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Dr. Michael Kopatz am 24.07.2018 in Osnabrück, fotografiert für DB Wagen Eins Magazin

Michael Kopatz. Foto: Julia Sellmann

Michael Kopatz ist seit August 2022 Dezernent für Klimastrukturwandel, Bauen, Stadtplanung und Mobilität der Stadt Marburg. Sein Credo, mehr Standards zu setzen, und die Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft nicht auf den einzelnen Menschen abzuwälzen, propagiert der Autor und Umweltwissenschaftler schon seit Jahren. Nun will er es in Marburg umsetzen. Ein Interview über das fatale Einfamilienhaus, die überholte Stellplatzverordnung und weshalb Politik immer noch so mutlos ist.

Sie sind zum 1. August 2022 als Dezernent für Klimastrukturwandel, Bauen, Stadtplanung und Mobilität der Stadt Marburg berufen worden. Ursprünglich sind Sie Sozial- und Umweltwissenschaftler und haben zuletzt beim Wuppertal Institut gearbeitet. Wie kommt es, dass Sie sich nun in politischer Funktion dem Bereich Bauen und Stadtentwicklung widmen?

Michael Kopatz: Ich wurde gefragt. Ich habe nicht aktiv gesucht, weil ich unzufrieden gewesen wäre. Eine Voraussetzung für meine Entscheidung war: Ich habe mich mit dem Oberbürgermeister von Marburg gut verstanden. Die andere, dass ich bereits in Osnabrück in der Kommunalpolitik aktiv war und damit nahe an der Praxis. Aber als Dezernent hier in Marburg habe ich viel mehr Möglichkeiten. Tolle Leute, richtige Innovationstreiber. Da muss ich mich nur noch als Verstärker einsetzen. In den ersten 100 Tagen konnte ich schon viele Impulse geben. Es war genau die richtige Entscheidung.

Sie gelten als Verfechter von gesetzlichen Standards, um Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu fördern. Was haben Sie sich für die nächsten sechs Jahre in Marburg vorgenommen?

Ich möchte möglichst viel beim Klimaschutz erreichen. Ich versuche, nicht nur große Ziele in die Welt zu setzen, sondern Maßnahmen umzusetzen. Ich treffe auch hier in Marburg auf vieles, das angesichts der Dimension der akuten weltweiten Bedrohung durch die Klimakrise unzureichend ist, aber auch auf Dinge, die gut sind. Bislang hatte ich an die Bundespolitik appelliert, Strukturen zu ändern. Man ist sich ja bereits ziemlich einig, dass man Regeln, Standards braucht, um Ziele zu erreichen. Es gibt Vorgaben wie das Gebäudeenergiegesetz. Dann hat so eine Stadt operativ Möglichkeiten, diese Standards zu nutzen. Es gibt auch Ziele der Europäischen Union, wie zum Beispiel die Effizienzklassen anzuheben. Der Gesetzesgeber muss sie in Vorgaben übersetzen. Neue Heizungen sollen ab 2024 ja nur noch als Wärmepumpe oder mit erneuerbaren Energien möglich sein. Diese Standards sind für uns als Kommune eine Entlastung.

Wo stoßen Sie mit dem Handlungsspielraum der Kommune an Grenzen? Wo wünschen Sie sich mehr Kompetenzen, welche Regelungen auf Landes- oder Bundesebene sollten geändert werden, damit Kommunen ihre Möglichkeiten zur Energiewende nutzen können?

Da wäre das Gebäudeenergiegesetz für den Bestand sinnvoll. Auf EU-Ebene wird diskutiert, dass bis zu einem Tag X alle Gebäude im Bestand ein definiertes Niveau hinsichtlich Energiestandard erreicht haben müssen. Das könnte man mit Fördertöpfen flankieren, dann hätten wir etwas mehr Bewegung in einem sehr schwerfälligen Sektor.

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Marburg ist geprägt von der Oberstadt mit altem Stadtkern. 2030 will die Stadt klimaneutral sein. (Bild: Solar Empire/ flickr)

Marburg hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen und damit verbunden die Absicht formuliert, die Stadt bis 2030 klimaneutral zu machen – 20 Jahre früher als die EU es vorgibt. Wie stehen die Chancen dafür, das Ziel zu erreichen?

