Holz ist derzeit ein Material, das besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Aber auch mit diesem Baustoff muss sorgfältig umgegangen werden, damit sein Potenzial genutzt wird und er tatsächlich nachhaltig eingesetzt wird. Zu diesem Potenzial gehören auch die atmosphärischen Wirkungen. Drei Beispiele aus Diemerstein, Berlin und der Oberpfalz zeigen, wie konstruktive, soziale und ästhetische Aspekte zusammenfinden können.
Werk- und Forschungshalle Diemerstein
Design-Build ist in der Lehre eine Methode, anhand eines konkreten Projekts Entwurf und Bau zu kombinieren, damit Studierende praktische Erfahrungen der Realisierung machen können; sie hat sich inzwischen etabliert und wird an an vielen Hochschulen angewendet. In diesem Fall liegt der Schwerpunkt auf dem Konstruieren mit Holz: Für die Forschung in Sachen Holz und Holzkonstruktion an der RPTU Kaiserslautern wurde in Diemerstein, im Pfälzer Wald, ein Grundstück für eine kleine Forschungs- und Werkhalle zur Verfügung gestellt – malerisch gelegen mit Blick auf eine Burgruine. Die Halle ist der erste Baustein einer kleinen Campusbebauung, ihr sollen weiter Demonstrations- und Versuchsbauten der Holzbauforschung folgen. Mit der Halle sollte gezeigt werden, wie sich Konstruktionen mit neuen Techniken weiterentwickeln und dabei die Regeln der Kreislaufwirtschaft berücksichtigen können.
Das in mehreren Seminaren mit Studierenden entwickelte Projekt der etwa 350 Quadratmeter großen Halle ist mit einem Tragwerk aus 12,50 Meter überspannenden Dreigelenksrahmen ausgestattet, es ist so aus Bauelementen und Details konzipiert, dass es vollständig reversibel, also zerstörungsfrei wieder auseinandergebaut und in all seinen Komponenten wiederverwendet werden könnte. Dabei kommt es vor allem darauf an, wie die Bauteile und Materialien miteinander verbunden sind, aber auch, welches Material verwendet wird. So wurde auf eine Bodenplatte aus Beton verzichtet, statt dessen bildet eine auf Mikropfählen gelagerte Trägerlage aus Stahl das Fundament, auf der Platten aus Fichtensperrholz (BSP) in 30 Zentimeter Abstand zur bekiesten Erdschicht aufgelegt wurden. Auch Wand- und Dachplatten sind aus aussteifenden BSP-Elementen, ergänzt um Dämmung, Lattung, sägerrauher Douglasie für die Außenwände und Blechelemente für das Dach. Kegelförmig gefräste Konusadapter verbinden die flächigen Elemente mit den Rahmen der Tragkonstruktion.
Besondere Sorgfalt wurde hier den Knotendetails der Konstruktion aus in Druck- und Zugstäbe aufgelösten Gelenkrahmen gewidmet, die in einem Abstand von 2,5 Meter aufgerichtet wurden. Die Knoten bestehen aus Kunstharzpressholz, ihre Form wurde in einem parametrischen Prozess entwickelt und orientiert sich an den natürlichen Vorbildern von Astgabeln, um dem Kraftfluss konsequent zu folgen. Mittels in die Baubuchenstäbe eingeführten Gewindestäben, die mit Rechteckbolzen verankert sind, und Schrauben in den freien Mittelbereichen der Knoten können die Bauteile fest miteinander verbunden werden. Im iterativen Prozess des Parametrisierens konnten die Geometrie der Knoten statisch optimiert werden; die dunkle Färbung der Knoten hebt sie hervor und sorgt für eine belebende Strukturierung der ganz vom Holz geprägten Raumatmosphäre.
Die zu beiden Stirnseiten um ein Rasterfeld eingerückte Fassade mit transluzenten Polycarbonatplatten sorgt für geschützte Vorbereiche, der stützenfreie Raum ist flexibel für die Lehre, für Seminare, Workshops, Vorträge, Tagungen nutzbar, eine eingestellte Holzbox nimmt eine Toilette, Teeküche, Garderobe und einen Abstellraum auf. Dass die ganze Konstruktion tatsächlich den Anspruch an Keislauffähigkeit einlöst, wurde bereits nachgewiesen. Ein Segment mit zwei Rahmen wurde bereits am Standort der Firma aufgebaut, in der die Konstruktionselemente produziert wurden.
