Marktgeschrei (16) | Leider hab ich vergessen, von wem das schöne Bonmot stammt, Jubiläen seien etwas für fantasielose Journalisten. Wie auch immer – der in diesem Sinne fantasielose Journalist hat ein gutes Jahr vor sich. Rembrandt, Leonardo, Fontane, Alexander von Humboldt. Und, genau, das Bauhaus. Dem widerfährt nun ein zweifelhaftes Schicksal. In einer manchmal artemberaubenden Unbedarftheit werden Klischees breitgetreten. Armes Bauhaus.
Es scheint, als gäbe es zwei Bauhaus-Jubläen. Über das eine schrieb Wolfgang Kil: Es brachte bereits die Überraschungen, die Hoffnungen auf weitere Überraschungen machen. Nennen wir es der Einfachheit halber A-Jubiläum. Und dann gibt es das Bauhaus-Jubiläum, das B-Jubiläum, das vollkommen frei von jeder noch so kleinen Überraschung gehalten wird. Schon im letzten Jahr wurde das Jubiläum des damals noch kommenden Jahres mit der ein oder anderen Ausstellung, dem ein oder anderen Symposium hier, dem für einen Möbelhersteller neu interpretierten Freischwinger dort befeiert. Schon im letzten Jahr hat sich die das Erbe des Bauhaus in Anspruch nehmende Institution auf die Knochen blamiert. Besser 2018 als 2019 mag man sich gesagt haben, dann haben wir das hinter uns und keiner ist mehr davon überrascht, dass wir eine Marke vertreten und keine Haltung. (1) Nur die Marke erkennt man eindeutig wieder. Über Haltung müsste man streiten. Und selbst sich gleichende Haltungen können sich in unterschiedliche Gewänder kleiden und lassen sich deswegen nicht als „Stil“ verkaufen. Das macht es schon etwas schwer, zu schwer für das, was man als „würdiges“ Jubiläum verkaufen will. Die Bauhaus-Haltung hat es ohnehin nie gegeben. So singulär und erratisch, wie es der Mythos im B-Jubiläum verklärt, war das Bauhaus nicht.
Was heute unter dem Bauhaus zusammengekehrt wird, hat eine viel breitere Basis. Der Werkbund, CIAM, de Stijl, die gläserne Kette, der Futurismus, Adolf Loos, Josef Frank, Frank Lloyd Wright, Hendrik Berlage … – das Bauhaus konnte nur Schmelztiegel sein (2), weil es etwas zu verschmelzen gab. Das war nun wahrlich keine kleine Leistung. Aber wer das ignoriert, grenzt aus, was für das Gelingen notwendig war. Es ist eben nicht alles irgendwie Bauhaus, was in den 1920ern Avantgarde war, und nicht alles, was Avantgarde war, war eckig, abstrakt, kubisch und (wenn es Architektur war) weiß; geschweige denn dass heute eine 2-Millionen-Kiste mit 300 Quadratmetern für eine reiche Kleinfamilie im „Bauhaus-Stil“ (beispielsweise als Hommage 272) das Erbe der Reformschule würdig verträte. Davon, was sich von der Bauhaus-Pädagogik in aktuellen Lehrplänen finden lässt, lassen wir lieber gleich ganz die Finger. Dass Gropius in Amerika unter Missachtung seines Nachfolgers und der modernen amerikanischen Architektur das Bauhaus als ein Produkt von weißen europäischen Männern mystifizierte (3), macht es in Zeiten der Diskussion um die Anerkennung globaler Kulturen nur umso problematischer, diesen Mythos weiterzustricken. Denn der bestätigt den hegemonialen Anspruch auf kulturelle Vorherrschaft der alten Welt in einem rückwärtsgewandten Gestus. Bei so mancher Publikation hat man das miese Gefühl, es würde ein eingetrocknetes Blümchen aus einem großen Garten in der Hoffnung begossen, es möge doch nochmal so einzigartig aufblühen wie in seinen besten Tagen. Und dabei vergisst man darauf zu schauen, was inzwischen so blüht. (4)
Wenn es doch nur schon vorbei wäre
Wir haben nun gerade mal Anfang Februar. Und man ist jetzt schon froh, wenn das B-Jubiläumsjahr vorbei ist. Der Bundespräsident, Herr Steinmeier, hat gesprochen. Es gibt Veranstaltungen unter dem Label Bauhaus, die den Zusammenhang so mühsam konstruieren, dass es weh tut. (5) Keine Publikation, kein Medium (uns eingeschlossen) hat das Bauhaus übergangen. Wie auch. Im medialen Overkill würde ein Schweigen je nach Perspektive nur als besonders bissiger oder besonders fantasieloser Kommentar gewertet worden. Wir sitzen in der Falle. Die Marke Bauhaus ist allgegenwärtig. Als „Nowhouse“ auf der Kölner Möbelmesse. Eine Terminankündigung nach der anderen zischt in die Mailbox. Bauhaus-Klamotten. Und das Schlimme dabei: Selbst der (sehr sympathische) Versuch, das Bauhaus symbolisch zu Grabe zu tragen, (6) nutzt und produziert die Aufmerksamkeit, gegen die er anzugehen vorgibt. Der Stadtteil, den Heilbronn im Rahmen der Bundesgartenschau errichtet, wird nun damit gequält, das Bauhaus-Erbe vertreten zu müssen. (7) Dabei fällt das unvermeidliche Stichwort des Gesamtkunstwerks, das wie kein zweites verdeutlicht, dass sich dann doch ein bisschen was geändert hat in den letzten einhundert Jahren. Aus einem emanzipatorischen Imperativ, Gestaltung als ein Mittel zur Freiheit einzusetzen, ist der Imperativ der Kreativität geworden, der überfordert und ausgrenzt, wer ihm nicht gewachsen ist. Das wusste schon Josef Frank, der im Gesamtkunstwerk das Diktat der Gestalter am Werk sah und sich um des Menschen willen nach Geschmacklosigkeiten sehnte. (8)
Zuviel der Ehre
Ein Kritiker solch geschmeidiger Vermarktungsverharmlosung gerät in den Verdacht, sich als Spielverderber zu inszenieren und sich auch noch des Mythos‘ zu bedienen, den er kritisiert. Kritisiert werden muss dennoch, allein schon um der Würde des Gefeierten willen. Als wertvoll werden sich die Auseinandersetzungen um dessen Aktualiät aber erst dann erweisen, wenn sie in den kommenden Jahren geführt werden und sich von dem emanzipieren, was sie ausgelöst hat. Wenn etwas wirkt, ohne durch das Bauhaus gerechtfertigt werden zu müssen.
