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Bild: Johannes Marburg. Aus der Serie „Menschen, die in Häusern wohnen“ >>>
Über die wichtigste Personalie sei die Entscheidung getroffen, so heißt es auf der Internetseite der IBA 2027, oder IBA 2027 StadtRegion Stuttgart, wie sie offiziell sperrig heißt. Stimmt. Und: Es war eine gute Entscheidung. Eine, so viel Ehrlichkeit muss sein, auf die zu hoffen man nicht gewagt hatte – zu wenig profiliert war der IBA-Start bislang gewesen, zu beliebig das ausufernde Themenspektrum aufgefächert worden.

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Andreas Hofer. Bild: IBA 2027 StadtRegion Stuttgart GmbH

Viel hatte man von der IBA 2027 bislang nicht erwartet. Zu oft hatte man den Verdacht, dass die IBA als Marketinglabel missverstanden wird, dass Baukultur mit Wirtschaftsförderung identifiziert wird, dass die Bereitschaft fehlt, unbequeme Wege zu gehen. Mal abgesehen davon, dass man in Stuttgart in Sachen Bau- und Planungskultur nicht gerade im Paradies lebt und schon so manche vielversprechende Idee als Löwe sprang, um dann doch als möglicherweise nobler, aber doch als Bettvorleger zu landen – siehe Killesberghöhe.

Und dann das: Andreas Hofer aus Zürich wird Intendant dieser Südwest-IBA werden. Er wird für die künstlerisch-inhaltliche Ausrichtung dieser Bauausstellung verantwortlich sein, aber er wird auch die schwierige Herausforderung meistern müssen, die vielen Wünsche und Interessen zu bündeln, die sich mit der IBA verbinden. Man muss kein Prophet sein, um vorhersagen zu können, dass dies in einer Region mit 179 Kommunen, mit starken wirtschaftlichen Kräften, die ihre Interessen durchzusetzen wissen, mit Politikern, die in ihrer Gemeinde wiedergewählt werden wollen, keine leichte Aufgabe werden wird – zumal es nur noch gerade mal neun Jahre sind, die (jedenfalls im Moment noch) für diese IBA eingeplant sind. Für Hofer spricht, dass er aus Zürich kommt, Aggolomerationsraum, der als prosperierender vergleichbare Probleme wie die Stuttgarter Region zu bewältigen hat. Dort hat Hofer sich die Meriten erworben, die ihn für diese neue Aufgabe mehr qualifizieren, als es andere getan haben – einstimmig ist die Entscheidung für ihn im Aufsichtsrat der IBA-Gesellschaft gefallen.

Andreas Hofer ist Architekt und Stadtplaner; mit dem Büro archipel, das er mit Andreas Wirz führt, ist er als Berater und Architekt für Wohnbauträger, Kommunen, für das Hochbaudepartement der Stadt Zürich tätig gewesen, hat in der Stadt- und Quartiersentwicklung gewirkt, sich für energieeffizientes Bauen und bezahlbares Wohnen eingesetzt. Er ist einer derer, die maßgeblich an den Projekten beteiligt waren, die derzeit aus Zürich als hervorragende Beispiele für ein zeitgemäßes Wohnen hierher strahlen – ob Kraftwerk 1 mit den Projekten Hardturm, Heisenholz und Zwicky-Süd, ob Mehr als Wohnen: allesamt wegweisende Projekte. Sie zeigen, worin die Chancen des Teilen und des Clusterwohnens liegen, wie Dichte am Stadtrand sinnvoll sein kann, wie gemeinschaftliches Wohnen entwickelt und organisiert werden kann. Und Hofer hat dafür gesorgt, dass die Ansprüche hoch bleiben, dass den Genossenschaften, die in all diesen Fällen als Bauherren auftreten, der Rücken freigehalten wird, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Genau deswegen passt er als IBA-Intendant: Weil er nicht selbst entwerfen muss, weil er sich auf dem politischen Parkett zu bewegen weiß. Und weil einen Sinn für das Machbare hat. „Wer den Widerspruch zwischen der ‚bösen‘ Welt auf der einen Seite und einer fein ziselierte bunt ausgemalten Gegenwelt pflegt, kann nur verlieren“, hat er einmal in einem Interview gesagt. Hofer kommt aus einer Bewegung, die sich diesen Realitätssinn hart erarbeitet hat, er war Hausbesetzer, Kapitalismuskritiker, Gegner von Spekulation und Verdrängung – etwas von solchem Widerstandsgeist als Stimme der IBA kann die Region gut gebrauchen.

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Blick in die Region Stuttgart. Auch der Bestand der dichtbesidelten Region sollte IBA-Thema werden. Bild: Christian Holl

Wohnen – und was noch?

Dass das Wohnen damit einen Schwerpunkt dieser IBA ausmachen wird, kann damit als gesetzt gelten. Dass neue Wohnformen, neue Beteiligungs- und Planungskonzepte auch für Areale in den suburbanen Arealen entwickelt werden könnten, darf man hoffen. Ein Projekt wie das gerade mit dem DAM-Preis ausgezeichnete Projekt im Domagk-Park in München, ist bislang in Stuttgart und der Region nicht zu finden.

Man darf gespannt sein, wie Wohnen, mit anderen Nutzungen komplex verwoben, zeitgemäß jenseits der Zentren aussehen, wie hier gemeinschaftliches Wohnen realisiert werden kann. Wie sich sozial faire Projekte auch dort verwirklichen lassen, wo keine Genossenschaft als Bauherr in Frage kommt. Die Zusammensetzung der Gesellschaft ist im suburbanen Raum, man lasse sich von den Bauformen nicht täuschen, nicht wesentlich anders als in den Innenstädten: Singlehaushalte, Patchworkfamilien sind in kleinen Orten weniger selten als gedacht. Und es geht bei dieser IBA auch um die Frage, wie man mit dem Bestand der dicht besiedelten Region umgeht – etwa mit den vielen Einfamilienhausteppichen.

WagnisART, München, Architektur bogevischs buero

Erhielt den DAM-Preis 2018: Das Genossenschaftsprojekt WagnisART in München. Architektur: ARGE bogevischs buero mit SHAG Schindler Hable Architekten. Fotograf: Julia Knop

Schließlich wird die Frage zu beantworten sein, was die IBA-Projekte miteinander verbinden soll – wie der Gedanke, dass es die IBA einer Region ist, sich in ihnen spiegeln wird. Wie sie sich ergänzen, wie sie regionale Fragestellungen etwa der Mobilität oder des verbindenden Freiraums berücksichtigen. Eine Ansammlung von in einer Region verstreuten Projekten wird aus der IBA allein keine regionale machen.
Dass nun wegen der erneuten Verzögerung von Stuttgart 21 ein paar für die IBA vorgesehene Grundstücke nicht so bald zur Verfügung stehen wie gehofft, sieht Hofer kaum als Problem. Es gehöre zu einem solchen Prozess, so sagte er, „dass Areale auftauchen und Areale verschwinden.“ Er sei in diesem konkreten Fall „fast ein bisschen froh, dass wir uns nicht dem naheliegenden Fall dirket hinter dem Bahnhof stellen müssen zuerst, sondern eigentlich wirklich aus dieser Regionalperspektive heraus schauen müssen, wo sind die spannenden Ansatzpunkte.“ Gut pariert: Die IBA auf ein Stuttgarter Areal des leidigen 21-Projekts zu konzentrieren, wäre ohnehin ein konzeptioneller Fehler gewesen, der nur von den Fragen ablenken würde, die in der und für die Region wichtig sind. Sehr geehrter Herr Hofer – wir freuen uns auf Sie.