen Eindruck der Qualität vermitteln, eine Beschreibung des Projekts ist auf den Seiten des Büros zu finden. Wir hoffen, dass es in diesem Jahr nicht die einzige schöne Überraschung bleibt.