Im Februar starb Robert Kaltenbrunner. Wir verlieren einen hochgeschätzten Kollegen, einen kritischen Geist, einen belesenen Autor und einen feinen Menschen.
Er war einer, der offensichtlich schreiben musste. Nicht wegen der damit möglicherweise verbundenen Anerkennung, nicht aus Eitelkeit. Er schrieb, weil es für ihn der Weg war, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, denn wenn man über ein Thema schreibt, müssen die Gedanken präziser sein, als wenn man sich nur mündlich äußert. Es gibt keine Veröffentlichungsliste im Internet zu finden. Sie wäre lang. Er schrieb für Fachzeitschriften, Internetportale, Tageszeitungen, die Frankfurter Rundschau, die deutsche bauzeitung, die NZZ, für die DISP. Er schrieb als einer der Ersten über die chinesische Stadtentwicklung, aber auch über das „Zerrbild Zersiedlung“, die Tücke der Retroarchitektur, über echtes und vermeintliches ökologisches Bauen. Und über die Stadt und deren Architektur. Immer und immer wieder, weil die Auseinandersetzung mit der Stadt immer neue Themen liefert. Über neue Quartiere und die Last der Regularien. Über Fehlerkultur, die Selbstermächtigung der Aneignung und Gentrifizierung. Mit Robert Kaltenbrunner zu diskutieren hieß immer, um die Sache zu ringen, Argumente zu schärfen, Positionen abzuwägen. Ohne Polemik. Nie ging es ihm dabei um die eigene Person. Deswegen konnte man sich immer auf ihn verlassen.
Architektur und Stadtplanung hat er an der TU Berlin studiert, 1992 über städtebauliche Leitbilder beim Umbau Shanghais in den 1950er- und 60er-Jahren promoviert. 1992 bis 1999 arbeitete er in der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr, Berlin, war dort Projektleiter für Wohnungsbaugroßvorhaben. Seit 2000 leitete er die Abteilung „Bauen, Wohnen, Architektur“ im heutigen Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Bonn und Berlin). Dort war er Partner von Forschenden und organisierte Politikberatung. Er war Mitherausgeber der „Informationen zur Raumentwicklung“; dort wurde auf seine Initiative die bei Marlowes erschienene Reihe „Städtebau.Positionen“ herausgegeben. Er war Mitglied im Wissenschaftlichen Kuratorium von Forum Stadt (Esslingen) sowie im ‚Scientific Panel‘ von City Safety Energy (Neapel/Italien). Er hielt Vorträge, begleitete Buchpublikationen.
Und schrieb und schrieb. Unter anderem ein Buch über die „Stadt der Zukunft“, zusammen mit Peter Jakubowski, das erschien 2018. Auf den Verlagsseiten heißt es, es habe Robert Kaltenbrunner „einst aus der tiefsten ostbayrischen Provinz nach Berlin verschlagen, wo er das Großstadtleben mühsam, aber von der Pike auf lernen musste.“ Er hat es gelernt, und dass es ihn Mühe gekostet hat, konnte man ihm höchstens daran anmerken, dass er sich nie in die Grabenkämpfe verwickeln ließ, die in dieser Stadt nicht nur einmal geführt wurden. Seine Rolle beim Bundesamt mag das erfordert haben. Es war aber nicht nur die Selbstverständlichkeit, mit der er seine Rolle als zuletzt stellvertretendem Leiter des BBSR von der des Privatmenschen zu trennen wusste. Er hatte auch immer eine wohltuende Distanz zu großstädtischer Wichtigtuerei. Diese Distanz hat es ihm erlaubt, die Sachen gelassener und genauer zu sehen. Seine Stimme wird auch deswegen fehlen. Am 21. Februar ist Robert Kaltenbrunner im Alter von 64 Jahren gestorben.