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IBA – oder was?

Werner Durth und die Repräsentanten der derzeit 6 IBAs (Bild: Ursula Baus

Werner Durth und die Repräsentanten der derzeit 6 Internationalen Bauausstellungen (Bild: Ursula Baus)

BMI und BBR luden Mitte November 2019 zu einer Revision des Themas „Internationale Bauausstellungen“ nach Berlin ein. Staatssekretärin Anne Katrin Bohle sprach deutlich an, wovor sich IBA-Macher und IBA-Experten wohl fürchten: Die Inflation und Bürokratisierung der IBA entkräften das Format an entscheidenden Stellen: der Unabhängigkeit, der Strahlkraft, im Anspruch. Und nun?


1950_IBA_Konferenz Nice to have an IBA

Die Krise der Internationalen Bauausstellungen ist den Veranstaltern durchaus bewusst, und so hieß es im Programm: „Das Bundesbauministerium möchte eine weitere positive Entwicklung der IBA voranbringen. Das wird nur gelingen, wenn der Qualitätsanspruch von IBA weiterhin erreicht wird. Deshalb unterstützt das BMI die laufenden IBA mit einer Qualitätsoffensive in enger Zusammenarbeit mit dem IBA-Expertenrat.“1

Halten wir fest: Das Ministerium sieht sich dafür zuständig und erachtet es als notwendig, die IBA-Entwicklung „positiv voranzubringen“; und es sieht offenbar, dass die Internationalen Bauaustellungen (in der Abkürzung IBA auch Plural) derzeit einem „Qualitätsanspruch“ nicht zu genügen scheinen.

Es ist auch vertrackt, weil derzeit sechs IBA gleichzeitig laufen und mit Benelux, München und Berlin weitere im Schwange sind.2 Bislang unterscheidet man die Problem- von Chancen-IBA, denn während zum Beispiel in Thüringen eine klare Problemlage im Bereich Bauen und Planen als IBA-Grundlage gegeben ist, fragt man sich in Heidelberg, Stuttgart und Basel schon, warum die finanzstarken Regionen und gut bestückten Planungsämter ohne eine IBA zu wenig hinbekommen. Ursachenforschung böte hier schon einen Lösungsansatz ohne eine IBA.

Die IBA Emscher Park

Der Deininghauser Bach in Catrop-Rauxel wurde im Rahmen der IBA Emscher Park dereguliert. Links im Betonkorsett 1937 (Bild: Archiv Emschergenossenschaft), rechts der Zustand 2016 (Bild: Rupert Oberhäuser / Emschergenossenschaft)

Tempi passati

Anne Katrin Bohle, die zwar erst seit Ende März 2019 als Staatssekretärin im BMI tätig ist, in NRW aber die IBA Emscher Park in Entstehen und Wirkung mitbekommen hat, fand beim Bund bereits den IBA Expertenrat und die begleitenden Formate etabliert vor. Sie sprach bei der IBA-Konferenz nun bemerkenswert kritisch davon, dass Internationale Bauausstellungen inflationär veranstaltet werden, Innovationskraft und Qualitätsanspruch kaum mehr einem „Königsformat“ entsprechen, lokale politische und finanzielle Unterstützung fehlen, thematische Schärfen zu wünschen übrig ließen. Zudem genügten, so fragte sie, die IBA-Ergebnisse qualitativ derzeit kaum, dass in Australien jemand ins Flugzeug steige, um hier die IBA-Ergebnisse anzuschauen?

Bauausstellung in Darmstadt, 1901. V. l .n. r.: Haus Christiansen, Ernst-Ludwig-Haus sowie Haus Olbrich, historische Postkarte von 1901 (Bild: Institut Mathildenhöhe, Städtische Kunstsammlung Darmstadt)

Bauausstellung in Darmstadt, 1901. V. l .n. r.: Haus Christiansen, Ernst-Ludwig-Haus sowie Haus Olbrich, historische Postkarte von 1901 (Bild: Institut Mathildenhöhe, Städtische Kunstsammlung Darmstadt)

Es stimmt ja. Blickt man in ihre Geschichte, so sind die frühen Internationalen Bauausstellungen und vor allem ihre Ergebnisse – wie die Mathildenhöhe Darmstadt 1901 oder die Stuttgarter Weißenhofsiedlung 1927 – längst in der internationalen Architekturgeschichtsschreibung kanonisiert worden. Vergleichbares gilt für die IBA bis einschließlich der IBA Emscher Park. 3 Die Interbau zeitigte in Berlin 1953-57 herausragende Architektur; die IBA Berlin 1977-87 fiel in eine Phase, in der exzellente Architektur weniger relevant schien als die Themen Stadtreparatur (Hardt-Waltherr Hämer) und Kritische Rekonstruktion (Josef Paul Kleihues).
Ein Blick auf die gegenwärtigen IBA-Projekte zeigt allerdings, dass nur wenige qualitativ deutlich über einem guten Durchschnitt liegen. Davon, wie es im Memorandum heißt, dass ein IBA-Projekt „Leuchtturm der Exzellenz“ sein solle, ist man trotz gutem Willen oft weit entfernt. 4

2017 aktualisert: Das Memorandum zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen, verfasst durch den IBA-Expertenrat des BMI

2017 aktualisert: Das Memorandum zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen, verfasst durch den IBA-Expertenrat des BMI erstmals 2009.