In diesem Jahr müssen wir vorerst mit dem traurigen Umstand leben, dass Jubiläen den Jubilaren zuviel Ehre widerfahren lassen. So viel Ehre, dass man ihrer überdrüssig zu werden droht. Das haben sie in den seltensten Fällen verdient, und wenn sie es verdient haben, werden sie in den seltensten Fällen so gefeiert, dass man ihrer nicht überdrüssig würde. Die Falle hat schon lange zugeschnappt.
Ach ja. Beethoven würde nächstes Jahr 250, wäre er nicht zwischendurch gestorben. Hören Sie sich am besten noch in diesem Jahr ein wenig Beethoven an, gerne auch etwas Populäres, die 9. Sinfonie zum Beispiel, solange es noch Spaß macht. Es könnte sein, dass Sie am Ende des nächsten Jahres gerade so etwas Populäres wie die 9. Sinfonie nicht mehr hören können. Das hat sie nicht verdient. Es ist ein so großartiges Stück.
(1) Wolfgang Kil: Quo vadis, Bauhaus?
(2) „In den vierzehn Jahren seiner Existenz erwies sich das Bauhaus nicht nur als eine bdeutendes Kunst-, Design- und Architekturschule. Es wurde vielmehr zu einem Schmelztiegel der europäischen Moderne, der zahlreiche Reformideen der Epoche aufnahm und ihnen zu ihrer größtmöglichen Wirkung verhalf“. Wolfgang Pehnt: Bauhaus, in: Vittorio Magnano Lampugnani (Hg.): Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts, Hatje Verlaf, Stuttgart 1983, S. 25-28, hier S. 28
(3) Winfried Nerdinger: Das Bauhaus. Werkstatt der Moderne, Verlag C.H.Beck, München, 2018, S. 120 ff.
(4) Sätze wie diese sind einfach schwer zu ertragen: „Im heutigen Stadt- und Häuserbau kennt man sie nur zu gut: schwebende Glasfronten, Metall- und Stahlkonstruktionen, puristische weiße Flächen, die sich nur durch Farbe oder geometrische Form voneinander abheben. Minimalismus und Kunst – das ist Bauhaus, der Stil, der maßgeblich vom deutschen Architekten Walter Gropius in den 1920er-Jahren geprägt wurde – und seinen Weg bis nach Nordamerika und zurück nach Europa gefunden hat.“ Zu finden auf der Internetseite von „Das Haus“ >>>
(5) „Das Bauhaus hat in Nordrhein-Westfalen kaum Spuren hinterlassen. Trotzdem feiert man auch dort den hundertsten Geburtstag der Reformschule der Künste – mit Anbiederung und Geschichtsklitterungen.“ Andreas Rossmann: Geburtstag feiern mit László, Oskar, Mies und Anni“, FAZ, 19. Dezember 2018
(6) „Das Bauhaus – ein rettendes Requiem“ von Schorsch Kamerun. Uraufführung am 20. Juni 2019.
Weitere Information >>>
Am 29. Mai finden außerdem unter dem Titel Ciao Bauhaus! Vorträge und Diskussionen statt.
Weitere Information >>>
(7) 100 Jahre Bauhaus – Was ist von der Idee geblieben? in der Sendung: Titel, Thesen Temperamente, 13. Januar 2019, ARD >>>
(8) „Der nur von schönen Dingen umgebene Mensch macht den Eindruck der Äußerlichkeit. Ich sehne mich nach Geschmacklosigkeiten.“ Josef Frank: Vom neuen Stil. In: Kristina Hartmann (Hg.): trotzdem modern. Die wichtigsten Texte zur Architektur in Deutschland von 1919–1933, bauwelt Fundamente 99, Braunschweig/Wiesbaden, 1994, S. 166–173, hier: S. 170.
Siehe auch: Eva Kuß: Hermann Czech. Architekt in Wien, Park Books, Zürich, 2018, S. 35 f.