Mit einer dreiteiligen Veranstaltung widmet sich eine Forschergruppe seit 2018 dem Schalenbau. Félix Candela (1910-1997), Ulrich Müther (1934-2007) und Heinz Isler (1926-2009) sind Meister dieses eleganten Bautyps gewesen, der aufgrund seines fantastischen Zusammenwirkens von Tragwerk und Form fasziniert. Trafen sich die Forscher 2018 in Candelas Wahlheimat Mexiko, kommen sie am 17. und 18. Mai 2019 in Berlin zusammen1) – Anlass, auf nahezu unbekannte Schalen von Ulrich Müther hinzuweisen.
Dass Schalenbauten in der Architekturgeschichte eher Raritäten sind, liegt vor allem daran, dass sie bei der Adaption der Gebäudetechnik mit Strom- und Wasserleitungen oder Wärmedämmung an ihrem räumlichen Reiz einbüßen und damit vermeintlich schwer zu nutzen sind. Aber eingedenk neuer bautechnischer Entwicklungen lohnt es sich, den ressourcenschonenden, hoch effizienten und eleganten Konstruktionstypus immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, was unter anderem Aufgabe der genannten Initiative ist. Bei den Recherchen stieß man nun auf Schalen von Ulrich Müther, die in seinem Werkverzeichnis zwar auftauchen, aber unbekannt sind.
Entdeckungen in Templin
Wenn man in Suchmaschinen nur das Stichwort Templin eingibt, erfährt man vieles über den Marktplatz, das historische Rathaus, die beeindruckende, fast vollständig erhaltene Stadtmauer, das Waldbad und die Natur-Therme, aber nichts über Ulrich Müther. Immerhin hat er hier drei bemerkenswerte Bauten hinterlassen: das Kulturzentrum Bürgergarten, eine Hyparschale über 20,5 x 20,5 Meter aus dem Jahr 1967; eine kleine, als Strandkiosk genutzte Hyparschale (7 x 7 Meter, Schalendicke 5,5 cm) von 1969 und die Reparaturhalle Kraftverkehrshof von 1973. Hier reihte Müther zehn Schalen in Schirmform, die je 12 x 12 Meter überspannen, zueinander.
Und nach dem von ihm selbst autorisierten Werkverzeichnis 2) gäbe es wohl noch einen vierten Schalenbau, nämlich die aus drei Schalen, je 13,20 x 13,20 Meter gebildete Mensa des Instituts für Lehrerbildung IfL. Aber die Mensa ist wohl nie über das Projekt-Stadium hinausgekommen.
Wie erhalten und nutzen?
Zum »Kulturzentrum Bürgergarten« gehört nicht nur Müthers Hyparschale, sondern auch ein großer Flachbau mit Sälen und Wirtschaftsräumen. Alteingesessene werden sich noch an die ursprüngliche Attraktivität des Kulturzentrums Bürgergarten erinnern können, haben womöglich selbst geduldig gewartet, bis sie im Restaurant in der Hyparschale platziert wurden oder haben sich abends auf ein »Havanna Mädchen«, ein in der DDR beliebtes Mixgetränk, in der legendären Allende-Bar im Untergeschoss getroffen. Nach der Wende wurde dort für einige Jahre eine Disko betrieben, sie geriet dann in Vergessenheit, verfiel, wurde nach und nach mutwillig zerstört, mit Grafitti übersprüht und schließlich vom Gestrüpp überwuchert.
Die Hyparschale selbst ist gerade saniert worden, die Sanierungsarbeiten sind so gut wie fertig, allerdings beschränken sich die Arbeiten nur auf das 20,5 x 20,5 Meter große Karree der Schale, messerscharf getrennt von seinem ursprünglich dazugehörigen Umfeld. Die Terrassen vor dem Schalenbau, die zum Restaurant gehörten, verharren noch im Dornröschenschlaf. Wollte man sie wieder herrichten, wieder beleben, ist ein Aufschrei aus dem Bauordnungsamt zu befürchten: Geht nicht, die Geländer sind viel zu niedrig!
Das Muster des einst aus mal rötlich und mal gelblich eingefärbten Betonplatten gepflasterten Vorplatzes lässt sich noch erahnen. Aber wie lässt sich dergleichen wieder erneuern, ohne dem Denkmalschutz ins Gehege zu kommen?
Schale und Umfeld
Der zum Ensemble gehörige Anbau, vom Volumen her eher Hauptbau als Anbau, bietet mit seinen Terrassen einen grandiosen Blick über den Templiner Kanal auf die Altstadt. Aber seine Fensterfront ist nach wie vor zugemauert, um weitere Vandalisierung zu unterbinden.
Will man das gesamte Ensemble in einen benutzbaren Zustand zurückverwandeln, wird man noch viel Geld in die Hand nehmen müssen. Doch Alexander Koeppen, im Rathaus zuständig für investive kommunale Bauten, ist zuversichtlich. Zusagen für zukünftige Nutzungen gebe es bereits. Und die Gelder (und Fördergelder) für die Sanierung seien fest eingeplant.
1) Candela, Isler, Müther. Betonschalenbau in Mexiko, der Schweiz und Deutschland. Internationales Symposium in der Akademie der Künste, Berlin, 17. und 18. Mai 2019 >>>
2) Wilfried Dechau: Kühne Solitäre. Stuttgart/ München, 2000, Seite 72-75