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Wie der Wohnungsnot Herr werden? Bild: Christian Holl
Marktgeschrei (21) | Anfang Juli legte die Baulandkommission ihren Abschlussbericht vor. Ob man damit zufrieden ist, hängt davon ab, ob man das Glas als halb voll oder halb leer bezeichnen möchte. Einiges in diesem Bericht hätte man von einer vergleichbaren Kommission vor wenigen Jahren wahrscheinlich nicht zu lesen bekommen. Vielleicht liest man also in einigen Jahren in einem vergleichbaren Bericht etwas, das man jetzt noch schmerzlich vermisst.

Es ist durchaus bemerkenswert, wenn in der FAZ im Wirtschaftsteil eine ganze Seite einem Beitrag gewidmet wird, der „Mut zu mehr Staat“ betitelt ist. (1) Mietpreiskontrollen seien weniger schädlich als oft behauptet, der Staat als Marktakteur nützlicher, so schreibt Sebastian Dullien. Tenor des Textes: Weil Grund und Boden als nicht vermehrbares Gut ein limitierender Faktor ist, funktionieren Immobilenmärkte anders als andere Märkte und müssen deswegen auch anders bewertet werden.

Profiteure und Verlierer

Langsam wird es dafür auch Zeit. Es ist kaum mehr zu übersehen, wie gravierend sich Fehler im Wohnungsmarkt auswirken, die im Glauben an die Kraft des Marktes gemacht wurden. Vor kurzem wurde im Tagesspiegel eine großartige Reportage über den Berliner Wohnungsmarkt und dessen Profiteure veröffentlicht. Sie ist aufschlussreich – und gerade deswegen deprimierend. Die Spirale, die sich nach der Abschaffung der Gemeinnützigkeit von Wohnungsbauunternehmen in Gang gesetzt hat, drehte sich in den letzten Jahren schneller. Nicht nur in Berlin. Es kann einem schwindelig werden. Die wenigen Profiteure sind große Unternehmen, börsennotierte Konzerne. 15 Prozent des Berliner Wohnungsmarkts gehören ihnen, die Aktienkurse stiegen seit 2012 um das Vielfache des DAX Mittelwerts – um teilweise bis zu 700 Prozent. Zu den Anteilseigener gehören solch vertrauenserweckende Firmen wie Black Rock. Genau, das ist die, für die Friedrich Merz arbeitet, von dem es immer mal wieder heißt, er habe den wirtschaftlichen Sachverstand, den man zum Regieren brauche.

Den hatten offensichtlich auch die Politiker, die Anfang des Jahrtausends dafür gesorgt haben, dass die private kapitalgedeckte Altersvorsorge gefördert wird. Die Menschen, die in solche Altersvorsorge investieren, investieren in Rentenfonds und Versicherungen, die wiederum in Immobilien investieren. Sprich: Die steigenden Mieten sollen die Renten finanzieren. Im besten Fall bleibt das ein Nullsummenspiel. Aber nicht mal das geht auf: Die Mieten steigen stärker als die Renditen der Anlage, weil viel Geld bei denen bleibt, die zwischen dem Anleger und dem Produkt, in das investiert wird, auch noch mitverdienen wollen. Zum Beispiel, weil sie mit ihrem Sachverstand für Black Rock arbeiten.

Viel Erfreuliches und ein Makel

Das muss man sich vor Augen halten, wenn man sich den Abschlussbericht der Baulandkommission und die darin gemachten Empfehlungen vor Augen führt. Veröffentlicht wurde er am 2. Juli, und dort steht – zumindest auf den ersten Blick – viel Erfreuliches: Erbbaurecht und Konzeptvergaben sollen gestärkt werden, die Länder sollen Haushalts- und Gemeindeordnungen so ändern, dass Grundstücke leichter an die Träger abgegeben werden können, die „preisgedämpften“ Wohnungsbau errichten. Empfohlen wird den Kommunen eine Bodenvorratspolitik, die Länder und die Kommunalaufsicht werden dazu aufgefordert, für die entsprechenden Förderungen und Erleichterungen zu sorgen. Mehr als bisher müsste interkommunal, regional, müsste mit Stiftungen, Kirchen und anderen Großen Grundstückseigentümer kooperiert werden. In weiteren Empfehlungen wird darauf gedrängt, „dass die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung Gründe des Wohls der Allgemeinheit sind, um so die Erteilung von Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu erleichtern.“ Es wird auf das BauGB und die BauNVO eingegangen, ein „dörfliches Wohngebiet“ als Äquvivalent zum „urbanen Wohngebiet“ als Baugebietskategorie und ein flexiblerer Umgang mit Dichteobergrenzen gefordert;  zudem soll das Baugebot besser durchgesetzt werden können. Was die Baulandkommission empfiehlt, bleibt aber ein Wurschteln an Symptomen, solange die Ursachen nicht in den Blick genommen werden und außen vor bleiben – etwas vornehmer hatte es die SRL in ihrer Stellungnahme ausgedrückt: „Damit aber tatsächlich bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, ist es nötig, nicht nur mehr Bauland zu mobilisieren, sondern die erforderlichen planungsrechtlichen Instrumente zu schaffen und anzuwenden, der Bodenspekulation entgegenzuwirken sowie die Innenentwicklung konsequent voranzutreiben.“

