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Zvi Hecker (1931–2023)

Duitsland, Deutschland, Germany, Berlin, Berlijn, 29.10.2016. Pfefferberg. Galerie Aedes. ANCB Red Carpet Event. Peter Cook Enjoys Being Silly. Foto: Erik-Jan Ouwerkerk

Zvi Hecker and seine Freunde Wolf Prix und Thom Mayne, 2016 bei einer Podiumsdiskussion im Aedes Metropolitan Laboratory. (Foto: Erik-Jan Ouwerkerk)

Ein Partisan gegen wohltemperierte Architektur

Geboren wird er im Jahre 1931, um gleich darauf mit seiner Familie vor dem deutschen Einmarsch zu fliehen. Nach Usbekistan, wo er aufwächst und sein Talent fürs Zeichnen entdeckt. Nach Kriegsende siedelt die Familie nach dem vergeblichen Versuch, in Krakau wieder ansässig zu werden, endgültig nach Israel über. Zvi Hecker studiert Kunst in Tel Aviv und beendet parallel dazu sein Architekturstudium im Haifa. Anschließend findet er einen Job im Büro des israelischen Architekten Alfred Neumann. Im Jahre 1968 übernimmt Hecker dessen Büro und entwirft Aufsehen erregende Projekte wie die modulare, organisch zerklüftete  Wohnsiedlung Ramot Polin in der Nähe von Jerusalem, das Palmach Museum für Geschichte  in Tel Aviv oder die aus Polyedern zusammen gesetzte Synagoge einer Militärakademie in der Negev-Wüste.

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Das Spiral Apartment House, Ramat Gan, Tel Aviv, 1984–1990. (Foto: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0, Aviad2001)

Seine Kompromisslosigkeit bei der Ausführung dieser einmaligen Bauschöpfungen war berüchtigt. Der Legende nach soll er einmal klammheimlich diverse ihm nicht genehme Bauteile auf einer Baustelle eigenhändig zerstört haben. Der Bauherr hatte es aus Kostengründen gewagt, letztere gegen Heckers Willen einzusetzen. Sein Durchsetzungsvermögen ist gleichermaßen gefürchtet wie anerkannt.

Weltbekannt wird er aber vor allem durch sei Spiral Apartment House hoch über Tel Aviv. Dessen brutalistisch skelettierte Struktur aus weiß verputzten Raumbehältern windet sich wie ein spiralartiger „Raumstrudel“ in die Höhe.  Das Projekt ist derartig unkonventionell, dass Zvi Hecker fast täglich auf der Baustelle sein muss, um die Handwerker zu motivieren und zu experimentellen Baumethoden anzuregen. Spätestens mit diesem ikonisch expressiven Bauwerk sichert sich Hecker einen Platz in der Baugeschichte des 20.Jahrhunderts.

Im Jahre 1991 gewinnt er den Wettbewerb für die Heinz-Galinski-Schule in Berlin. Auch bei diesem Projekt für die jüdische Gemeinde ist ihm sofort klar, dass er persönlich vor Ort sein muss. Er siedelt deshalb nach Berlin über und eröffnet im Prenzlauer Berg ein neues Büro. Die Schule wird unter den vielen Bauten, die er bereits errichtet hat, sein zweites weltbekanntes Meisterwerk. Im Grundriss besteht der organische Schulkomplex aus großen gebogenen Dreiecks-Segmenten, die Hecker spiral- oder strudelartig um ein offenes Zentrum herum gruppiert.  Bis heute eine atemberaubende Raumkonfiguration, bei deren Ausführung Hecker  erneut viele Bedenken und Hindernisse überwinden muss.

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Jüdische Synagoge und Gemeinezentrum, Duisburg, 1996–2000. (Bild: Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0, Alice Chodura)

Ein großer Künstlerarchitekt

In der Stimman’schen Nachwendestadt Berlin hat ein antirationalistischer Künstlerarchitekt wie Zvi Hecker einen schweren Stand. Trotzdem interessiert man sich vor Ort und auch außerhalb Berlins für sein Werk, für seine Art von organischer Baukunst. So kann er in Berlin einen eindrucksvollen Gedenkort für die zerstörte Synagoge in der Lindenstraße realisieren, gefolgt von dem skulpturalen Jüdischen Gemeindezentrum in Duisburg oder der Königin-Maxima-Kaserne der niederländischen Polizei in Schiphol. Noch weitere Projekte sind in Planung und harren ihrer Vollendung.

Am 24. September diesen Jahres ist Zvi Hecker verstorben. Mit ihm hat nicht nur ein überaus liebenswerter Mensch, aus dem noch im hohen Alter  Ideen und Visionen nur so heraus sprudelten, unsere Welt verlassen. Sein mit Bergen von Skizzenbüchern, Plänen und Malereien aus allen Nähten platzendes Berliner Domizil zeugt beredt von dem damit verbundenen Verlust.

Mit Zvi Hecker ist einer der letzten, ganz großen Künstlerarchitekten des 20. Jahrhundert von uns gegangen. Auf seine freundliche kommunikative Art war er ein Revolutionär, ein unermüdlicher kreativer Partisan  gegen architektonische Konventionen, gegen Ismen jedweder Art. Von im stammt das Bonmot, demzufolge wirklich gute Architektur nur mit gezielten Verstößen gegen Regeln und Vorschriften zu erreichen sei. Damit haben Zvi Heckers Vorstellungswelten nachfolgende Architekten wie etwa Tom Mayne, Eirc Owen Moss oder Coop Himmelb(l)au maßgeblich beeinflusst.  Zvi Hecker, der große Träumer und radikale Verfechter einer vitalen, gesellschaftlich gerechteren Architektur wird uns fehlen. Vor allem auch deshalb, weil dieser liebenswürdige alte Baumeister und Maler mit seinem schlohweißen Haarmähne noch so unendlich Vieles vorhatte. Gleichwohl geht er als großer „Vollendeter“ in die Baugeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts ein.