Einer der effizientesten Flächentragwerkstypen erlebt ein Revival. Und das nicht zuletzt, weil Sanierung statt Abriss Optionen dafür aufzeigt – wie jetzt in Magdeburg. Leider gibt es nicht viele Architektur- und Ingenieurbüros, die Schalenbauten fachgerecht sanieren, geschweige denn neu bauen können. Umso besser ist es, von guten Beispielen berichten zu können.
Heute nutzt die Messe- und Veranstaltungsgesellschaft Magdeburg GmbH das Gebäude als modernen Veranstaltungsort für Tagungen, Kongresse, Ausstellungen, Präsentationen aller Art und Galas. In Ulrich Müthers Werk ist die Hyparschale Magdeburg (»Ausstellungszentrum Kulturpark«, 1969) im Zusammenhang mit anderen seiner Bauten zu sehen:
Messehalle Rostock-Schutow (1966)
Buswartehalle Binz, Rügen (1967)
Mehrzweckhalle Rostock-Lütten Klein (1968)
Speisegaststätte im Pionierdorf Borchtitz (1972)
Entwicklungsschritte
Die Buswartehalle wurde als Versuchsbau für große Hyparschalen errichtet. Sie diente mit ihrer 7 x 7 Meter überdachenden, 5,5 cm dicken Schale gleichsam als Blaupause für die daraus abgeleiteten, größeren Schalen. In Rostock-Schutow stehen zwei solcher 7 cm dicker, 20 x 20 Meter überdachender Hyparschalen leicht versetzt nebeneinander. Sie dienten anfänglich als Messehalle. Mit dem Bau der Mehrzweckhalle in Rostock-Lütten Klein gelang es dann erstmals, vier solcher Hyparschalen zu einem Tragwerk zu verbinden. So ließ sich der nutzbare, stützenfreie Raum bei fast gleicher Schalendicke ganz beträchtlich auf 47 x 47, beim ein Jahr später fertiggestellten Ausstellungszentrum Kulturpark in Magdeburg auf 48 x 48 Meter vergrößern. Das zwei Jahre später gebaute Ruderzentrum in Dresden geriet dann mit 36 x 36 Metern und dem Verzicht auf Oberlichter zur Mini-Ausgabe der beiden größeren Brüder. Die Bauten in Magdeburg und Dresden hatten ursprünglich eine grünlich schimmernde Profilglas-Fassade (Copilit-Verglasung) die Halle in Lütten Klein war von Anfang an klar verglast.
Wer lässt jahrzehntelang Verrottung zu?
Alle drei Bauten dämmerten jahrelang ungenutzt vor sich hin. Dem Vandalismus war Tür und Tor geöffnet. Hinzu kam – in Dresden und Magdeburg – die Gefährdung durch immer häufiger auftretende Elbhochwasser. Im August 2002 erreichte der Pegelstand in Dresden einen historischen Höchststand von 9,40 Metern. Das Ruderzentrum wurde dabei bedrohlich stark unterspült. Im Juni 2013 stand das Wasser in Magdeburg 7,47 Meter über dem Normalpegel.
Alle drei waren lange vom Abriss bedroht. Inzwischen stehen alle unter Denkmalschutz. Die Magdeburger Halle bereits seit 1998. Trotzdem dauerte es fast zwanzig Jahre bis sich der Stadtrat 2017 mit überparteilicher Mehrheit für eine Instandsetzung der Halle aussprach und das Architekturbüro gmp mit der Sanierung beauftragte.
Dabei ging es zu allererst um die konstruktive Ertüchtigung der Schale. Hierfür wurde das Ingenieurbüro Prof. Rühle, Jentzsch & Partner, Dresden, die bereits bei der Sanierung des Dresdner Ruderzentrums maßgeblich beteiligt waren, hinzugezogen. Das durch Korrosion gefährdete Schalendach erhielt auf der Außen- wie auch auf der Innenseite eine jeweils 10 Millimeter dünne Schicht aus Carbonfaser-Gelegen und Feinbeton. Dadurch konnte das Dach nicht nur ertüchtigt werden. Es hat jetzt sogar eine gegenüber dem Ursprungszustand höhere Tragfähigkeit.
Geht doch!
Denkmalschutz hin, Denkmalschutz her, einiges wurde gegenüber dem Original dann doch geändert:
• die Farbigkeit. Das an eine »Schwedenküche« aus den Sechziger Jahren erinnernde Blassblau/Türkis (So jedenfalls die Ursprungsfarbe in Dresden, wie die Fassadenprofile in Magdeburg mal ausgesehen haben, kann man vor lauter Rost – siehe Foto – nur noch mutmaßen) ist verschwunden. Jetzt wurde alles »sehr gmp«, also so licht und weiß, wie es vorher nie gewesen ist. Man kann sich darüber streiten, ob die Weißwäsche dem Denkmal gerecht wird. Andererseits muss man sich fragen, ob Ulrich Müther auch heute noch an seinen Farbvorlieben von 1969 festhalten würde. Ich finde, das neue, weiße Kleid steht dem Bau außerordentlich gut. Und dennoch hätte der Denkmalschutz Recht gehabt, wenn er auf der Ursprungsfarbigkeit bestanden hätte.