Noch ein weiter Weg

Von all dem, was die Reportage im Tagesspiegel aufgedröselt hat, ist im Bericht zu wenig zu finden. Wie kann weitere Spekulation und eine Altersvorsorge auf Kosten der Mieter verhindert werden kann? In der Süddeutschen war bereits bemerkt worden, dass die Fragen in der falschen Reihenfolge beantwortet werden: Erst muss die Bodenfrage beantwortet werden, dann kann man über Baulandmobilisierung reden. Aber vielleicht ist der Bericht der Baulandkommission dennoch ein wichtiger Schritt, einer, der Stück um Stück Staat und öffentliche Hand mehr in die Pflicht nimmt – bis es zu einem anderen Umgang mit dem Boden kein ganz so weiter Weg mehr ist, wie es derzeit scheint. Dass der Weg dorthin noch weit ist, zeigt der Bericht der Baulandkommission auch. Deregulierungen wie eine vorgeschlagene Lockerung des §34 werden Spekulation und Preistreiberei begünstigen, gleiches gilt für den flexibleren Umgang mit Dichteobergrenzen. Und warum der unselige Paragraph 13b, der Zersiedlung fördert, bis 2022 verlängert werden soll, kann nur mit der Durchsetzungsfähigkeit von Immobilienlobbyisten erklärt werden. Die Wohnungsnot wird sich nicht durch neue Eigenheime an Ortsrändern lösen – sie wird neben weiterer Versiegelung auch Verkehr erzeugen. Der Satz im Bericht, dass der bestehende Eigentumsschutz gewahrt werden solle, spricht Bände – wie eine Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums durchgesetzt werden soll, die so wortreich beschwört wird, bleibt mit diesem Diktum bis auf weiteres offen.

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Teil des Problems, nicht der Lösung: neue Einfamilienhäuser am Ortsrand (Bild: Christian Holl)

Das Geschachere um die Grundsteuer, in der die CSU gegenüber dem wertabhängigen Modell von Finanzminister Scholz eine Öffnungsklausel durchgesetzt hat, demonstriert das Problem auf anderem Gebiet. Die Klausel erlaubt den Ländern, eigene Regelungen zu treffen. Die Öffnungsklausel könnte zur Folge haben, dass Grundsteuern in Bayern nach einem Flächenmodell berechnet werden könnten. Das hieße, dass ein Bauernhof in Franken wie ein Wohnhaus in Schwabing besteuert würde und der Wert des Grundstücks außen vor bliebe. Unnötig zu sagen, wer davon profitieren würde. Eine wertabhängige Steuer, idealerweise eine Bodenwertsteuer, hätte, wie es der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung Ottmar Edenhofer im März auf einer Tagung der DASL dargelegt hat, viele vorteilhafte Steuerungswirkungen: Sie verhinderte Immobilienblasen, weil mit ihr das Interesse an Bodenwertsteigerungen sinke. Sie machte das Spekulieren mit unbebauten Grundstücken unattraktiv und wirkten der Zersiedlung entgegenwirken – im Gegensatz zur Grundsteuer auf Boden und Gebäude, wie sie Scholz vorschlug: Diese fördere Zersiedelung, da hohe Gebäude teurer werden. (2)

Es wird also noch ein gutes Stück Wegs sein, bis sich die öffentliche Hand deutlich aktiver steuernd zugunsten einer fairen Gesellschaft einsetzt. Dass der Staat eine aktivere Rolle einnehmen müsse, fordert auch Dullien im eingangs erwähnten FAZ-Artikel; er nimmt dafür aber auch seine Kolleginnen und Kollegen in die Pflicht. Um einen intelligenten Instrumentenmix zu etablieren, sei es „zentral, dass Ökonomen ihre Scheuklappen und Marktgläubigkeit ablegen“ – er prophezeit, dass dann eine größere, wenn auch andere Rolle des Staats herauskommen könne, als er bisher wahrgenommen habe. Schon im März hatte er in der Zeit darauf hingewiesen, dass man auf die Investoren nicht setzen könne und ihnen gegenüber nicht zu nachlässig sein dürfte. Es gibt durchaus Zeichen wie den Bericht der Baulandkommission, die nahelegen, die Hoffnung darauf nicht aufzugeben. Man darf gespannt – und muss aber auch geduldig sein.


(1) Sebastian Dullien: Mut zu mehr Staat. FAZ vom 31. Mai 2019. Der Beitrag ist online unter dem Titel „Warum der Staat hohe Mieten bekämpfen sollte“ nur für Abonnenten zugänglich >>>
(2) Über die Tagung berichtete Olaf Bartles in der db 6/2019, ohne allerdings auf den Vortrag Edenhofers explizit einzugehen >>>