In der aktuellen FAS wird darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung beim Bau von „Schutzräumen“ auch auf Hausbesitzer setzt. Ein herkömmlicher Keller reiche nicht, wer in einem eigene Haus wohne, habe allerdings „viele Freiheiten bei der Ausgestaltung eines Schutzraums“. Weil es – sensationell für Deutschland – keine gesetzlichen Vorgaben und keine Baugenehmigungspflicht gebe. Danach sieht aus, was Gerhard Matzig in der aktuellen SZ („Die letzten Tage der Menschheit“, 3. 12. 2024) als Interieur von Luxusbunkern präsentiert. Ein herkömmlicher Bunker kostet etwa 35.000 bis 40.000 Euro, liegt also im Preisrahmen eines komfortablen SUV-Tiefgaragenplatzes. Man muss diese techno-kapitalistische Weltgestaltung nicht akzeptieren.
Es gibt Bauaufgaben, deren Verhinderung man als politische Botschaft sehen darf: zum Beispiel den Bau von Bunkern. Die Weigerung daran mitzuwirken, ändert zunächst nichts, würde aber ein aufsehenerregendes Fanal bedeuten, das die Politik nicht übersehen kann. Architekten dürfen nicht stillschweigend zu Dienstleistern der Kriegstüchtigen werden.
Damit war zu rechnen gewesen. Wir haben es schon einmal erlebt. Jetzt sollen also wieder Bunker gebaut werden. Von den etwa 2000 Schutzräumen, die im schönsten Kalten Krieg vorhanden waren, existieren noch 579. Sie würden knapp 480.000 Personen aufnehmen können. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat bereits mit der Inventarisation begonnen, danach wird man sehen, was sich an Räumen noch umwidmen und ertüchtigen lässt. Bunkerbau wird unter dem Rubrum „Zeitenwende“ wieder zu einer Bauaufgabe der Gegenwart.1)
Stiller Alarm
Wenigstens Sirenensignale, die uns früher bei den Probealarmen immer so erschreckt haben, soll es künftig nicht mehr geben. Cell broadcast heißt das jetzt. Da kriegt man eine Nachricht auf sein Handy und weiß, zu welchem Schutzraum man laufen muss.
In Skandinavien und Finnland werden bereits Broschüren verteilt, die die Bevölkerung auf ein kriegstüchtiges Verhalten einstimmen. Die Älteren werden sich noch erinnern, wie das Anfang der 1960er Jahre bei uns ausgesehen hat. „Jeder hat eine Chance“, hießen die Heftchen, die alle Haushalte in ihren Briefkästen fanden und den Heimwerkern eine Anleitung für den Bau ihres heimischen Bunkers gaben. „Aktion Eichhörnchen“ erklärte die Vorratshaltung für die Tage im Keller. Würde man auf dem Weg zur Arbeit von einem Angriff überrascht, sollte man den Kopf mit seiner Aktentasche vor dem Atomblitz schützen. Für das politische Kabarett bot das immerhin einige Anregung – aber zum Lachen war einem nicht zumute. In den katholischen Gottesdiensten wurde bei den Fürbitten der Satz eingefügt „…und dass du uns vor einem Dritten Weltkrieg bewahren wollest“. Bis jetzt hat es ja gewirkt.
Was ich im März als Osterbotschaft 2) ventiliert habe, hat sich leider nicht als die Vermutung eines Angsthasen erübrigt. Der deutsche Nato-General Christian Badia raunt, dass Deutschland noch nie so nahe an einem neuen Krieg gewesen sei wie jetzt. Erwartungsgemäß pflichtet ihm Agnes Strack-Zimmermann bei jeder Gelegenheit bei. Da kann man sich seine Alpträume zurechtlegen, wie es für die Davongekommenen später im Ploetz stehen könnte: Friedrich Merz wird der nächste Kanzler, liefert die Taurus an die Ukraine, Selenskij schickt eine nach Moskau, und Putin antwortet From Russia with love. Dann geht bei uns das Licht aus. Oder ein russischer Trawler zerlegt eine Telefonleitung vor Rügen, was die Nato als Beitrag zur hybriden Kriegsführung auslegt und mit einer klassischen militärischen Vergeltung Beistand leistet. Nun ist es nicht mehr weit zur „offenen Feldschlacht“, wie sich die FDP gerade vorauseilend vom zivilen Jargon verabschiedet hat. Militärstrategen ist das alles zu vage. Sie sagen, in fünf bis acht Jahren ist „der Russe“ so weit, dann wird er den Westen mir nichts dir nichts angreifen.
Alte Manifeste, brandaktuell
Was allerdings in Erinnerung ist: 1983 erschien „aus dem Präsidium des BDA“ (eine diplomatische Formulierung aufgrund der Vorbehalte einiger Mitglieder) das „Manifest gegen den Bau von Schutzbunkern für Atomangriffe“. Federführend war Volkwin Marg, der sich auch in den Folgejahren unmissverständlich gegen die passive Annäherung an einen Krieg wendete. Für ihn war es eine „Forderung des sozialen Anstands, die Verantwortung des Architekten gegenüber der Gesellschaft vor allem als eine politische anzuerkennen und herauszustellen und nicht als eine nur künstlerische zu bagatellisieren“.3)
Im Bonner Hofgarten haben damals über eine Million Menschen gegen den sogenannten Nachrüstungsbeschluss demonstriert. Inzwischen geht es erneut um die Stationierung von Langstreckenraketen. Und eben den Bau von Bunkern.
1985 erschien aus Anlass des novellierten Zivilschutzgesetzes in der Bauwelt ein Vortrag von Marg, der mit dem Satz endete: „Helfen Sie mir und uns, einen Sinn zu sehen, wo wir nur bauliche Monstren erkennen können, oder entlassen Sie die Bauherren und uns aus Pflichten, die keine menschlichen mehr zu sein scheinen.“
Architekt und Demokratie
Der Architekt hatte erkannt: Demokratie ist nicht nur ein Wahlmechanismus, sondern eine Aufforderung an jeden, sich an seinem Platz für den Frieden zu engagieren.
Was unternimmt die Bauwelt heute, der BDA, die Kirchen?
1) Hauke Friederichs: Bunker verzweifelt gesucht. In: DIE ZEIT, 50/2024;
Anna Sophie Kühne: Das kostet ein Bunker im Keller. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. 48/2024, 1.12.2024
3) Alle Zitate aus: Volkwin Marg, Architektur ist – natürlich nicht unpolitisch. München 2008