Ortseinfahrt Diemerstein, 67468 Frankenstein
Bauherr Stiftung für die RPTU, vertreten durch Dr. Annette Mechel
Architektur: t-lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe
RPTU Kaiserslautern – Landau
Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten
Stephan Birk, Marcel Balsen
Tragwerksplanung
: t-lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe
RPTU Kaiserslautern – Landau
Jürgen Graf, Viktor Poteschkin
Holzbau
: Studierende und Forschende der RPTU Kaiserslautern – Landau
unter Anleitung von Oliver Betha, Zimmerermeister
Abbund: CL-Tech GmbH & Co KG; Dehonit – Schmeing GmbH & Co. KG
Fertigstellung: 2023
Fotografie: Andreas Labes
Kieztreff Café Leo in Berlin
There is no glory in prevention, so ein gängiges Sprichwort. Zum Glück scheint vielen „Glory“ weniger wichtig zu sein als ein friedliches Zusammenleben. Eine dieser vielen ist die gemeinnützige Gesellschaft „Wendepunkt“, die sich als gemeinnütziger sozialer Träger im Bereich der Integration und beruflichen Qualifikation engagiert und sich mit soziokulturellen Angeboten für ein besseres Miteinander und Verstehen einsetzt. Diese Gesellschaft hatte sich auf eine Ausschreibung beworben, die auf eine Initiative des Bezirks Berlin-Mitte zurückgeht. Das Ziel dieser Initiative war es, eine Antwort auf die Zunahme von Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum und Gewalt auf dem Leopoldplatz in Berlin-Wedding zu Ende der Nuller-Jahre zu finden. Einige Jahre hatte es ein via Ausnahmeregelung mögliches gastronomisches Angebots gegeben. 2020 wurde der gastronomische Betrieb wieder ausgeschrieben. Wendepunkt bekam 2021 den Zuschlag mit dem Vorschlag, der über den Bau und Betrieb eines Cafes hinausging und darin bestand, einige seiner soziokulturellen Projekte – mehrsprachiger Unterstützung bei Behördenanträgen, Geschicklichkeisttraining, Nähcafé, Musikworkshops – mit auf den Platz zu bringen. Das Café dient in diesem Konzept als Treffpunkt und Katalysator für eine andere Atmosphäre, in der sich Menschen wohlfühlen können.
Spätestens seit Janes Jacobs dürfte die Bedeutung der Eyes on the Street für ein städtisches Umfeld, in dem man sich sicher fühlen kann, bekannt sein. Ein Haus, von dem aus die Augen auf Straße und Platz wandern können, unterbindet inakzeptables Verhalten. Das Café Leo, das von dem jungen Büro Sophie und Hans entworfen wurde, spinnt den Gedanken von Jane Jacobs in dem Sinne weiter, als die Richtung von Eyes on the Street – oder in diesem Fall on the Square – durch die allseitige Verglasung des kleinen, hellen, 40 Quadratmeter großen Holzbaus umkehrt: Es ist sichtbar, was in diesem kleinen Haus geschieht, die soziale Kontrolle ist keine Einbahnstraße. Das Café Leo ist dann auch weniger ein Haus als vielmehr ein Kiosk, ein Pavillon, einem Marktstand gleich, ein überdachter Raum im Kontinuum des Platzes. Mit Verkaufsfläche, einem Personal-WC, einem Computerarbeitsplatz für den Antragsservice, Aufenthaltsbereiche im Innern, die sich aber vor allem auch auf die den Pavillon umgebenden Außenflächen ausdehnen. Der Dachüberstand ist entsprechend großzügig gewählt, das Pflaster des Außenraums setzt sich wiederum im Innern fort.
Dem leichten Charakter gemäß ist die Lärchenholz-Konstruktion keine, die Dauerhaftigkeit suggeriert; tatsächlich ist das Café Leo für eine Nutzungszeit von maximal zehn Jahren konzipiert. Die Oberflächen wurden in einem hellen Altrosa lasiert, damit sie mit dem Backstein der benachbarten Schinkel-Kirche harmonieren. Ein wenig gealtert werden die Holzoberflächen das Café wohl noch besser in die Umgebung integrieren. Die geschlossenen Flächen dienen der Aussteifung, die Konstruktion ist feingliedrig, zum Schutz vor Feuchtigkeit ist sie auf Stahlfüße gesetzt. Verglasungen, Türen und Klappen sind mit einem Falz direkt in die Stützprofile eingesetzt, wobei ein ausgefräster Versatz als Anschlag für die Klappläden dient, mit denen man nachts die Fensterflächen schützt. Eine Kassettentragwerk als Dach nimmt das Raster der Stützen auf. Ein insgesamt sehr feiner, angenehm proportionierter und unaufdringlicher, heiterer Bau, der der Auftraggeberin und Betreiberin entspricht.
