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Walter Zahner: Kirche Raum Gegenwart. Broschur mit Schutzumschlag, 16 × 27 cm, 280 Seiten, zahlr. Abbildungen, ISBN 978-3-98612-019-1 Jovis, 2023, 32 €

Walter Zahner: Kirche Raum Gegenwart. Broschur mit Schutzumschlag, 16 × 27 cm, 280 Seiten, zahlr. Abbildungen, ISBN 978-3-98612-019-1
Jovis, 2023, 32 €


Endlich wird begriffen, was es heißt, im Zeitalter der Transformation zu leben und zu arbeiten. Die Kirche, von Skandalen gebeutelt, verliert dramatisch an Mitgliedern, als Bauherrin steht sie vor neuen Aufgaben mit ihrem teils uralten, hochwertigen Bestand. Gute Beispiele zeigen, was auch mit anderer Bausubstanz gelingen kann. oben: Doppelseite aus dem besprochenen Band, St. Joseph, Burghausen


Vielleicht passt ein Satz des Architekten Wilfried Kühn als Prolog: „Nach meiner Erfahrung gibt es kaum einen einfacheren Weg, jemanden zu verprellen, als ein Gespräch über Religion anzufangen.“ Dieses Buch hält dagegen, es ist alles andere als ein bigottes Vademecum. Es transportiert seinen Inhalt als kulinarisches Vehikel, als seien Kirchen die coolen Basislager des Sakralen. Schon seine Form ist eine Behauptung. Um den äußeren Einband ist ein steifes Papier mit Altarfalz geschlagen. Darunter bleibt der Buchblock ohne Rücken. Nach innen klappt ein weiterer gewendeter Deckel, dessen angeschnittene Beschriftung „Kirche Raum Gegenwart“ fragmentarisch den darunterliegenden Einband ergänzt. Der flexible Buchblock ist fadengeheftet. Im hinteren Drittel folgt eine weiterer Kartonklappe, die den Inhalt deutlich separiert. Ab hier geht es um „Kirche Raum Zukunft“. Die Signalfarbe dieser Umschläge ist Marienblau (wenn man sich an die kirchliche Nomenklatur anlehnen mag). Weitere farbige Trennseiten geben nicht nur Orientierung, sie machen neugierig, sich durch das matt-griffige Konvolut zu blättern.
Es ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung (bis 15. März 2023), die die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst e.V. (DG) und der Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V. (VAH) aktuell in München zeigen. Den Anstoß für das Werk gab die schwindende Zahl von Kirchenmitgliedern, was zur Frage führt, wie man mit den Gotteshäusern umgehen soll. Allein 2021 haben sich fast 360.000 Katholiken von ihrer Kirche verabschiedet, etwa 1200 Sakralgebäude wurden während der letzten 20 Jahre in Deutschland aufgegeben.

2318_REZ_St-anton_SchweinfurtIhre Umnutzung steht immer wieder in der Diskussion, denn die Bauten bergen nicht nur graue, sondern auch spirituelle Energie. Bei Kirchen handelt sich eben nicht um irgendwelche belanglosen Schuppen, sondern oft an zentralen Plätzen stehende Architekturen, die Orte prägen und Identität stiften. Die Autoren plädieren für eine Transformation der obsoleten Kirchenräume, denn auch ohne transzendenten Gottesbezug besitzen sie eine Qualität, die über das Alltägliche hinausragt.
Zusammengetragen haben sie 14 gelungene Beispiele aus dem süddeutschen Raum, es folgen (Achtung: blaue Trennklappe!) vier weitere Projekte, für die Architekten und Künstler beauftragt waren. Ihre Vorschläge sind äußerst originell, unverklemmt, aber nicht würdelos; man mag sich gerne so eine verwandelte Kirche in seiner Nachbarschaft vorstellen. Die Texte – plakativ gesetzt in einer halbfetten Groteskschrift – bleiben gut lesbar und kommen ohne die religionsphilosophischen Tautologien aus, die einen so oft „verprellen“: für und für. Der katholische Theologe Albert Gerhards plädiert dafür, dass christliche Gemeinden, wenn sie „nicht zu einer exotischen Sekte verkümmern wollen… [sich ändern müssen]; sie müssen sich zusammen mit ihren Räumen ändern.“ Mit diesem Handbuch ist ein Anfang gemacht. Und um noch einmal auf das Kunsthandwerk seines Gestalters Bernd Kuchenbeiser zurückzukommen: Es ist auch ein Plädoyer für die Qualität des gedruckten Buchs. Ein eBook Reader wirkt dagegen wie eine Totgeburt.