Ich halte das Ziel für extrem ambitioniert. Das können wir nur schaffen, wenn wir ziemlich krasse Maßnahmen umsetzen. Da müsste zum Beispiel die Sanierungsquote auf vier Prozent steigen oder der Autoverkehr müsste sich in den nächsten sieben Jahren halbieren. Große Ziele sind leicht beschlossen. Ich wünsche mir, dass wir unsere politischen Beschlüsse ernst nehmen.

Flächenverbrauch und Einfamilienhäuser

In Ihrem Buch »Ökoroutine« schreiben Sie, dass in Wohnungen und Häusern ein Viertel unserer Energie verbraucht wird – 85 Prozent davon beim Heizen. Nun sind wir in einem harten Winter, die Deutschen werden angehalten, nicht mehr so stark zu heizen. Halten Sie es für sinnvoll, auf diese Weise auf die Energieknappheit zu reagieren?

Durch angepasste Verhaltensweisen kann man sehr viel einsparen. Hohe Preise motivieren dazu. Aber langfristig hilft es nicht, wenn man nur die Preisschraube dreht – Menschen, die gut verdienen, berührt es nicht, und für andere ist es einfach zu hart. Deshalb brauchen wir neben einer CO2-Steuer auch Standards und Limits, also politische Steuerung.

In Deutschland gibt es inzwischen eine Debatte über den Neubau von Einfamilienhaussiedlungen. Können Sie das nachvollziehen?

Absolut. Es wäre aus klimapolitischer Sicht natürlich sinnvoll, nur noch Mehrfamilienhäuser neu zu bauen. Das Einfamilienhaus hat den größten Flächenverbrauch, und auch von der Herstellungsenergie sowie in der Nutzung den größten Verbrauch – es ist fatal, so weiterzumachen. Es gibt landauf landab viele kleinere Kommunen, die entwickeln Bauland und haben keinen gescheiten Nahverkehrsanschluss. Wenn der Bund die Vorgabe machen könnte, dass nur noch Bauland entwickelt werden darf, wenn das Gebiet über einen sehr guten Nahverkehrsanschluss verfügt, dann wäre das ein sehr guter Schritt.

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Schwarzplan Marburg und Umgebung. (Bild via swzpln.de)

Wie viele andere Städte auch weist Marburg neues Bauland aus, obwohl es keinen relevanten Einwohnerzuwachs hat. In ihrem Buch »Ökoroutine« schlagen sie ein Flächenmoratorium vor: Es sollen keine Neubauflächen mehr ausgewiesen werden, wenn die Kommune eine stagnierende oder schrumpfende Einwohnerzahl vorweist. Wollen Sie das für Marburg umsetzen?

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, wäre ein solches Limit das Gebot der Stunde. Zugleich ist es wie in vielen beliebten Städten auch in Marburg schwer, eine ansprechende und günstige Wohnung zu finden. Ursächlich ist oft nicht der Einwohnerzuwachs. Vielmehr werden die Wohnungen immer größer. Statistisch hat heute jeder Bundesbürger 12 Quadratmeter mehr Wohnfläche als 1990. Ich möchte hier Angebote schaffen, die die Leute ermuntern, ihre Wohnform auch mal zu wechseln und sie ihren Bedarfen anzupassen. Weil ich selbst mit gutem Beispiel vorangehen will, habe ich hier ein WG-Zimmer. Für mich allein brauche ich doch keine Wohnung mit 70 Quadratmetern.

Rebound-Effekte und Mehrgenerationenwohnen

Die EU und damit auch Deutschland hat die Energieeffizienz bei Neubauten immer höhergeschraubt. Seit 2021 gilt nun der Niedrigstenergiestandard, quasi das Nullenergiehaus. Der so genannte Rebound-Effekt konterkariert diese Entwicklung: Menschen in energieeffizienten Wohnungen verbrauchen deutlich mehr als Energie als zuvor berechnet, weil sie dabei kein schlechtes Gewissen mehr haben müssen. Wie kommen wir aus dieser Zwickmühle raus?

