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Der aktuellen Debatte entsprechend finden sich auch in den Auslagen der Buchhandlungen viele Publikationen zum Wohnen. Wir stellen vier vor, die in den letzten Monaten erschienen sind.

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Klaus Dömer, Hans Drexler, Joachim Schultz-Granberg: Bezahlbar. Gut. Wohnen. Strategien für erschwinglichen Wohnraum. 296 Seiten, 25 Euro
Jovis Verlag, Berlin 2016

Klein und gründlich: dieses im Taschenbuchformat gehalten Kompendium zum bezahlbaren Wohnen ist aus drei Teilen aufgebaut. Eine profunde Einführung gibt einen guten Überblick über den Stand der Diskussion und erörtert die wichtigste Faktoren, die Einfluss auf die steigenden Kosten für Wohnraum haben. Im Herzstück werden auf etwa 180 Seiten 17 Projekte vorgestellt, die in verschiedener Form bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen. Es sind allesamt Projekte, die in Architekturzeitschriften gut aufgehoben sein könnten, die meisten davon sind auch entsprechend prominent; einige haben als Träger des Hans Sauer-Preises 2016 qualifiziert, in dessen Kontext auch das von der Hans Sauer Stiftung unterstützte Buch entstand. Man hätte sich als Vergleichsmaßstab gerne Projekte gewünscht, die näher am üblichen Alltag liegen, um Qualitätsunterschiede zu den hoch ambitionierten Projekten ausmachen zu können. Deren Qualität macht sich daran fest, dass sie auf mehreren Ebenen mit der Herausforderung des Preises, den der Bewohner leisten können muss, umgehen. Sie stellen hohe Standards in Frage, geben partizipativen Prozessen Raum, versuchen Flächen durch gute Grundrisse zu senken. Bemerkenswert ist die gründliche quantitative Analyse. Hier wurde ermittelt, wie hoch der Anteil einzelner Kostengruppen an den Gesamtausgaben waren, wie sich Nutzungen auf die Flächen verteilen und wie sich die Baukosten und Miet- beziehungsweise Kaufpreise im Verhältnis zum durchschnittlichen Nettohaushaltseinkommen der Stadt verhalten. In einer Bilanz, dem dritten Teil des Buchs, werden die Projekte miteinander verglichen – was letztlich in die Folgerung mündet, dass es ohne ein aktive öffentliche Hand nicht geht.

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Wolfgang Förster / William Menking (Hg.): Das Wiener Modell. Wohnbau für die Stadt des 21. Jahrhunderts. 248 Seiten, Deutsch/Englisch, 29,80 Euro
Jovis Verlag, Berlin 2016

Das Wiener Modell – in Zeiten der Wohnungsnot in den Ballungszentren bekommt es wieder einmal viel Aufmerksamkeit. Eine Publikation, die dieses Modell vorstellt, wurde im letztes Jahr von Jovis herausgegeben – und ist bereits vergriffen, eine Wiederauflage müsste sich lohnen und wäre zu wünschen. Die Publikation entstand im Zusammenhang mit einer Wanderausstellung, die zuerst im Österreichischen Kulturinstitut in New York gezeigt wurde – was erklärt, dass auf die Situation in New York im Buch Bezug genommen wird, was sonst wohl etwas weit hergeholt scheinen müsste. Dieser Zusammenhang (und die Förderung durch die Stadt Wien) mag auch erklären, dass die kritische Reflexion des Wiener Modells, so erfolgreich und beeindruckend es auch ist, hier kaum stattfindet. Weder wird darauf eingegangen, dass der mit dem Modell verhinderte Flächenfraß durch Einfamilienhäuser sich dann eben direkt jenseits der Stadtgrenzen finden lässt – der regionale Kontext wird doch auch für den Wohnungsbau zunehmend wesentlich. Noch wird kritisch darauf eingegangen, inwiefern sich das Modell auf die Qualität dessen auswirkt, was eben nicht durch die öffentliche Hand gefördert wird. Allein, die Bilanz des Wiener Modells bleibt beeindruckend: 62 Prozent der Wiener Stadtbevölkerung wohnt in Wohnungen, die von der Stadtregierung gefördert oder von ihr unterhalten werden. 56 Projekte werden im Buch vorgestellt, sie zeigen die Qualität der seit dem frühen 20. Jahrhundert kontinuierlich verfolgten konsequenten Förderpolitik mit einigen exemplarischen Beispielen, konzentriert sich aber sonst auf neuere Projekte und beschreibt die Ansprüche, die man mit ihnen verfolgt: der Mischung, der hochwertigen Stadterweiterung, der Bestandsentwicklung etwa. Etwas mehr Pläne, Grundrisse vor allem, hätte man sich gewünscht, ansonsten profitiert das Buch von der Qualität des Themas, dem es sich widmet.

