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Stilkritik (98) | Haus Baensch von Hans Scharoun ist von (Neu-)Besitzern durch nicht mit dem Denkmalschutz abgesprochene Eingriffe in Gefahr geraten. Der Baustopp ist verhängt, doch stellen sich Fragen, wie es weitergehen kann.


Der Anbau ist bereits erkennbar. (Bild: Scharoun Gesellschaft, Dimitri Suchin)

Der Anbau ist durch eine Kalksandsteinmauer bereits erkennbar. (Bild: Scharoun-Gesellschaft e. V., Dimitri Suchin)

Der Bauschutt stapelt sich neben großen Sandhaufen im Garten von Haus Baensch, das Hans Scharoun 1934/35 im Nordwesten Berlins im Bezirk Spandau errichtet hat. Ein Teil des Balkons im Obergeschoss ist verschwunden, ebenso wie die Treppe, die von dort in den Garten hinabführte. Der Garten des eingetragenen Baudenkmals, den Herta Hammerbacher, Hermann Mattern und Karl Foerster gestaltet haben, ist so durchwühlt, wie es nicht einmal die allgegenwärtigen Berliner Wildschweine hinbekommen. Derweil verstellt eine unverputzte Kalksandsteinmauer den Blick auf das seit 1971 gelistete Baudenkmal, das hoch über der Havel thront, und von dem aus sich ein phänomenaler Fernblick auf das gegenüberliegende Ufer bietet.

Besticht die Gartenseite des Wohnhauses mit ihren über Kreuz gestellten Stützen bis heute durch ihre atemberaubende Modernität, so gibt sich die Straßenseite weitaus zurückhaltender, was den vorherrschenden Bauzwängen der Entstehungszeit im „Dritten Reich“ geschuldet war. Wie im Lehrbuch hat Hans Scharoun (1893-1972) beim Haus Baensch, das für den AEG-Syndikus Felix Baensch entstand, seine Philosophie eines organisch fließenden, freien Grundrisses mit gleichwohl kompakten Räumen durchdekliniert. Für Scharoun bildete ein Haus keine beliebige Hülle. Es war ihm ein Wohnleib, der im Dialog mit der Lebensweise der Bewohner und den Gegebenheiten der Landschaft entsteht.

Grundriss des Hauses Baensch, EG; (Bild: Tönnesmann, Andreas, Im Dritten Reich, in: Hoh-Slodczyk, Christine u. a. (Bearb.), Hans Scharoun. Architekt in Deutschland. 1893–1972, München 1992, Seite 50)

Grundriss des Hauses Baensch, EG; (Bild: Tönnesmann, Andreas, Im Dritten Reich, in: Hoh-Slodczyk, Christine u. a. (Bearb.), Hans Scharoun. Architekt in Deutschland. 1893–1972, München 1992, Seite 50)

Fächerförmig öffnet sich der Grundriss von Haus Baensch gefühlvoll von der Straße aus zur stark abfallenden Havellandschaft hin. Für die Landschaftsarchitektin Herta Hammerbacher (1900-1985) bildete Haus Baensch daher ein Schlüsselwerk bei der Verschränkung von Landschaft und Haus im Werk Scharouns, wie Jeong-Hi Go in ihrer Arbeit über Hammerbacher aufzeigt. Insofern gilt: Einen Scharoun gibt es nie allein. Seine Häuser sind stets Gesamtkunstwerke. Sie erwachsen aus dem organischen Zusammenspiel zwischen Stadt und Landschaft. Das gilt für Haus Baensch ebenso wie für die einzigartige Idee der Stadtlandschaft des Berliner Kulturforums, dessen beklagenswerte Zerstörung durch die mediokre Satteldachseligkeit der banalen Kunstscheune von Herzog und de Meuron dieser Tage beginnt. Gerade weil es sich bei Scharouns Bauten um delikate Einheiten aus Haus und Landschaft handelt, können Eingriffe – wenn überhaupt – nur mit äußerster Vorsicht stattfinden.

Gartenseite des Hauses Baensch (Bild: Scharoun Gesellschaft, Dimitri Suchin)

Gartenseite des Hauses Baensch (Bild: Scharoun-Gesellschaft e. V., Dimitri Suchin)

Gleichwohl hatten die Untere Denkmalpflege in Spandau und das Berliner Landesdenkmalamt (LDA) nach langwierigen Diskussionen mit den Eigentürmern „2015 dem Abriss der Garage und der Errichtung eines zweigeschossigen Anbaus zugestimmt“, wie das LDA mitteilt. Bei einem späteren Ortstermin wurde allerdings festgestellt, dass weit über das genehmigte Volumen hinaus zerstörerisch in den Denkmalbestand eingegriffen wurde. So war „das Kellermauerwerk des Wohnhauses weiträumig freigelegt, der Aushub in den Garten gekippt worden“. Auch war die Baugrube für den Anbau deutlich größer als erforderlich ausgeführt, die „geschützte Gartengestaltung einschließlich des Wege- und Terrassenbelages ohne vorherige Dokumentation entfernt“. Da „Abdichtungsarbeiten ohne weitere Abstimmungen durchgeführt und mit den Arbeiten am Anbau fortgefahren“ wurde, wurde die Baustelle schließlich durch die Bauaufsicht stillgelegt.

Haus Baensch, Blick in den Wohnbereich; Lageplan mit Gartenanlage (Bild: L'Architecture d'aujoud'hui, 320, 1999)

Haus Baensch, Blick in den Wohnbereich; Lageplan mit Gartenanlage (Bild: L’Architecture d’aujoud’hui, 320, 1999)

Auf den beklagenswerten Zustand des Hauses machte zunächst die Scharoungesellschaft aufmerksam. Inzwischen hat auch die Akademie der Künste, deren Präsident Scharoun von 1956-1968 war, in einer Pressemitteilung ihre Sorge über die Zukunft des Baudenkmals ausgedrückt. Nach angemahntem Denkmalpflegeplan, Baustopp und Versiegelung stellt sich nun die grundlegende Frage nach der Zukunft des Baudenkmals. Sämtliche zerstörerischen Eingriffe zurückzubauen erscheint als Selbstverständlichkeit. Und dann? Würde man gemeinsam mit dem traumhaften Ausblick auch die kultur- baugeschichtlichen Träume einmal über die Havel wandern lassen, dann könnte einem in den Sinn kommen, dass Haus Baensch der ideale Ort ist, um ihn künftig als Zentrum zur Präsentation und Dokumentation von Scharouns Schaffen zu nutzen. Bald 50 Jahre nach Scharouns Tod ist es ohnehin hoch an der Zeit, dass dieser kongeniale Architekt und Visionär endlich angemessen in Berlin gewürdigt wird. Sein facettenreiches Erbe mit der Idee einer Stadtlandschaft jedenfalls bietet reiches Potenzial, die festgefahrenen städtebaulichen Diskurse der Gegenwart zu befruchten.


Matthias Sauerbruch hat sich als Direktor der Sektion Baukunst der Akademie der Künste Berlin im >>> Deutschlandfunk zum Skandal geäußert.

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