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Steht unter Denkmalschutz als »ein einzigartiges, bedeutendes und erhaltenswertes Werk der Architekturgeschichte« – und soll abgerissen werden: Die Mettmanner Neandertalhalle. (Bild: Klaus Englert)

In den letzten Wochen wurde hier eine Reihe von gefährdeten Bauten vorgestellt. Ihnen droht aus verschiedenen Gründen der Abriss. Manchmal sind es aber auch einfach fehlende Kompetenz in der Politik und die Sturheit, einmal getroffene Entscheidungen wieder in Frage zu stellen, die zum Abriss führen können. Die Neandertalhalle in Mettmann ist dafür ein Beispiel.

Auch im Rheinland scheint sich zusehends die „Abrisskultur“ durchzusetzen. Diese Feststellung sollte man, da sich Berufsverbände und zahlreiche Initiativen deutlich für den Erhalt von Gebäuden einsetzen, nicht als anachronistisch verharmlosen, denn die Gefahr für zahlreiche Bestandsbauten ist real. Man denke nur an die von Paul Bonatz und Julius Schulte-Frohlinde am Düsseldorfer Hofgarten errichtete Oper, die durch den von der Stadt ausgelobten Opernwettbewerb zur Disposition gestellt ist. Konkrete Investorenpläne für den Abriss gibt es auch für die Kölner Karstadt-Niederlassung auf der beliebten Breite Straße. Und erst im letzten Januar wurde die ehemalige Kölner Siemens-Zentrale von 1973 abgerissen. Seit Februar ist außerdem zu befürchten, dass sich auch die beliebte Stadtbibliothek am Neumarkt – trotz Protestes des Kölner BDA – in die traurige Liste der Abrissopfer einreihen wird.

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Südseite mit der Sicht auf den Bauteil mit der Stadtbilbiothek. (Bild: Klaus Englert)

Wegwerfmentalität in der Provinz

Aber auch die rheinische Provinz steht in der Abrisskultur den großen Städten in nichts nach. Zu den gefährdeten Bauten zählt die Mettmanner Stadthalle, die von den Mettmannern wegen ihrer grellgrünen Farbe liebevoll „Laubfroschoper“ genannt wird. Dass der Mettmanner Stadtrat im Herbst 2019 fast unisono mit den Stimmen der Grünen für den Abriss der Stadthalle stimmte, wurde anfangs kaum registriert, weil man das Gebäude über viele Jahre hinweg verfallen ließ, um es dann vollständig zu schließen. Und weil es heute zum politischen Alltagsgeschäft gehört, dass man Fakten wie die jährlich in Deutschland anfallenden 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle nicht mehr kritisch hinterfragt. Von „Sachverständigen“ der Mettmanner Gemeinderatsfraktionen werden sie einfach mit dem Verweis hinweggewischt, Abbruchmaterial würde doch recycelt für den Straßenbau eingesetzt werden. Diese Mär hält sich hartnäckig in politischen Kreisen: Die größten Mengen des Schutts wandern auf Deponien. Nur sieben Prozent des Bauschutts werden in einem Neubau wiederverwertet werden.

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Ansicht von Südosten. (Bild: Klaus Englert)

Stadtverwaltungen und Stadträte in von klammen Etats gebeutelten Kommunen wie der Bergischen Kreisstadt Mettmann setzen lieber auf den Abriss von Bestandsbauten, in der Hoffnung, ein williger Investor werde schon einspringen und, nach Abriss des Gebäudes, noch einen schicken, im besten Fall klimaneutralen Neubau fürs grüne Gewissen errichten. Verschlimmernd kommt hinzu, dass in kleineren Kommunen die meisten Stadträte und Angestellten der Stadtverwaltung – wie der Fall Mettmann gleichfalls zeigt – keine ausreichenden Kenntnisse über nachhaltiges Bauen besitzen, also über die Sache, über die es zu entscheiden gilt, nur mangelhafte Information haben. Das trifft sogar – überraschend für viele Mettmanner – auf die grünen Mandatsträger zu. Auch für sie ist Abriss der einfachste Weg und man reagiert gereizt, wenn Denkmalschützer:innen widersprechen. Den Bausektor betreffend herrscht eine gravierende Inkompetenz unter den gewählten Stadträten, da sie über komplexe Zusammenhänge grosso modo einzig nach ökonomischem Kalkül urteilen und Alternativen gar nicht erst in Betracht ziehen. Sie von der einmal beschlossenen Fraktionsentscheidung abzubringen, grenzt an Sisyphusarbeit, vor allem, weil die einzelnen Mandatsträger zumeist durch Fraktionszwang zumeist gebunden sind.

Ungeprüft: Abriss-Alternativen


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An der Nordseite, der der Innnenstadt zugewandten, liegt der Zugang zu den Konzert- und Veranstaltungsräumen. (Bild: Klaus Englert)

Leider wurde auch vom damaligen Baudezernaten der Umbau der Stadthalle niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, obwohl achtzig Prozent der Schadstoffbilanz den Rohbau betreffen und eine Komplettsanierung mit einem Fünftel der CO2-Emissionen eines Neubaus auskommt. Würde man die ökologischen Folgekosten und das erhaltene Material berücksichtigen, wäre ein Erhalt ökonomisch äußerst sinnvoll. Weil aber diese Nachhaltigkeitskriterien nachgeordnet wurden, beauftragte die Stadtverwaltung vor einigen Jahren die Karlsruher Beratungsgesellschaft Symbios, die für teures Geld genau das bestätigte, was man am liebsten hören wollte – nämlich, dass es ratsam ist, sich an private Immobilien-Investoren zu wenden.