Das ist tatsächlich ein schwieriges Problem, weil man mit strukturellen Vorgaben limitiert ist. Man kann den Leuten ja nicht die Heizung runterdrehen. Hier sind Kommunikation und Appelle notwendig. Sinnvoll ist es auch, mit den Mietenden ein Coaching zu machen, wie man lüften soll und so weiter. Viele Sachen sind keine technische Herausforderung, sondern eine Frage von sozial-kulturellen Innovationen. Es ist sowieso eine Phantom-Diskussion, wenn behauptet wird, wir bräuchten nur die technischen Innovationen, und dann ginge alles wie von alleine. Das ist Quatsch. Beispielsweise sind Autos immer effizienter geworden, aber auch größer, schwerer und zahlreicher. Deshalb gibt es im Sektor Verkehr keinen Fortschritt beim Klimaschutz. Übrigens auch nicht im Sektor Wohnen, auch hier kompensiert Wachstum die Effizienz.

Dass wir zu viel Wohnraum pro Kopf beanspruchen und dies nicht gut für den Klimaschutz ist, ist unbestritten. Vor allem fallen die älteren Menschen ins Gewicht, die alleine oder zu zweit oft mehr als 100 qm bewohnen, nachdem ihre Kinder ausgezogen sind. Wie groß schätzen sie die Bereitschaft der Menschen ein, eine kleinere Wohnung zu beziehen, wenn der Preis, die Qualität und die Nähe zum angestammten Wohngebiet stimmen?

Bei diesem Thema stehen wir noch am Anfang. Es gibt erste Ansätze und Projekte gemeinschaftlichen beziehungsweise generationenübergreifenden Wohnens. Ich wünsche mir für Marburg, dass wir in den Dörfern und Stadtteilen konkrete und attraktive Angebote für Interessierte schaffen, sich zu verkleinern. Die kleinere Wohnung darf nicht teurer sein als die große. Und sei sollte bestenfalls noch einen sozialen Benefit haben. Wenn das Angebot stimmt, können sich 30 bis 50 Prozent vorstellen, umzuziehen. Wichtig ist es den Menschen, im Quartier bleiben zu können. Spannend wird es, wenn Einfamilienhäuser frei werden für Familien. Dafür braucht man Angebote, vielleicht auch Prämien. Ich habe eine Projektgruppe initiiert, damit wir weiter vorankommen. Wir suchen jetzt Liegenschaften und haben einen Architekten eingeladen, uns konzeptionell zu beraten.

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Industriepark Görzhausen. (Bild: Wikimedia Commons, Wolkenkratzer, CC BY-SA 3.0)

Boden, Gewerbe und Bestand

Angesichts steigender Bodenpreise und Immobilien als Rendite-Objekte sind Genossenschaften oder Projekte des Mietshäuser-Syndikats ein von vielen genannter Weg, Haus und Grund der Spekulation zu entziehen. Fördern Sie in Marburg gezielt Genossenschaften, etwa im Rahmen von Konzeptvergabeverfahren?

Baurecht sollte es idealerweise nur noch geben, wenn der Grund im Besitz der öffentlichen Hand ist. Das ist mein Ziel und es trifft hier auf sehr viel Zustimmung. Es gibt ein Passus im Koalitionsvertrag unserer Stadtregierung zur gemeinwohlorientierten Bodenpolitik. Diese Strategie hilft dabei, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und wir können hohen Anforderungen beim Klimaschutz und -anpassung einlösen. In Marburg wurde bereits das Marburger Konzeptverfahren für gemeinschaftliches Wohnen entwickelt und beschlossen. Es soll nun für die Entwicklung von genossenschaftlichen Wohnprojekten mit bestimmten Kriterien zur Nachhaltigkeit und zur Förderung der Gemeinschaft im Quartier angewendet werden.

Stadt besteht nicht nur aus Wohnen. Gerade Gewerbe- und Einzelhandel sind oft sehr flächenintensiv. Wie wollen Sie hier den Flächenverbrauch eindämmen kann?

