Auf einmal bekommt das von Herzog & de Meuron geplante „Museum der Moderne“ am Berliner Kulturforum einen neuen Namen, der auch noch kleingeschrieben wird: „berlin modern“. Was passiert da? Die Entstehungsgeschichte dieses Museums wird dereinst als ein Musterbeispiel für deutschen Planungsunfug des 21. Jahrhunderts gelten können. Am point of no return sind wir nicht.
Wie es bei Grundsteinlegungen so ist: Eine Box, die passenden VIPs, die Fotografen – das ist beim ersten Spatenstich auch nicht anders. Beim ersten Spatenstich haben alle einen Spaten in der Hand, bei der Grundsteinlegung ist es ein Hämmerchen. Zudem soll die Grundsteinlegung vor allem politisch deutlicher als der erste Spatenstich einen point of no return markieren. Am 9. Februar 2024 war es so weit, am Berliner Kulturforum kam die mit Dokumenten gefüllte Box, die aus Beton gefertigt war, 4 Jahre nach dem ersten Spatenstich und 16 Jahre nach dem Wettbewerb am Kran von oben an Ort und Stelle, zur Baugrube des Museums der Moderne. So heißt das Projekt nicht mehr, es ist vor kurzem in „berlin modern“ umgetauft worden. Mutmaßlich hätte Monika Grütters, Vorgängerin von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, gerne hier neben Jacques Herzog gestanden. War sie es doch, die das Ganze mit hauptstadttypischem Pathos, politstrategisch flink und finanztechnisch raffiniert auf den Weg gebracht hat – wir berichteten und kommentierten, siehe Seitenspalte. Wie viele AmtskollegInnen hatte sie es eilig gehabt; zur Weitsicht verpflichtete (Planungs-)Politik fürchtet die Hürden der Wahlperioden – und bricht leider Vieles übers Knie.
Und wieder das Hauptstadtgedöns
Und wieder kann’s nicht groß genug sein: „Denn in Berlin hat sich das 20. Jahrhundert kristallisiert, materialisiert und manifestiert.“ (Klaus Biesenbach) Unter Nationalgaleriedirektor Klaus Biesenbach, der hier vor zwei Jahren die Nachfolge von Udo Kittelmann antrat, und der ebenfalls vor zwei Jahren ins Amt gekommenen Claudia Roth rückte in den Vordergrund, dass für das neue Haus Ökologie und soziale Offenheit eine größere Rolle spielen sollten. Und Biesenbach erklärte nun die Umbenennung: „Kunst ist tägliche Praxis, sie schläft nie“. Man könnte sarkastisch, aber im Sinne der Gegenwartskunst auch überlegen, was sie, die Kunst, dann im Museum verloren hat. Auf immerhin 9.000 neuen Quadratmetern. Derweil stiegen und steigen die Baukosten natürlich. Hatte Monika Grütters noch 200 Mio veranschlagt, geht es inzwischen um 364 Million, und 500 Mio könnten es wohl auch werden.
Monika Grütters war es auch, die damals damit glänzen wollte, Privatsammlungen in Berlin zu halten. „In Berlin verdankt sich der Bau des Museums des 20. Jahrhunderts dem Engagement der Sammler – Erich Marx, Heiner Pietzsch, Egidio Marzona. Sie drohten damit, ihre Sammlungen abzuziehen, wenn kein Erweiterungsbau für die Neue Nationalgalerie käme, der auch ihre Kollektionen zur Geltung bringen würde.“1) Das kennt man: Sammler versprechen eine Überlassung, fordern aber ein entsprechendes Haus. So ist es nunmal in kapitalistischen Gesellschaften.2) Der Sammler Friedrich Christian Flick hatte für seine Sammlung immerhin den 8 Millionen Euro teuren Erweiterungsbau des Hamburger Bahnhofs (die Rieckhallen) finanziert. Aber 2020 kam’s anders: Die Rieckhallen wurden Opfer investorentypischen Durchschnitts, und Flick zog seine Sammlung ab in die Schweiz – nur bereits Geschenktes blieb in Berlin. Für Berlin: dumm gelaufen. Inzwischen sind die Sammler Marx und Pietzsch verstorben.