Ort: Leopoldplatz Berlin-Mitte
Bauherrin: WendePunkt gGmbH, Gottschedstraße 4 13357 Berlin
Karin Al-Shraydeh, Joachim Hampel
Architektur: sophie & hans, Berlin, Sophia Tang, Hans-Christian Buhl
Tragwerksplanung: ZRS Ingenieure GmbH, Berlin
Baugrundgutachten: Beguma, Berlin
Holzbau: SchneiderworX, Berlin
Baumeister: NSB Bau GmbH, Berlin
Elektroinstallationen: AF Cable, Bergfelde
Sanitärinstallationen: M&S Wärmetechnik UG (haftungsbeschränkt), Hohen Neuendorf
Grundfläche: 40 qm
Fertigstellung: 2023
Fotos: Bryn Donkersloot
Lernhaus im Freilichtmuseum Oberpfalz
Das Lernhaus im Freilichtmuseum Oberpfalz ist einerseits ein Novum. Normalerweise werden neue Gebäude in Freilichtmuseen an deren Rand errichtet. Die Museen sind in der Regel Konglomerate aus typischen Bauweisen und Häusern, die an anderer Stelle standen, dort ab- und im Museum wieder aufgebaut wurden. Sie komprimieren Raum und Zeit; unterschiedliche Epochen und Zeugnisse aus verstreuten Orten werden hier zusammengeführt. Der Illusion der Einheit, die damit erzeugt wird, ist hier gezielt entgegengearbeitet worden. Einerseits. Andererseits macht dieses Lernhaus in gewisser Weise genau das, was in einem Freilandmuseum immer passiert: Es konstruiert einen Ort, um ein Wissen zu vermitteln, das sonst kaum zu vermitteln wäre. Wie die anderen Gebäude steht es hier, weil vor etwa 40 Jahren die Entscheidung getroffen wurde, hier ein Museum zu errichten, in dem zu sehen ist, wie früher gebaut, gelebt, gewirtschaftet wurde.
Das Lernhaus, ein Seminarhaus mit zwei Seminarräumen und zwei Schlafräumen, ist ein Projekt, das als Forschungsarbeit am Fachgebiet Tektonik im Holzbau an der RPTU Kaiserslautern-Landau unter der Leitung von Max Otto Zitzelsberger entstand. Auch hier haben Studierende – sowie Schüler:innen der örtlichen Berufsschule – Erfahrungen im Bauen gesammelt. In der Forschung werden regionale Methoden und regionalistische Theorien untersucht, die Nachhaltigkeit und Begründungsmuster zueinander in Bezug setzten. Die kritische Reflektion der mitunter verklärenden Sicht auf das regionale Bauen kommt im konkreten Projekt zum Ausdruck. Das Haus schreibt das Vorhandene fort, ersetzt einen abgebrannten Flügel eines Vierseithofs so, dass die räumliche Figur erhalten bleibt, aber nicht exakt rekonstruiert wird. Der Vorgängerbau war massiv aus Stein und Ziegel, der Neubau wurde als aufgeständerter Holzständerbau errichtet. Es werden Prozesse im Sinne der Umweltbildung, die hier im Mittelpunkt stehen, aufgegriffen. Das Holz stammt direkt aus dem Wald, der zum Museum gehört. Wegen seiner hohen Qualität konnte es sparsamer als sonst üblich eingesetzt werden, die Querschnitte der tragenden Kanthölzer konnte unter den üblichen Maßen liegen. Sparsamkeit im Materialeinsatz ist eine Nachhaltigkeitsstrategie. Dazu bedarf es handwerklichen Könnens und handwerklicher Sorgfalt, die hier sichtbar wird. Regionale Strategien sind aber auch pragmatisch. Verfügbares, leicht zugängliches Material wird verwendet und wiederverwendet. Die Holzkonstruktion wird mit industriell hergestellter Plattenware beplankt. Das Trapezblech des Dachs nimmt die Praxis eines sich verändernden Bauens von Wirtschaftsgebäuden in ländlichen Regionen auf. Zum Pragmatismus gehört auch, zu bauen, wenn es nötig ist. Häuser haben sich verändert, erweitert, im Lauf der Zeit ihr Aussehen verändert. Das Ergebnis ist nicht endgültig. Die zwei Annexe des Lernhauses interpretieren diese Praxis, ohne sie zu imitieren.
Der Illusion, die ein Freilandmuseum erzeugt – dass es in der Vergangenheit einen endgültigen Zustand der Häuser und Ortschaften gegeben habe – wird das Bild des stetig sich erweiternden und zu ergänzenden Hauses entgegengesetzt. Das Haus ist unfertig, soll erst nach und nach weitergebaut werden. In der Zwischenzeit erforscht und erkundet man seine Potenziale. Die Treppe haben Schüler:innen einer Berufsschule geplant und gebaut; das Haus wurde so konzipiert, dass sie dafür viel Freiheit hatten. Die Wetterseite ist vorerst nur temporär vor Regen und Wind geschützt; Klimavorhänge erlauben es, dass Seminare schon jetzt stattfinden können. Viel von dem, was ländliches und regionales Bauen nachhaltig gemacht hat, wird so erlebbar. Einerseits. Die Distanz zur Vergangenheit, die sich in der formalen Eigenheit ausdrückt, soll andererseits vor Idyllisierung schützen. Im Wald der Region wurde sehr lange Raubbau betrieben. Erst die Forstwirtschaft des Industriezeitalters hatte dem ein Ende gesetzt.