Städte am Rhein sind besondere Städte, weil ihnen in der Geschichte oft eine bedeutende Rolle zuwies. Das gilt für Mainz, die kurfürstliche Residenz- und Domstadt ebenso wie für Köln, 2000 Jahre alt und viergrößte Stadt Deutschlands. Auch ein Blick auf die jüngere Geschichte lohnt sich.

Andreas Rossmann: Das kann nur Köln sein. Ein Glossar. Mit Fotografien von Manfred Wegener. 278 Seiten, 13,4 x 20 cm, 18 Euro
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2019
Dass Köln eine besondere Stadt ist, die den Mangel an einem Gesamtbild nach herkömmlichen Stadtschönheitsidealen durch das Selbstbewusstsein ihrer Bewohnerinnen und Bewohner mehr als wett macht, die Lebenskunst, Pragmatismus, Momente großer Baukunst und städtebauliche Sackgassen vereint, zu der nicht nur Karneval, sondern auch Klüngel gehört, ist bekannt – und enthält auch einige Klischees, die, wie es bei Klischees so üblich ist, ungerecht sind und Wahres enthalten.
Einer, der sich dieser Stadt immer wieder neu genähert, der skandalöse Einzelfälle wie den Einsturz des Stadtarchivs verfolgt wie kleine und große Lichtblicke, das Kolumba-Museum Zumthors wie die Rettung einer 50-er Jahre Tankstelle in Kalk gewürdigt hat, ist Andreas Rossmann. 69 seit 1993 hauptsächlich in der FAZ erschienene Beiträge sind in diesem Buch, ergänzt um einfühlsame Fotografien von Manfred Wegener, als Glossar zusammengefasst. Nur geringfügig nachgearbeitet, zeugen sie von Diskussionen und Streit um Architektur und Stadt, von Engagement für gute Architektur und Widerstand gegen Abriss. Man taucht gerne ein in die Welt dieser Stadt, will gerne nochmal nachvollziehen, was man noch so ungefähr im Kopf hatte, lässt sich überraschen von der Würdigung des „Kölschesten aller Kölner“ – Willy Millowitsch – und davon, wie mit einer Telefonnummer Geschichte bewältigt werden kann. Man taucht gerne ein, weil Rossmann, von 1986 bis 2017 Kulturkorrespondent der FAZ in Nordrhein-Westfalen, ein sorgfältiger Autor ist, der nicht auf die Wirkung der verführerischen Formulierung zu schielen braucht, um seine Anliegen zu vermitteln. Und dieses Buch ist ihm ein Anliegen. Er ist eben selbst auch ein Kölner.
Der Natur der Sache entsprechend sind die Texte nicht aktuell, wer also wissen will, wie der Stand 2020 in Sachen Oper oder Rheinparkcafé ist, muss sich nach anderen Quellen umsehen. Insofern wäre es hilfreich gewesen, das Entstehungsdatum den Texten direkt beizustellen. Auch darf man keine Vollständigkeit erwarten. Beiträge über den Neubau für das Jüdische Museum in der Archäologischen Zone sind ebensowenig zu finden wie solche über die Bildungslandschaft Altstadt-Nord oder die Entwicklung am Rheinau-Hafen. Es ist eben – und das trifft auch auf die Fotos zu – ein subjektives Glossar. Und gerade darin aufschlussreich.

Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz und Deutscher Werkbund Rheinland-Pfalz e.V., bearb. von Rainer Metzendorf und Eduard Sebald: Egon Hartmann und der Wiederaufbau von Mainz. 21 × 21,5 cm, 96 Seiten, 39 Euro
Gebr. Mann Verlag, Berlin, 2009
2019 wäre der Architekt und Stadtplaner Egon Hartmann hundert Jahre alt geworden. In Mainz, wo Hartmann in der Nachkriegszeit mit den Wiederaufbauplanungen bis heute prägend gewirkt hatte, wurde ihm im letzten Jahr eine Ausstellung und eine kleine, aber feine Publikation gewidmet, die Hartmanns Arbeit für Mainz naheliegenderweise in den Mittelpunkt stellt. Rainer Metzendorfs Würdigung freilich zeigt nicht nur, dass die von Ernst May 1958 vorgestellten und vom Stadtrat genehmigten Aufbau- und Programmplanungen für Mainz fast bis ins Detail jenem Rahmenplan entsprach, den Hartmann als Leiter der Abteilung Stadtplanung erarbeitet hatte.
Metzendorf macht auch auf das weitere Wirken Hartmanns aufmerksam. Und das ist nicht unerheblich. Der im heutigen Tschechien geborene Hartmann hatte etwa als Chefarchitekt und Technischer Leiter des Thüringischen Landsprojektierungsbüros mit seinem Team die Entwicklungs- und Wiederaufbaupläne von 33 Städten zu verantworten. 1951 gewann der den Wettbewerb für die Berliner Stalin-Allee – fühlte sich aber beim Bau dann von den anderen Preisträgern in den Hintergrund gedrängt. Denn Hartmann war alles andere als linientreu – seine fachliche Unabhängigkeit und sein Widerspruchsgeist kosteten ihn den beruflichen Einfluss, es drohte gar die Verhaftung, weswegen er in die Bundesrepublik übersiedelte.
In einem Beitrag aus denkmalpflegerischer Sicht würdigt Eduard Sebald Hartmanns Pläne und sein Wirken in Mainz, die historische Struktur und Straßennetz erhalten hatten – allerdings standen in der Regel Städtebau und Verkehrsplanung im Vordergrund. Später wechselte er von Mainz nach München und bereitete dort den Bau von Neu-Perlach vor. Die umgesetzten Pläne freilich blieben hinter dem zurück, was er geplant hatte. Bernd Lauter, der den Wettbewerb für das Zentrum von Neu-Perlach gewonnen hatte, urteilte 2003: „Egon Hartmanns gleichermaßen repräsentativ wie gebändigt strukturierter preisgekrönter Wettbewerbsentwurf für die weiland Stalinallee in Berlin wurde unter Ostverhältnissen genauso vermurkst wie seine grandiose Perlach-Strukturplanung unter Westverhältnissen.“ Um die Nachkriegsplanungen besser verstehen und kritisch würdigen zu können, ist es um so wichtiger, dass Personen wie Hartmann nicht vergessen werden.