Waren die Rieckhallen von Kühn Malvezzi tatsächlich ein architektonisches Highlight am passenden Ort, riss die Kritik am Ort und Entwurf des berlin modern – alias Museum der Moderne – nicht ab. Als 2014 200 Mio Euro aus der Staatskasse genehmigt wurden, ließ sich das nicht ohne Mutmaßungen über irrationale Entscheidungen im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages erklären. Der schnell als „Scheune“ benannte Baukörper liegt wie eine Flunder am Kulturforum, und die nun ausgehobene Baugrube wirft sehr alte und neue Fragen auf.3)
„Prozessuales“
Jacques Herzog, der rhetorisch begabte Fuchs, meinte bei der Pressekonferenz, das Prozessuale sei typisch für seine Arbeit. Alle Beteiligten lobpreisen nun die Verbesserungen des Projekts unter energetischen und sonstigen ökologischen Gesichtspunkten, Photovoltaik statt spektulärer Glasziegel auf dem Dach, beim Tragwerk reduzieren, recyceltes Material verwenden, die Fassade etwas geschlossener als geplant gestalten, und die CO2-Bilanz wird natürlich auch beachtlich verbessert. Wenn’s der Weltrettung dient: prima. Aber besser wird das Projekt dadurch weder architektonisch, noch städtebaulich, und die von Anfang an deutliche Kritik am Projekt wird lauter.4) Es war Claudia Roth, die hier Änderungen auch gegen die SPK durchsetzte, wobei die SPK als Verwaltungskonstrukt selbst auch eine Baustelle ist.5) Mit den jetzt vorgeschlagenen Änderungen wird eine Verschlimmbesserung des Malheurs festgezurrt. Das Solardach verhunzt die fünfte Fassade des Gebäudes, die aus der Umgebung gesehen wird und ursprünglich entsprechend gestaltet werden sollte. Dass die Fassade nun weniger Ein- und Ausblicke bietet, gereicht dem Projekt und seinem Umfeld auch nicht zum Vorteil.
Nimmt man nun das „Prozessuale“, das Jacques Herzog anspricht, ernst, dann darf – ja: muss man einen Baustopp und eine weiter reichende Planungsänderung durchaus nicht ausschließen. Neben der Verbarrikadierung der Bauten von Mies und Scharoun und Stüler ist zu bedenken, dass die großen Freiräume im Zentrum, die nicht gleich Parkgröße haben, im wesentlichen Verkehrstrassen, also enorm breite Straßen sind. Einen attraktiven Freiraum am Kulturforum, der vom Tiergarten zum Kulturforum lockt, gibt es nicht.
Es grünt so grün
Die SPK, die Berliner Philharmoniker und die Stiftung Sankt Matthäus hatten unter anderem deswegen Anfang 2024 gemeinsam ein „Grünes Kulturforum“ gefordert.6) Im politisch korrekten Polit-Blabla heißt es, Ziel sei eine „nachhaltige Transformation der öffentlichen Räume des Kulturforums“, wozu es einen Workshop mit ganz vielen im weitesten Sinne Beteiligten und nahezu allen derzeit nennbaren Themen gab. Wie man das hierzulande eben so macht. Man wünsche sich für das Kulturforum „eine größere Aufenthaltsqualität mit mehr Grün, eine bessere Verkehrsanbindung und ein Neudenken der Straßen, die weniger die Orte trennen als verbinden sollen.“7) So lässt sich immerhin etwas Erfreuliches für die Verkehrsanbindung konkretisieren: eine Straßenbahnverlängerung bis zum Kulturforum und (hoffentlich neue, zusätzliche) Fußgängerüberwege über die Potsdamer Straße werden diskutiert. Neben dieser infrastrukturellen Überlegung sind jedoch wie ehedem Zweifel an der gesamten „berlin modern“-Konzeption angebracht.
