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The Place to Piep

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Auch Vögel mögen Corten-Stahl. Ist ja auch wetterfest. Futterhaus „Frame“ von Frederik Roijé. (Bild © Frederik Roijé)

Saisonstart im Garten. Mit Design- und Architekturqualität bei Vogelhäuschen und Futterstellen sind die Zeiten von unbequemen Do-it-yourself-Baumhöhlen und drögen Meisenknödeln im Plastiknetz endgültig vorbei.

Der Frühling ist in diesem Jahr einen Monat früher dran, als wir es gewohnt sind. Schon im Februar fingen die Bäume an zu knospen und zu blühen. Wir sind schon mittendrin in der Jahreszeit, in der das Leben wieder erwacht. Draußen singt und zwitschert es überall, Zug- und Strichvögel sind zurück und balzen, was der Ast hält. Und immer mehr Vögel ziehen gar nicht mehr in den Süden und bleiben hier. Sie alle bereiten sich auf die neue Saison vor.

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Links: Filigran, reduziert, clean: der Vogelimbiss von Olaf Riedel (Bild © Olaf Riedel Produktdesign)
Mitte: Frederik Roijé aus den Niederlanden entwirft seit Jahren einige ausgefallene Vogelhäuser entworfen – wieso auch nicht mal eine Kirche? (Bild © Frederik Roijé)
Rechts: Das ist doch…? Genau. Das Futterhaus „Barcelona“ von Monique Engelund für den dänischen Hersteller Menu. Leider nicht mehr erhältlich. (Bild © Menu)

Aber wie lockt man die gefiederten Freund:innen besonders gut in den eigenen Garten oder auf den Balkon? Die Konkurrenz ist groß, die Kundschaft wird kleiner, da muss man schon etwas bieten. Schaut man sich die Vielfalt an Vogelhäuschen und Futterstellen an, zeigt sich, dass das Angebot design- und architekturaffinen Modellen in den vergangenen Jahre zugenommen hat. Denn wer in einer modern gestalteten Wohnung lebt, möchte nicht unbedingt ein Vogelhäuschen im Schwarzwaldstil im Garten haben. Oder man fürchtet vielleicht, dass der unbeholfen zusammengezimmerte Eigenbau die Grenzen eigener Handwerkerfähigkeiten sichtbar macht und die Vogelschar sich lieber beim Nachbarn tummelt. Und so haben sich Designer*innen allerhand einfallen lassen, um Kohlmeise, Buchfink und Sperling ein ebenso ansprechendes Ambiente zu bieten, wie man es selbst genießt. Anlass für gepflegten Small-Talk, in das man fundiertes Halbwissen über die Architekturgeschichte einfließen lassen kann, bieten sie allemal.

Barcelona-Pavillon als Futterhäuschen


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Für urbane Vögel, die die 1970er Jahre lieben: Futterstelle „birdball“ von rephorm in der Farbe „Mango“. (Bild © rephorm)

Vogelhäuschen und Futterstellen gibt es in allen Stilrichtungen und für jeden Geschmack. Sind Sie und Ihre Piepmätze Fans der Moderne? Dann wäre vielleicht ein Vogelhäuschen in De Stijl-Optik etwas! Mögen Sie und Ihre flatterhaften Kumpan:innen die 1970er-Jahre? Dann könnte eine Futterstelle in Form einer Kunststoffkugel passend sein! Oder lieber japanisch-minimalistisch? Dezent und clean gestaltete Futterstellen kreieren ein einzigartiges Zen-Feeling noch für die kleinsten Gäste. Selbst der Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe wurde als Futterhäuschen gestaltet – einschließlich zugehörigem Pool.

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Das Futter- und Vogelhaus von Mark Gabbertas für Gloster setzt auf minimalistisches Zen-Feeling. (Bild © Mark Gabbertas)

Vor einigen Jahren hat das SZ-Magazin der Süddeutschen Zeitung bekannte Designer*innen und Architekt*innen gebeten, ein Vogelhäuschen zu entwerfen. Stefan Diez, Michele de Lucchi, Gesa Hansen, Graft oder Daniel Libeskind haben darauf eine zeitgenössische und ansprechende Antwort gefunden. Auch andere Größen wie Oki Sato, der bekannte japanische Designer hinter Nendo, hat sich an ein „Bird Apartment“ gewagt – was allerdings so groß ist, dass auch Menschen darin Platz finden.