Der kürzlich vom Stadtrat bestätigte Abrissbeschluss steht im Widerspruch zur Entscheidung der Obersten Denkmalbehörde von Ende 2019, mit der die Stadthalle unter Denkmalschutz gestellt wurde – gemäß eines Gutachtens des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), das dem Gebäude des Wuppertaler Architekten Wolfgang Rathke bescheinigte, „ein einzigartiges, bedeutendes und erhaltenswertes Werk der Architekturgeschichte“ zu sein. In der Tat handelt es sich um das zeittypische Dokument einer technizistischen Ästhetik wie sie in Renzo Pianos und Richard Rogers Centre Pompidou zum Ausdruck kommt. In der 1981 in béton brut-Manier gebauten Stadthalle mit großem Festsaal, Theater- und Tagungssaal sowie einem Konferenzraum wurde die Technik an die Außenseite des Hauses gelegt und daraus die charakteristischen, ausdrucksstarken Formen entwickelt.

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Blick ins Foyer. (Bild: Klaus Englert)

Während des denkmalrechtlichen Genehmigungsverfahrens zum Abbruch der Stadthalle positionierte sich der LVR klar für den Erhalt der Stadthalle, regte eine umfangreiche Prüfung von Abbruch-Alternativen an und empfahl, die Möglichkeit des An- und Weiterbauens zu untersuchen. Ein von zahlreichen Experten (unter anderen von Christoph Ingenhoven, Annette Hillebrandt, Werner Sobek, Wolfgang Sonne, Yasemin Utku und Philipp Oswalt) unterzeichneter offener Brief, der ein Abrücken von dem Abriss- und Neubauvorhaben forderte und stattdessen den Umbau vorschlug, wurde im August 2022 über die Plattform Openpetition veröffentlicht und durch die Rheinische Post unterstützt. Auch der BDA Düsseldorf und Wuppertal, der BDA NRW und die Architektenkammer NRW schlossen sich dem Protest  an. Die Forderung nach Erhalt der Stadthalle stützt sich beispielsweise auf den NRW-Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen, der sich für eine „Umbaukultur als gelebte Verantwortung für Nachhaltigkeit“ einsetzt.

Die Erstunterzeichnenden des Offenen Briefs an die Bürgermeisterin und den Stadtrat von Mettmann schrieben im August 2022: „Als Unterzeichner des Offenen Briefs wenden wir uns gegen den leichtfertigen Abriss, wir befürworten den Erhalt der bestehenden Bausubstanz der Neandertalhalle und ein nachhaltiges Weiterbauen. Der investorengetriebene Neubauwahn verletzt die Kultur des Pflegens und Reparierens.“

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Blick in den Festsaal, der etwa 900 Besuchenden Platz bietet. (Bild: Klaus Englert)

Und es geht eben doch

Trotz dieser unmissverständlichen Forderung kam erst im Februar 2023 Bewegung in die Sache. Die ehemalige Mettmannerin Johanna Foth beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit an der Düsseldorfer Peter Behrens School of Arts im Fachbereich „Bauen im Bestand“ (Leitung: Robert Niess) mit dem Umbau der Mettmanner Neandertalhalle. Die Entwürfe beweisen, dass der  geschlossen wirkende Baukörper, der die Architekturentwicklung der 1960er und 1970er Jahre widerspiegelt, durchaus in eine zeitgemäße Architektur mit deutlich offenerem Charakter überführt werden kann. Foth schlägt in ihren Entwürfen eine Passage in Gestalt einer Freitreppe durch das Bauvolumen vor. Fassaden- und Dachabschnitte möchte sie öffnen, damit mehr Tageslicht ins Innere gelangt. Johanna Foth nutzte nicht zuletzt die Hanglage aus, um das Untergeschoss des Gebäude besser für öffentliche Zwecke zu nutzen. Weil 67 Prozent der Bausubstanz erhalten bleiben und immerhin 21 Prozent der Bauteile im Sinne des Urban Mining wiederverwendet werden könnten, ließen sich dadurch Kosten und Schadstoff-Emissionen deutlich reduzieren. Angesichts des klammen Mettmanner Haushalts wären das berechtigte Gründe für ein ernsthaftes politisches Umdenken.

Auch über das zukünftige Programm hat sich Johanna Foth bereits Gedanken gemacht: Als Gegenposition zu dem 1996 von Günter Zamp Kelp und Arno Brandlhuber im Tal gebauten Neandertal Museum liebäugelt sie mit einem „Future Lab“ am Rande der Oberstadt als freiem Bildungs- und Veranstaltungsort. Die Pläne wurden kürzlich im Bürgermeisterbüro präsentiert. Weil aber der Abrissbeschluss weiter gültig ist und sich die Stadtverwaltung in der Suche nach einem geeigneten Projektentwickler schwer tut, sind das allenfalls zaghafte Anzeichen einer Wende. Die im Offenen Brief vom letzten August aufgestellten Forderungen bleiben aktuell.


Hinweise:
Eine gekürzte, aktualisierte Fassung des Beitrags “Die Laubfroschoper in Mettmann” (Denkmalpflege im Rheinland, Heft 1/2018, S. 22-30), in dem das Gebäude anlässlich seiner bevorstehenden Unterschutzstellung präsentiert wurde, ist auf moderneREGIONAL veröffentlicht >>>
Das Nutzungskonzept, das der Abrissentscheidung zugrunde gelegt wurde, findet sich hier >>>