Denn der Standort des Museums zwischen Nationalgalerie, Sankt Matthäus, Kunstgewerbemuseum, Staatsbibliothek und Philharmonie ist und bleibt stadträumlich falsch, wie die Kritik es von Anfang an beklagte. Ohne Not war die Standortwahl beschlossen worden, mehr noch: Andere Standorte sollten gar nicht nicht diskutiert werden. Doch alternative Standorte gibt es durchaus – unter anderem hinter der Nationalgalerie an der Sigismundstraße.8) Von Anfang an ist die Beeinträchtigung des Kulturforums, der herausragenden Bauten von Mies van der Rohe und Hans Scharoun harsch kritisiert worden – am Kulturforum werden mit die besten Kulturbauten des 20. Jahrhunderts verbarrikadiert und erbärmlich degradiert. Auch die Stülersche Matthäuskirche verdient trotz ihrer Beschädigungen nicht, zugebaut zu werden. Es war im wesentlichen Monika Grütters, die mit ihrer Sturheit die jetzige Standortwahl und das jetzige Projekt zu verantworten hat.
Die Ente darf rein
Wasser marsch!
Claudia Roth hätte noch eine Chance, aus dem Vorhandenen etwas Vernünftiges, sagen wir: Idyllisches im Kontext der Investorenwüste am Potsdamer Platz zu machen. Mit einem Aufenthaltscharakter, der keinerlei kommerziellen Interessen – Gastronomie und Ähnlichem – folgt. Die Baugrube zur Weißen Wanne umbauen lassen, Wasser hinein – fertig ist ein wunderbarer See, an dem sich trefflich sitzen oder sommers plantschen ließe, der stadtklimatisch gut funktioniert und Groß und Klein eine andere Freiraumqualität bietet als die Tiergartenbassins. Was allen am „berlin modern“ Beteiligten Kopfschütteln oder kaltes Grausen verursachen mag, ist mir durchaus Ernst. Es ist konzeptionelle, grundsätzliche Kritik an einer politischen Entscheidung angebracht, die im Prozessualen mehr bewirkt als die Verschlimmbesserung eines ab ovo fragwürdigen Projekts.
Wenn Hermann Parzinger als Präsident der Stiftung Preussischer Kulturbesitz mit dem „berlin modern“ in aktuellen Pressemeldungen von einem „Atlantis der Moderne“ spricht, dann zeichnet er eine hübsche Herleitung dieser Idee.
1) Nicola Kuhn: Abgänge aus der Sammlung Marx. In: Tagesspiegel, 27.11.2023, (https://www.tagesspiegel.de/abgange-aus-der-sammlung-marx-wichtiger-warhol-aus-dem-hamburger-bahnhof-verkauft-10844122.html)
2) FAS 18.2.2024, Machtkonstellationen heute. Siehe https://www.zeit.de/kultur/2024-02/berliner-stadtschloss-rechte-spender-rekonstruktion/komplettansicht
3) Zur Planungsgeschichte: Nikolaus Bernau in: Baunetz, 12.2.2024 (https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Zur_Planungsgeschichte_von_berlin_modern_8502208.html)
4) Andreas Kilb: Wer raunt hier vom Atlantis der Moderne? In: FAZ, 9.2.2024 (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/grundsteinlegung-fuer-berlin-modern-neuer-museumsbau-am-kulturforum-19509396.html)
5) Leitung, Verwaltung und Strukturen der Stiftung Preussischer Kulturbesitz sorgen regelmäßig für Schlagzeilen – das Thema kann an dieser Stelle nicht weitergeführt werden.
6) SKP, Pressemeldung vom 29.1.2024
7) siehe Anm. 6)
8) Seinerzeit zum Beispiel von Nikolaus Berlin angesprochen, DLF, 21.7.2015 (https://www.deutschlandfunk.de/museum-der-moderne-streit-um-geplanten-standort-100.html); siehe auch die Beiträge in der Seitenspalte