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Christian Farenholtz (1923–2021)


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Prof. Dr. Christian Farenholtz, *27. Februar 1923 in Magdeburg; † 3. Mai 2021 in Hamburg. (Bild: Sabine Rheinholdt, CC BY-SA 3.0)

Am 3. Mai ist der große Stadtplaner Christian Farenholtz im Alter von 98 Jahren gestorben. Das ist ein schönes Alter, Farenholtz hat es bewusst erlebt und genossen und konnte das, weil ihn seine Frau Sabine Rheinhold unprätentiös und selbstverständlich begleitet hat.

Ich habe Christian Farenholtz erst recht spät kennengelernt, es war im Jahr 1988, und der Anlass war der vom Hamburger Senat geplante Verkauf der Speicherstadt, der schnell in der Öffentlichkeit auf Protest stieß – wieder ein Stück Stadt, das zugunsten des Profits verscherbelt werden sollte. Ich machte einen Fernsehbeitrag zum Thema und hatte Farenholtz vor die Kamera gebeten. Wie zu erwarten war: an ein Brückengeländer der Fleete der Speicherstadt gelehnt, mit wehenden Haaren. Ich stellte meine Fragen, er antwortete ruhig. Und als die Klappe zu war und er wegging, da fing er an zu schimpfen, der geplante Verkauf sei doch eine Schweinerei, dieses Verramschen eines Stücks Stadt könne man doch nicht hinnehmen… Ich habe ihn dann noch einmal vor die Kamera geholt; die zweite Version wurde gesendet.

Wir haben uns in den folgenden Jahren immer mal wieder bei Veranstaltungen getroffen. Aber was mich tief beeindruckt hat, fand auf einem Schiff statt, auf Volkwin Margs „Activ“, auf dem Farenholtz, seine Frau und ich mit anderen zu Gast waren – ein Dreimast-Bramsegelschoner in der Lagune von Venedig – das allein war schon beeindruckend. Am Abend dann, nach dem Essen, holte Christian ein Büchlein aus der Tasche und las Balladen vor – Fontane, Goethe, Detlef von Liliencron… Und wir anderen erinnerten uns an unsere Lieblingsballaden und lasen ebenfalls.

Wir waren fasziniert, obwohl man uns die Balladen doch eigentlich schon in der Schule ausgetrieben hatte – jetzt kaufte ich mir das Reclam-Büchlein dazu und habe es heute noch.

Christian Farenholtz war für mich immer beides: ein großer Stadtplaner, der auf allen Ebenen für seine stadtplanerischen Überzeugungen kämpfte, die eindeutig sozialdemokratisch geprägt waren; so hat er sich für das Städtebauförderungsgesetz engagiert. Und auf der anderen, der privaten Seite kam Christian als junger Mann mit dem George-Kreis in Berlin zusammen, der von seinem Vater gefördert wurde – er war eben der uomo universale, der der Kunst zugewandt war. Seine berufliche Überzeugung war: Stadt ist mehr, ist etwas anderes als nur die Planung von Straßen und Häuserzeilen – Stadt ist das Ergebnis einer Gesellschaft: „das menschenverachtende, menschenvernichtende Elend in vielen unserer alten Städte war ja die Folge erlaubter Bodenvermarktung, Bodenspekulation. (…) Wir wollten eine andere Stadt! Und wir sahen uns so in der Tradition der großen Reformer, Adickes und Eberstadt, Oelsner und Schumacher, letztlich: May. (…)“ schrieb er 1986 in einem Rückblick auf die Planung von Neu-Altona (bei der er mit Ernst May zusammenarbeitete).

Dafür kämpfte er in unterschiedlichen beruflichen Funktionen, als Baubürgermeister von Stuttgart von 1965 bis 1973, bei der GEWOS bis 1980, schließlich bis 1988 als einer der Gründungsprofessoren der Städtebau- und Stadtplanerfakultät der neuen Technischen Universität Hamburg-Harburg. Wir trafen uns immer, wenn es um die Verteidigung der Stadt gegen Privatisierung und den Verlust von Öffentlichkeit ging oder wenn Beteiligung der Bürger eingefordert werden musste. Aber wir hatten ganz andere Themen, wenn es privat wurde – dann ging es um Ironie, um das jährliche Gedicht aus dem Hause Farenholtz/ Rheinhold, oder um Orangenmarmelade.