Experten, Bürokraten

Beim Bund wurde deswegen 2009 ein 9-köpfiger IBA Expertenrat gegründet, der zunächst mit einem Memorandum allen IBA-Akteuren ins Gewissen redete.5 Damals war Engelbert Lütke-Daldrup noch der zuständige Staatssekretär.
Nach einer „IBA“ scheint inzwischen überall gerufen zu werden, wo es irgendwie knirscht. Es sind, siehe oben, neue IBA im Gespräch, und der Expertenrat gab nun mit dem 2017 aktualisierten Memorandum eine Art „Handreichung“, damit sich das Format IBA nicht völlig von ursprünglichen Ansprüchen ablöst. 6 Zudem gibt es seit 2018 das Forschungsprojekt „IBA im Wandel“.7

Die Lektüre des Memorandums weist tatsächlich auf das IBA-Problem hin: Hier greifen die deutsche Bürokratie und politische Einflussnahme dermaßen Raum, dass Kraftquellen, aus denen die ersten Internationalen Bauaustellungen, schöpften, schlicht zugeschüttet werden.
Ein Beispiel. Da heißt es zu Kompetenzen und Profile: „Entsprechend der Aufgaben sollten die Kompetenzprofile der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IBA-Gesellschaft ausgestaltet werden: Prozesssteuerung, Projektmanagement, Mittelakquise, vertikale Kommunikation, horizontale Kommunikation sowie moderierende Funktion gegenüber jenen, die in Netzwerken und konkreten Projekten mit Bezug zum IBA-Thema arbeiten, sind von essenzieller Bedeutung für den Erfolg der IBA„.8

"Wie entstehen und wie entfalten sich Innovationen?" Das Eingangsreferat hielt Prof. Dr. Oliver Ibert (Bild: Ursula Baus)

„Wie entstehen und wie entfalten sich Innovationen?“ Das Eingangsreferat hielt Prof. Dr. Oliver Ibert (Bild: Ursula Baus)

Damit sind manche Arbeitsbereiche abgedeckt, von denen sich eine IBA durchaus distanzieren können sollte.
Laut Memorandum sollen IBA zur „Marke“ gemacht werden, was so weit geht, dass die Innovation entsprechend vier vorgegebener IBA-Phasen abzulaufen hat. Das thematisierte das Auftaktreferat der Veranstaltung in inhaltlich dünner und leider inspirationsarmer Weise.

So bleibt festzuhalten, dass Internationale Bauausstellungen vorab mit Memoranden ihren Verwaltungs- und Leistungsweg deutlich gewiesen bekommen. In den vorstrukturierten IBA-Phasen wird formalisiert, formatisiert und monitorisiert, evaluiert, qualifiziert, zertifiziert, protokolliert und dokumentiert. Noch bevor IBA enden, werden Wirkanalysen erstellt, und, um es zuzuspitzen: Mit „post-IBA-Formaten“ ließe sich unter Umständen eine IBA-Mumifizierung feststellen. Es droht für IBA schließlich eine Art Automatisierung, die sich schon heute andeutet, weil manche IBA-Teams alles korrekt gemäß den Handreichungen abarbeiten.

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Bundesgartenschau und Stadtausstellung in Heilbronn (Bild: Christian Holl)

Schluß mit IBA?

Zur Berliner IBA-Konferenz war auch Barbara Brakenhoff aus Heilbronn als Referentin eingeladen. In Heilbronn lässt sich seit kurzem besichtigen, wie zwar mit einer BUGA, aber ohne eine IBA neue, ungewohnte Stadtplanungswege beschritten wurden und mit der „Stadtausstellung Neckarbogen“ binnen kürzester Zeit experimentell gebaut werden konnte.

Ja: Gerade eine immer mehr regulierte und bürokratisierte Republik braucht „Sonderformate“, sonst, so meinte ein Teilnehmer, „geht gar nichts mehr“. Ließe sich das Übel an der Wurzel packen? Allüberall lechzen wir nach mehr Flexibilität und größeren Handlungsspielräumen. Die dafür einst prädestinierten IBA-Formate werden nun durch den Bund mehr reguliert als in ihrer Unabhängigkeit, Ergebnisoffenheit, Einfallskraft und Dynamik gestärkt. Damit nimmt die Bürokratisierung ihren Lauf.
Die Schwierigkeiten des Planungsalltags sind heute systemisch bedingt. IBA als „Ausnahmezustand auf Zeit“ sind in der Regel gut gemeint, und vereinzelt bewirken sie – mit teils immensem Aufwand – auch etwas. Aber sie drohen sich mehr und mehr in den systemischen Abhängigkeiten zu erschöpfen.


Link zur IBA Geschichte ab Darmstadt 1901 https://www.internationale-bauausstellungen.de/geschichte/

Memorandum 2017, a.a.O., Seite 17

Memorandum 2017, a.a.O., Seite 13