Wenn es nach mir ginge, dürfte hier zum Beispiel kein Logistiker, kein Discounter mehr einen Standort eröffnen. Wir haben genug davon. Früher gab es ein Versorgungswettbewerb, jetzt gibt es nur noch einen Verdrängungswettbewerb. Outlets und ähnliches kannibalisieren unseren innerstädtischen Einzelhandel. Darauf kann eine Stadt verzichten. Zugleich ist Marburg ein international bedeutender, prosperierender Pharmastandort und damit für den Wohlstand hier maßgeblich. Hier sichern wir die Entwicklung auch flächenmäßig ab. Gewerbegebiete auf der grünen Wiese scheinen mir nur für besonders klimafreundliche Unternehmen angemessen.

Im September hat ein breites Bündnis von der Bundesbauministerin ein Abrissmoratorium gefordert. Wie gehen Sie mit der Frage des Bestandserhalts um?

Wir haben Leitlinien für klimaneutrales Bauen beschlossen. Darin steht zum Beispiel
„Sanierung geht vor Neubau“, das versuche ich für Marburg umzusetzen. Wir vereinbaren das im Rahmen von städtebaulichen Verträgen, wo immer es möglich ist. Für leerstehende Gebäude wünsche ich mir Wettbewerbe, die zeigen, wie wir sie weiternutzen können, ohne sie abzureißen. Und wenn der Neubau unumgänglich ist, dann wollen wir das gemäß unseren Leitlinien nur mit naturverträglichen Materialien. Zudem fände ich es gut, wenn es eine Abgabe für Bauschutt oder eine Ressourcensteuer gäbe, damit sich Sanierung rechnet.

Freiräume und Verkehr

Um auf den Klimawandel reagieren zu können, braucht es Flächen für Grün- und Freiräume – Stichwort Schwammstadt. Welche Konzepte für ein Regen- und Abwassermanagement können Sie sich für Marburg vorstellen?

Wir haben ein Klimaanpassungskonzept vorliegen, das wird beschlossen werden. Meine Empfehlung: Das in alle Projekte miteinfließen zu lassen. Immer, wenn eine Straße saniert wird, kann man Parkflächen entsiegeln, um tief wurzelnde Bäume zu pflanzen und damit Hitzekrisen eindämmen. Die Entsiegelungsdebatte geht mit der verkehrspolitischen Debatte einher. Mein Slogan zur Antrittsrede war: „Bäume, Bäume, Bäume.“

Kommen wir zum Thema Verkehr. Wie finden wir von einer Diskussion über einzelne Verkehrsmittel zu Systemen, in denen verschiedene Verkehrsmittel miteinander kombiniert werden? Wie kann das Teilen eine maßgebliche Rolle in der Verkehrspolitik spielen?

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Die Änderung des Stellplatzschlüssels ist auch ein Beitrag dazu Wohnraum bezahlbar zu machen. (Bild: Michael Kopatz)

Vorausgeschickt: Der Verkehrssektor ist der schwierigste Sektor beim Bereich Klimaschutz, weil er ganz stark in unserer Mobilitäts-Routine verankert ist. Die Menschen fühlen sich sofort angegriffen, wenn man dieses Thema anschneidet. Gleichzeitig gibt es Beschlüsse vom Bund – minus 40 Prozent CO2 im Verkehr – bis 2030. Erreicht wurden bisher 0 Prozent. Hier hat eine Stadt sehr viel Einfluss, aber manche haben auch Scheu, ihn zu nutzen. Zugleich gibt es immer mehr mutige Projekte, etwa, wo ein Parkstreifen in einen Radweg umgewandelt wird. Diese Wertschätzung von Alternativen zum Auto ist enorm wichtig. Die Stadt kann die Zahl der Stellplätze bestimmen, darüber entscheiden, ob sie Anwohner- oder Lehrerparkplätze bepreist. Aber wir müssen uns trauen. Wenn man den Busverkehr ertüchtigen will, dann sind alle dabei. Und dann stellt man fest, es steigen nur Fußgänger:innen und Radfahrende ein, aber nicht die Autofahrenden. Sobald ich Parken teurer mache, kommt ein Aufschrei von den Einzelhändlern, die glauben, dass der Autofahrende der wichtigste Kunde ist. Dabei kommt mindestens die Hälfte der Kaufkraft aus dem Umweltverbund.

