Stilkritik (133) | So passiert es überall: Es wird an Häusern herumgebaut, instandgesetzt, modernisiert. Ohne den Rat eines Architekten. Findet das irgendwo statt, wird man dazu einen mehr oder weniger leidenschaftslosen Kommentar abgeben. So ist die Welt! Aber was, wenn direkt auf dem Nachbargrundstück ein Haus verdorben wird? Geht es jetzt um Achitekturvermittlung?
Die lieben Nachbarn
Es ist wunderbar, wenn man mit seinen Nachbarn gut auskommt. Ein unschätzbarer Gewinn, wenn man mit ihnen etwas anfangen kann. Vielleicht nicht unbedingt Beruf und Interessen teilt, aber sich doch gerne an der Gartenmauer über Heckenpflege und passende Geräte austauschen kann, im Sommer auch mal zur Terrasse gegenüber wechselt, weil dort gerade ein frischer Silvaner eingeschenkt wird. So hält es die Architektin, von der wir hier berichten.
Aber nun ist etwas Unangenehmes passiert, das alle Voraussetzungen birgt, das einvernehmliche Nebeneinander nachhaltig zu stören. Der Nachbar hat sich nämlich neue Fenster einbauen lassen. Das geht die Architektin eigentlich nichts an, aber das Ergebnis sieht so furchtbar aus, dass sie nicht weiß, ob sie ihre Abneigung dauerhaft verbergen kann. Oder ob es sie doch reizt, wenigstens einen kratzbürstigen Kommentar darüber loszuwerden. Man kennt das, so beginnen subtile Feindschaften, so werden Familien getrennt, beginnen Kriege.
Damit man es sich vorstellen kann: Das nachbarliche Anwesen stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, ein für Franken typisches Winzerhaus mit Tordurchfahrt. Das Erdgeschoss ist aus gelben Sandsteinbossen gemauert, darüber schließt eine Putzfassade an. Bis letzte Woche besaß das Haus weiße, hübsch profilierte, isolierverglaste Holzfenster, die der Nachbar vor etwa 25 Jahren hatte einbauen lassen. Zwar einteilig, sie schlossen also ohne Stulp, aber mit ihren schlanken Rahmen konnte man sie für authentische Altbaufenster halten. Die Familie der Architektin war neidisch, so elegant sahen ihre nicht aus.
Sitten- und Wertverluste
Doch jetzt wurde alles anders. Man könnte sagen, ihr eigenes Haus ist seither weniger wert, weil es neben diesem Homunkulus steht. Dort wurden nämlich PVC-Fenster mit glatten, breiten Hohlkammerprofilen eingebaut, davor sind weiße Rollläden montiert. Man kennt die Argumente: Die schließen jetzt dichter, bieten einen besseren Schall- und Wärmeschutz, und man muss nicht mehr ums Haus laufen, um die Läden zu schließen. Selbst die Polizei rät dazu – als Einbruchsschutz. Außerdem: Nie mehr Fenster streichen! Sowas überzeugt Hausbesitzer. Inzwischen gibt es in jedem Ort schon einige.
Leider sieht das Ergebnis sittenwidrig aus. Gerade, weil die alten Holzklappläden noch vorhanden sind, wird der Blick auf die einladenden Öffnungen gelenkt. Es wirkt so albern, als hielte jemand seinen eleganten Wintermantel auseinander und zeigte sich darunter in seinem gestreiften Schlafanzug. Das Haus steht sogar in der Denkmalzone. Die Architektin erinnert sich noch, was für ein Kampf es damals war, auf ihrer kaum einsehbaren Hofseite ein paar Solarpaneele anzubringen. Die Verunstaltung in Augenhöhe ist dagegen nicht justiziabel.
Auch Handwerker machen Blödsinn
Und kaum zu glauben: Den Austausch hat eine Schreinerei vorgenommen, die fassen tatsächlich diesen Plastikscheiß an. Wie soll sie sich nun verhalten? Der Nachbar erwartet selbstverständlich einen Kommentar, eine Anerkennung für seine Investition. Nichts zu sagen würde kaum als Neid, sondern als Kritik betrachtet. Er kennt ihren Beruf, sagt die Architektin, glaubt, er hätte alles richtig gemacht, sich um sein Haus gekümmert, zur Energieeinsparung beigetragen. Das sollte sie fachlich anerkennen. Darf sie ihn enttäuschen?
Sie wird sagen: Gut, dass die Klappläden noch dran sind, lieber Franz! Wenn du die zusätzlich schließt, bringt das einen soliden Wärmeschutz.
Und denkt: Dann sieht man wenigstens am Abend den Mist nicht mehr.