• Raumwirkung unter der Schale. In allen drei Bauten hatte man ursprünglich im Innenraum von jedem Standpunkt aus die gesamte Untersicht der Schale im Blick. Aber für eine weiterhin ungeteilte Nutzung fanden sich keine Interessenten. Und damit beginnt das Problem, denn ein Bauwerk lässt sich nur selten als Museum seiner selbst erhalten. Es müssen neue, möglichst passende Nutzungen gefunden werden. Das gelingt nicht immer. Der »Teepott« in Warnemünde, ein großer, runder All-Raum wurde bis unters Dach in mehrere Tortenstücke zerteilt, man kann auch sagen: kaputtsaniert. Vom Denkmal bleibt nur die noch intakte Außenansicht.
Die Mehrzweckhalle in Rostock-Lütten Klein ist mit neuen Nutzungen so vollgestopft worden, dass man innen nur mit Mühe noch einen Blick unters Dach werfen kann.
Der Ruderklub in Dresden musste für eine Vielzahl verschiedener neuer Nutzer – vom Boxsport über Kanuclub bis Judo – umgebaut werden. Natürlich ging das nicht ohne Abtrennungen. Die sind allerdings nur bis kurz über Kopfhöhe massiv. Darüber geht es gläsern weiter. Das heißt, man hat eine weitgehend ungestörte Deckenuntersicht erhalten können. Man kann das – zur blauen Stunde – sehr schön vom anderen Elbufer aus sehen.
Dass man auch mit festen, aber eben nicht bis unter die Decke hochgeführten Einbauten gut leben kann, lässt sich an der Umnutzung der Speisegaststätte des Pionierlagers in Borchtitz zu einem Wohnhaus sehr gut zeigen:
Schlafräume, Bäder und weitere Nebenräume wurden möbelartig so in die Ecken geschoben, dass der Rundumblick in die Schalenkonstruktion erhalten blieb. Die Herangehensweise bei der Sanierung und Umnutzung der Magdeburger Halle ist damit durchaus vergleichbar.
Chancen der Veränderung
Hier war es – allein des viel größeren Raumes wegen – sogar möglich, Emporen einzuziehen. Und dennoch hat man sowohl von unten als auch von oben aus (fast) die ganze Schale im Blick. Das ist meines Erachtens recht gut gelungen. Aber auch hier könnte man wieder einwenden: Denkmalgerecht wäre es nur dann gewesen, wenn überhaupt nichts eingebaut worden wäre. Tja, dann hätte man womöglich das »Ausstellungszentrum Kulturpark« nicht erhalten können.
Dass überhaupt nichts raumhoch Trennendes eingebaut wird, davon sind nicht einmal Gotteshäuser verschont. Vielerorts werden Kirchen profaniert, umgebaut und damit oft ihrer Raumwirkung beraubt. Der Dom in Magdeburg ist aber noch als großartiger Raum erlebbar. Wer also nach Magdeburg fährt, um sich den Müther-Bau (und die dort bis 10.11. laufende Banksy-Ausstellung) anzusehen, sollte auch einen Blick auf das Hundertwasser-Haus werfen (es gibt darin ein feines Café!) und unbedingt den Dom besichtigen!
Bauherrschaft:
Landeshauptstadt Magdeburg, Eigenbetrieb Kommunales Gebäudemanagement
Entwurf 1969:
Ulrich Müther, in Zusammenarbeit mit Horst Freytag
Bauausführung 1969: Gerling & Rausch KG
VgV-Verhandlungsverfahren:
2017 – Zuschlag
Entwurf:
Umbau Meinhard von Gerkan und Stephan Schütz mit Christian Hellmund
Projektleitung: Sophie von Mansberg, Ursula Köper
Mitarbeit: Rosaria de Canditiis, Jan-Peter Deml (Visualisierungen) Annett Fabian (BIM), Florian Illenberger, Sonja Kautz, Annette Löber, Bao Wangtao, Maria Wolff, Thilo Zehme (Visualisierungen), Aaron Zuber
Objektüberwachung gmp: Moritz Buchholz, Jessica Neumann, Christoph Rohner, Viktor Saib, in Zusammenarbeit mit A.BB Architekten, Rudolf Droste
Tragwerk/Brandschutz:
Prof. Rühle, Jentzsch & Partner, Dresden
TGA:
Haupt Ingenieurgesellschaft, Leipzig; Ingenieurbüro Elektrotechnik Dipl.Ing. Andreas Kist, Burg
Lichtplanung:
Lichtvision Design, Berlin
Akustik:
ADA Acoustics & Media Consultants, Berlin
Leitsystem:
Moniteurs GmbH Kommunikationsdesign, Berlin
Straßen-, Tiefbau- und Abwassertechnik:
IKM Ingenieurkontor Magdeburg
Bauphysik:
Ingenieurbüro Kriegenburg, Magdeburg; ITG Energieinstitut GmbH, Magdeburg
Carbonbeton-Technologie:
CARBOCON, Dresden
Bauzeit: BA I 2019–2021, BA II 2021-2024
BGF: 3.948 m²
Kapazitäten
Veranstaltungsbereiche 1-4: 500 Sitzplätze
Seminarräume 2.1/4.2: 127/127 Sitzplätze