Gestaltungswille und Tierwelt


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Links: In das „bird appartment“ von Oki Sato passen auch Menschen. (Bild© Nendo)
Mitte: Futterstelle im aktuellen Skandi-Style: das „Bird Silo“ von Mika und Julie Tolvanen aus Helsinki. (Bild © Pidät)
Rechts: Ob Bewohner:innen dieses Vogelhäuschen sich ihrer ikonischen Herberge bewusst sind? Vogelvilla „Multiholk De Stijl“ von Wildlife Garden. (Bild © Wildlife Garden)

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Für Vögel, die die perfekte Welle suchen: Das Vogelhaus von dem US-amerikanischen Designer Ryan Bruxvoort. (Bild © Ryan Bruxvoort)

Dass der Mensch seinen Gestaltungswillen auch auf die Tierwelt überträgt, ist nicht neu. Gerade für die uns am nächsten stehenden Haustiere wie Katzen oder Hunde gibt es seit vielen Jahren eine wachsende Vielfalt an Angeboten, die Komfort und Ästhetik versprechen und sich der für Menschen gemachten Welt angleichen. Ganz nach dem Motto: In einer Zeit, in der alles gestaltet wird, sollen auch den besten Freund:innen des Menschen ästhetische Genüsse vergönnt sein! In der vom Menschen gemachten Welt, die als Athropozän bereits als eigenes Zeitalter gewertet wird, wird besser nichts dem Zufall überlassen – und schon gar nicht der Natur. Um die kümmern wir uns am besten selbst. Die Sehnsucht nach vermeintlich unberührter Natur wächst in Zeiten von zunehmender Verstädterung und so geraten auch wild lebende Tiere wie Vögel in den Fokus des Care-Bedürfnisses. Ob man solche Angebote überhaupt schaffen und die Vögel nicht lieber ihre natürlichen Brutplätze und Futterquellen selbst suchen lassen sollte? Also bitte, wo fliegen sie denn dann hin?

Was wohl die Vögel von alledem halten? Glaubt man den Anbietern, so haben auch Vögel einen Sinn für gutes Design. So wirbt man etwa für „Vogelhäuser im Bauhaus-Stil“ mit dem Slogan: „Ausgiebig getestet und für gut befunden trifft hier klassische Moderne auf unvoreingenommene Vögel.“ Und oha, „neben Gimpeln, Meisen und Spatzen zählt mittlerweile auch ein Buntspecht zu den Stammgästen“. Wenn selbst ein wählerischer und seltener Buntspecht sich für kantige Vogelhäuser begeistern kann!

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Rechts: Auch die Vorarlberger Architektur darf nicht fehlen: Vogelhäuser von raumhochrosen. (Bild © Roswitha Natter-Bereuter, Christian Grass)

Modernes Ambiente für stilbewusste Vögel

Wir lesen und staunen weiter: „Ein Vogelhaus im Bungalowstil mit flachem Satteldach, reduziert in seiner Grundform. Zwei Buchenholzstege dienen als Landeplatz und Begrenzung nach vorn und hinten.“ Oder: „Unter dem Flugloch befinden sich Rillen, an denen die flüggen Jungvögel herausklettern können. Belüftungsöffnungen helfen, den Nistkasten angenehm zu temperieren.“ Das ist mal nutzerzentriertes Design! Viel mehr kann man sich als Vogel gar nicht wünschen.

Spätestens wenn man die Beschreibung des Nistkastens „twitter“ – Englisch für Gezwitscher – liest, schwinden letzte Zweifel, dass auch Vögel über ein ästhetisches Bewusstsein verfügen, denn „twitter macht aus jedem Baum ein Designhotel für architekturorientierte Vögel.“

Ob wir Stieglitz, Zaunkönig und Rotkehlchen mit diesen gestalteten Herbergen nicht zu vermenschlichen? Den Vögeln dürfte das letztendlich egal sein. Sie freuen über Körner, Würmer, viele Insekten und jeden Menschen, der ihnen wohlgesonnen ist.