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Ursula Kleefisch-Jobst / Peter Köddermann / Karen Jung (Hg.): Alle wollen wohnen. Gerecht. Sozial. Bezahlbar. 248 Seiten, 32 Euro
Jovis Verlag, Berlin 2017

Die Rezension zur Ausstellung im vergangenen Jahr musste noch ohne den Hinweis auf einen Katalog auskommen (>>>) – nun ist er glücklicherweise erschienen. Und spannt all die Themen auf, die zum Wohnen wichtig sind: Grundrisse, Haustypen, Wohnsiedlungen, politische und rechtliche Rahmenbedingungen sowie unter dem Stichwort Akteure Bauherrenkonstellationen von der Wohnungsbaugesellschaft bis zur Genossenschaft. Was für die Ausstellung galt, kann hier nur wiederholt werden: gründlich und präzise recherchiert, allgemeinverständlich formuliert, illustriert mit gut ausgewählten. beispielgebende Projekten. Anspruch ist es, die Zusammenhänge herzustellen, Vorbildliches – wie die Münchener Wohnungspolitik – übersichtlich wiederzugeben und die geschichtliche Dimension, die vieles verständlich machen kann, einzubeziehen. Das ist gelungen. Auch regionale Zusammenhänge werden dargestellt, der Traum vom Eigenheim nicht totgeschwiegen. Wer über einzelne Schwerpunkte mehr wissen will, muss sich entsprechend an anderer Stelle informieren – sei es über das Wiener Modell (siehe oben) oder die zehn Thesen zum Wohnen (siehe unten). Einziges Manko: ein Literaturverzeichnis zu den Quellen und eben zur weiteren Vertiefung wäre eine hilfreiche Ergänzung gewesen.

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Olaf Bahner und Matthias Böttger (hg. für den Bund Deutscher Architekten BDA): Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen. 192 Seiten, 28 Euro
Jovis Verlag, Berlin 2016

Auch „Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen“ ist ein Buch zu einer Ausstellung – als nächstes wird sie vom 7. Juli bis zum 10. August in Dresden zu sehen sein. (Weitere Information: >>>) Thesen zum Wohnen in Städten müsste der Titel besser lauten, denn wie meist in der Wohnungsdebatte geht es auch hier um den Kontext der Stadt, kaum um den der Vororte, auch nicht um den der Kleinstadt oder des Dorfes. Die Klagen über einen zu streng und falsch reglementierten und regulierten Markt sind nicht neu, hier wird aber griffiger als meist gegen die üblichen Normen argumentiert, weil ihnen Alternativen gegenübergestellt werden. Zehn Architekten oder Architektenduos stellen, belegt durch Beispiele der eigenen oder der Arbeit anderer, ihre Überlegungen zu einer Weiterentwicklung des Wohnens vor, die in Gang gesetzt würde, wenn man Standards neu und anders setzen würde. Das Thema ist weder systematisch geordnet, noch umfassend aufbereitet, darum geht es nicht: nicht um „Handlungsanweisungen“; wie Heiner Farwick im Vorwort betont, sondern um einen „Ausgangspunkt für den zu führenden Diskurs über Qualitäten im Wohnen“, so die Kuratoren in der Einleitung. Das ist gelungen – von Grundrissfragen („Denkt nicht in Korridoren“) über städtische Qualitäten („Dichte als Möglichkeit“, „Das Unterschiedliche im Nebeneinander“) bis zu einem eher sozialen Fokus („Wer teilt, hat mehr“; „gnadenlos privat“) reichen die Erörterungen. Soweit ist dies alles wichtig und richtig. Allerdings stutz man dann doch, dass die Qualitätsoffensive nicht ohne ein ökonomische Bilanzierung der Vorschläge meint auskommen zu können, zumal ein kritische Zusammenschau, welches qualitative Bild sich aus den zehn Thesen ergibt, fehlt. Dann erst ist es eine Debatte: wenn die Vorschläge durch Gegenthesen kontrovers herausgefordert werden.

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