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Stilkritik (70) | Besser keine Häusle baue und sich dem Bestand anpassen? Oder Wohnbaugesellschaften enteignen, wie es jetzt in Berlin gefordert wird? Seit 70 Jahren erscheint das Bausparmagazin Das Haus der Landesbausparkassen. Das war Anlass, sich Anfang April im Mainzer Zentrum Baukultur mit dem Thema „Wohnen im Wandel“ auseinanderzusetzen. 


Es war ernst gemeint, ein Staatssekretär aus dem Finanzministerium – Stephan Weinberg – sprach die Grußworte. Dann berichtete Gunnar Brand, Ressortleiter Bauen & Renovieren bei der Zeitschrift Das Haus, was ihm aufgefallen war, als er sich jubiläumshalber durch das Redaktionsarchiv gegraben hat: wie man nach dem Krieg mit bescheidenen Grundrissen den Traum vom Eigenheim realisieren wollte. Und er stellte fest, dass es zahllose Details gibt, die heute noch (wieder) zu den begehrten Standards der Häuslebauer zählen. Zwischen den Zeilen hörte man heraus man, dass sich der Redakteur durchaus bewusst ist, bei keinem architekturkritischen Blatt zuhause zu sein. Aber dennoch: Eine Publikation in so einer Publikumszeitschrift mit Millionenauflage unterstützt die Architekten eher bei der Akquise als ein galliger Artikel in der Arch+.

Schlafen im Wohnzimmer, Arbeiten unterm Dach, Kochen auf der Terrasse? In Wohn-Debatten werden Scheingefechte ausgetragen. (Bild: Ursula Baus)

Schlafen im Wohnzimmer, Arbeiten unterm Dach, Kochen auf der Terrasse? In Wohn-Debatten werden viele Scheingefechte ausgetragen und falsche Fragen gestellt. (Bild: Ursula Baus)

Mobilität? Nachhaltigkeit?

Um so neugieriger wartete man auf die anschließende Diskussion, zu der noch die Journalistin Adeline Seidel und der LBS-Vize Uwe Wöhlert Platz genommen hatten. Zu gerne hätte man von der Bausparkasse erfahren, was sie außer ihren zahllosen Tarifmodellen grundsätzlich zum Wohnungsbau beigetragen hat. Ob die Propagierung des Eigenheimgedankens nicht maßgeblich für die Zersiedelung der Ortsränder verantwortlich ist, ob stereotype Individualität nicht hinter Gemeinsinn zurücktreten muss und ob es nicht bessere Wohnformen als freistehende Einfamilienhäuser gibt, um die Gegenwartsfragen Mobilität, Emissionen und Nachhaltigkeit zu beantworten. Aber die routinierte Moderation von Alexandra May blieb bei den mitgebrachten Klein-Mäxchen-Fragen hängen, so dass keine erkenntnisträchtige Kontroverse entstehen konnte. Wie sehen die Wunschhäuser der beiden Journalisten aus? Bestimmen gesellschaftliche Trends die Architektur, oder prägt die sich verändernde Architektur die Gesellschaft? Auf die Antworten darauf war man nicht wirklich gespannt.

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Sinnige Inschrift? Die Frage, wer wie wohnen will und soll, scheint müßig. (Bild: Ursula Baus)

Wohnen ändert sich schneller als Häuser

Gerade der Wandel bei den Wohnvorstellungen wird gerne überschätzt. Dass man für Patchwork-Familien, Single-Haushalte, Schwulen-WGs oder Home-Office-Etablissements eine andere Architektur braucht, wage ich zu bezweifeln. Maßgeblich sind heute zyklopische Flachbildschirme und Sitzlandschaften in Pontongröße, die mit bezahlbaren Wohnräumen hadern. Um etwas Persönliches anzufügen: Ich bin etwa ein dutzendmal umgezogen, alles Wohnungen, für deren ungünstige Grundrisse kein Student ein Diplom bekommen würde. Man musste sich arrangieren mit dunklen Zimmern, langen Fluren und Dachschrägen, konnte im Flur essen, in der Küche, im Wohnraum oder gar im Schlafzimmer. Die gleiche Phantasie brauchte man für die Arbeitsplätze. Aber alle Behausungen waren gelebte Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Man durfte nur nicht mit festen Vorstellungen ankommen und vor allem beim Einrichten keinen Trends folgen. Eine Antwort: Wenn man sich überlegt: Wie will das Haus bewohnt werden? Kann man überall einziehen? Am besten, man fragt dazu einen Architekten. Der weiß am besten, auf was man verzichten kann.
Das wäre der Wandel in den Köpfen der Bewohner.