Werden Sie an der Stellplatzsatzung von Marburg rütteln?

Dazu gab es bereits einen politischen Auftrag. Wir haben die Satzung inzwischen weiterentwickelt. Sie sieht eine 70-prozentige Minderung der Stellplatzpflicht in der Innenstadt vor und 50 Prozent in den Dörfern. Eine vollständige Entpflichtung ist möglich, wenn die Bauherrschaft ein Mobilitätskonzept vorlegt, mit dem etwa eine Bus- oder Carsharingstation in der Nähe nachgewiesen wird. Wir erleichtern es damit den Investoren, autoarme Wohnformen zu realisieren. Zwingt man sie beispielsweise aus Flächenmangel eine Tiefgarage herzustellen, kostet jede Wohnung 30.000 bis 40.000 Euro extra. Das widerspricht der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum.

Im nächsten Schritt müsste man darüber nachdenken, die Zahl der Parkplätze in Marburg auf das gegenwärtige Niveau zu begrenzen. In Anbetracht des vorliegenden Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung, wonach der motorisierte Individualverkehr um 50 Prozent bis 2035 zurückgehen soll, erscheint es wenig sinnvoll, wenn der Parkraum stetig wächst. Zugleich sollte das kostenlose Parken im öffentlichen Raum, etwa an Schulen ein Ende haben. Wir müssen wertvolle öffentliche Flächen sinnvoller nutzen als zum bloßen Abstellen von Fahrzeugen, exklusiv für Autohalter und finanziert von der Allgemeinheit. Deswegen wollen wir das Parken konzentrieren, etwa durch gestaffelte Gebühren. Auf der anderen Seite tun wir was für den Umweltverbund. Das Geld stecken wir komplett in die Förderung von Radwegen, Mobility-Hubs und so weiter. Das ist auch eine kommunikative Aufgabe. Es geht schließlich nicht darum, die Leute abzuzocken, sondern den Wechsel auf Bus und Rad zu erleichtern. Meine feste Überzeugung ist: In urbanen Räumen brauchen die Menschen in der Regel kein eigenes Auto. Da sollte Carsharing genügen.

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Michael Kopatz will den Radverkehr in Marburg stärken und sicherer machen. (Bild: Mohamed Yahya via Flickr.com)

Marburg ist laut ADFC-Radklimatest auf Platz 1 in Hessen gewählt worden, bundesweit Platz 14. Eine Modellstadt auch für andere Kommunen?

Das hat mich offen gestanden, etwas überrascht, denn es gibt hier unzählige Gefahrenstellen. In meiner Wahrnehmung verhalten sich Autofahrende zwar sehr rücksichtsvoll, aber sicher aufgehoben fühle ich mich im Vergleich zu anderen Städten nicht. Es wundert mich daher auch nicht, dass ich hier fast nie Kinder radeln sehe. Hier nutzen nur elf Prozent regelmäßig das Rad, ein beschämender Wert für eine Universitätsstadt wie Marburg. Grundsätzlich möchte ich, dass sich Radfahrende hier sicher und wertgeschätzt fühlen. Breite, sichere Radwege sind schwierig, weil die Straßen hier sehr eng sind. Daher werden wir demnächst auf viele Straßen Piktogrammketten mit Rädern aufbringen, die signalisieren, Radfahrende sind willkommen. Und an Kreuzungen müsste man die Schaltzeiten für Radverkehr und Fußgänger verbessern. Das geht allerdings nur, wenn man Grünphasen für den Autoverkehr verkürzt.

Was wünschen Sie sich, damit es schneller vorangeht?

Nehmen wir den Parkstreifen, der in einen Fahrradweg umgewandelt wird. Stande pede folgt eine öffentliche Aufgeregtheit, die in keinem Verhältnis zur Einbuße steht, was Sicherheit und Komfort für den Autoverkehr betrifft. Aber von den Fahrradfahrenden hört man leider nichts dazu. Dass die sich einmischen, das würde ich mir wünschen.

Das Interview führten Christian Holl und Martina Metzner