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Haus Pahde, Köln-Rodenkirchen, 1972, Foto von 2020. (Bild: Constantin Meyer)

So ganz überraschend ist es nicht: Junge Architektinnen und Architekten interessieren sich wieder für die Bauten von Heinz Bienefeld. Das Deutsche Architekturmuseum DAM hatte sich deshalb dazu entschlossen, wieder eine Ausstellung über den aus Krefeld stammenden Einzelgänger zu machen, der sich keiner Richtung so recht zuordnen lässt. Zu eigensinnig und eigenwillig ist sein hauptsächlich aus Wohnhäusern und einigen Kirchen bestehendes Werk.

St. Bonifatius, Reichshof-Wildbergerhütte, 1974

Pfarrkirche St. Bonifatius, Wildbergerhütte-Reichshof, 1978-81. (Foto: Lukas Roth)

Das Deutsche Architekturmuseum DAM ist im Besitz des gesamten Nachlasses von Heinz Bienefeld (1926–1995). Schon 1999 war deswegen eine große Werkschau veranstaltet worden, gezeigt im ganzen Haus und begleitet von einer üppigen Publikation. Dieses Mal ist die Präsentation von Bienefelds Werk eine Nummer kleiner, konzentrierter. Auf einem Geschoss zeigen weniger als zwanzig Bauten und Entwürfe einen repräsentativen Überblick über Bienefelds Schaffen  – von der Kirche St. Remaclus in Cochem-Cond (1964–68), an der Bienefeld noch für Emil Steffann arbeitete, bis zu seinen unrealisiert gebliebenen Entwürfen für das Krematorium in Berlin-Treptow (1992), vom ganz von Palladio inspirierten Haus Wilhelm Nagel in Wesseling (1966–1979) bis zum Haus Babanek in Brühl (1991–1995), das trotz aller Eigenheiten Bienefelds (im Katalog von 1999 sprach Wolfgang Pehnt treffend vom Zeitgenossen und Außenseiter) deutlich die Sprache der 199er Jahre spricht. Die konzeptionelle Strenge in den zwei ganz unterschiedlichen, prototypischen Fassaden einerseits und die deutliche visuelle Trennung der Bauteile und Konstruktionselemente voneinander andererseits hebt dieses Haus deutlich ab von den stark aus dem plastischen Volumen entwickelten Häusern früherer Jahre.

Haus Babanek | Heinz Bienefeld Architektur, Köln

Haus Babanek, Brühl, 1991-95, Foto von 2020 (Bild: Constantin Meyer)

Doch zwei wesentliche Merkmale sind auch hier unverändert. Da ist zum einen das dominante Material des Ziegels, den Bienefeld immer gegenüber anderen Materialien bevorzugte und dessen variantenreichen Einsatz er mit viel Freude an dessen Ausdrucksmöglichkeiten plante. Aus heimischen Werkstätten bezogen, mit breiten Fugen und der Lagerseite nach außen verwendet, um schon von vorne herein den Bauten eine Patina zu verleihen, die sie vom glatten, aseptischen Neubau unterscheidet. Und zum anderen die Präzision im Detail, die nichts dem Zufall überließ. Jeder Anschluss, jeder Verband, jeder Sturz wurde bis ins Kleinste entworfen und gezeichnet. Diese Detailversessenheit hatte freilich auch Konsequenzen, worauf Philipp Sturm, der mit Katleen Nagel die Ausstellung kuratierte, im Katalog hinweist: „Sein Anspruch an höchste Qualität von Entwurf und Handwerk, von dem er nicht abrücken konnte, und sein oft kompromissloser Kampf für eben diese Qualität führten dazu, dass größere Aufträge – beispielsweise im Bereich des Mehrfamilienwohnungsbaus – ausblieben und dass sein Büro nur selten Wettbewerbe für Gebäude öffentlicher Träger gewonnen hat.“

Niedergeschlagen hat sich diese Detailversessenheit in einem riesigen Konvolut Zeichnungen: Hier darf sich der Ausstellungsgast an sorgfältig ausgewählten Exponaten erfreuen, Tusche, Bleistift, Konstruktions- und Entwurfszeichnungen, auch Kohlezeichnungen werden gezeigt. Dass letztere an Gottfried Böhms Zeichnungen erinnern, ist kein Zufall: Bienefeld hatte auch bei ihm gearbeitet und bei dessen Vater Dominikus studiert.


Besondere Einblicke


 

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Haus Wilhelm Nagel, Wesseling-Keldenich, 1966-70 Arbeitsmodell aus Wachs, 1966. (Foto: Simon Keckeisen)

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Opéra de la Bastille, Paris, 1983 (nicht realisiert), Wettbewerbsmodell, 1983. (Bild: Simon Keckeisen)

Einen Schwerpunkt setzen aber vor allem die Modelle, zwanzig Stück werden davon gezeigt. Darunter solche für Wettbewerbsbeiträge und Präsentationen; interessant und aufschlussreich sind aber die in frühen Entwurfsstadien entstandenen Modelle aus Plastilin und Wachs, in denen das Suchen nach der Form noch erkennbar wird, ebenso wie die stets angestrebte Einbindung in die Umgebung, die sich im realisierten Projekt etwa in der von der Wand in den Boden übergehenden Ziegelverwendung niederschlug. Hier, in den Modellen, ist auch die Faszination für die Antike deutlich spürbar, für die großen Zusammenhänge, in denen Entwurf und Kontext aufeinander bezogen sind. Gerade die Modelle der in dieser Ausstellung gleichberechtigt vertretenen, nicht realisierten Projekte, etwa der Wettbewerbsbeitrag für die Opéra de la Bastille in Paris, geben einen vertiefenden Einblick in Bienefelds architektonisches Denken, wie es in keinem anderen Medium möglich wäre.

Dass sich inzwischen wieder Architektinnen und Architekten für Bienefelds Werk interessieren, liegt aber wahrscheinlich weniger am Interesse an dessen Arbeitsweise als vielmehr daran, dass die große Stararchitektur mit ihren riesigen Gesten keine Vorbilder mehr liefert Die Herausforderungen der Zeit nötigen dazu, sich wieder mehr damit zu beschäftigen, wie eine sinnstiftende Auseinandersetzung mit den Ausdrucksmitteln der Architektur jenseits des vermeintlich großen Wurfs gelingen kann. Anspruchsvolle Bescheidenheit ist angesagt. Dass das Material, dem sich Bienefeld verschrieben hatte, auch hinsichtlich Langlebigkeit und deswegen auch hinsichtlich Nachhaltigkeit vorbildlich ist, sieht man auf den Fotos von Constantin Meyer, die er für die Ausstellung von ausgewählten Bauten 2020 gemacht hat. Sie zeigen die Architektur Bienefelds auch nach Jahrzehnten noch in einem prächtigen Zustand.



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Ausstellungsansicht. (Bild: Moritz Bernoully)

Antike radikal. Häuser und Kirchen von Heinz Bienefeld.
Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main, bis zum 26. September >>>
Zur Ausstellung ist ein von Philipp Sturm und Peter Cachola Schmal herausgegebener Katalog erschienen, er ist im Museumsshop für 15 € erhältlich.