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Holz gehört in die Stadt


Holz als Material für Architektur und Konstruktion war in der Stadt immer schon normal. Nur die früher wenig verbreitete Neigung, Holz demonstrativ vorzuzeigen, lässt das Holz all der Dachstühle, Decken, Wände so wenig in Erscheinung treten. Da ohnehin angesichts drängender Umweltfragen viel für das Baumaterial Holz spricht, ist es naheliegend, an die Tradition und damit an die früher geübte Pragmatik anzuknüpfen: Holz dort einzusetzen, wo es sinnvoll ist und dort auf andere Materialien zurückzugreifen, wo es an seine Grenzen kommt. Besonders für das Weiterbauen im Bestand trägt ein solcher Ansatz weit. Zwei Bauten aus Berlin und München lassen sich hierfür als exzellente Beispiele anführen.

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Die Traufhöhe aufgenommen, das Untergeschoss freigelegt, nach Süden geöffnet: neue Arbeitsplätze mitten in Berlin. (Bild: Simon Menges)

Remise im Innenhof

Das ist wohl schon wirklich das alte Berlin: Hier, im Prenzlauer Berg sind noch 80 Prozent der Bebauung aus den Jahren 1890 bis 1905, in der dichten Struktur der Blöcke, die auch im Inneren die Flächen konsequent ausnutzt: Vorderhaus, Hinterhaus, Remise. Wohnen und Arbeiten gemischt auf engstem Raum; die Remise war dabei dem Arbeiten vorbehalten. Die dichte Struktur blieb bestehen und wird nun zum größten Teil zum Wohnen genutzt, denn die alte Mischung war mit Geräusch verbunden, wie es gemäß Wilhelm Busch eben leider nicht nur für die Musik gilt. Und mit Gestank. Gearbeitet werden kann heute hier nur, wenn es  still und sauber ist – und wenn keine großen Flächen gebraucht werden. Büros gehen also. Kleine, für Selbständige, Kreative, Planerinnen und Planer. Aber auch für die muss man die Flächen erst finden. Diese hier ist auch erst in den 1990ern frei geworden: Damals wurde die alte Remise im Blockinnern abgerissen. Die Besitzer des Vorderhauses haben sie nun wieder bebauen lassen.

Hybridkonstruktion mit vielen Vorteilen

Der Entwurf stammt von Jan Wiese Architekten und Ralf Wilkening. Vier Geschosse zuzüglich zurückgesetzter Dachterrasse haben sie hier untergebracht, geschossweise ist eine flexibel einteilbare Gewerbeeinheit angelegt worden. Das Untergeschoss mit einem abgestuften Vorbereich erhält noch ausreichend Licht, so dass hier eine Gemeinschaftsküche und Besprechungszimmer für die Mieter der oberen Etagen untergebracht werden konnten.
Zu zwei Seiten schließt der Neubau an den Bestand an, nach Westen blieb nur eine kleine Fuge, geöffnet haben die Architekten deswegen den Bau ausschließlich zur Südseite – das aber richtig. Große, geschosshohe Verglasungen sorgen für viel Licht; jedes zweite Fensterfeld erhielt ein Schiebeelement. Der Innenausbau wurde schlicht, reduziert und elegant gehalten. Glas, Holzmöbel und -einbauten, das weiße Geländer vor den Fenstern – und dann eben das Holz und der Beton der unverkleideten Tragkonstruktion.

Diese Hybridkonstruktion wurde gewählt, weil sie sich in der Summe aller relevanten Einzelaspekte – Bauzeit, Lebensdauer, Energiebilanz – als die günstigste erwiesen hatte. Die Wände sind als tragende Elemente in Sichtbeton vor Ort gegossen worden, in freigehaltene Aussparungen wurden die vorgefertigten Deckenträger aus Kiefernholz eingelegt, auf die zuerst eine Holzplatte gelegt und dann eine Betonschicht aufgetragen wurde – der Fußboden des darüberliegenden Geschosses. Die Fassade wurde mit Lärchenholz bekleidet. Und diese Fassade prägt den Neubau zum Hof hin und gibt ihm bei aller Strenge des Rasters eine wohltuende Freundlichkeit. Das gilt genauso für das Innere: Der Wechsel aus Sichtbeton und den Holzflächen der Decken, Balken und der Fassade sorgen für die Balance aus Wärme und rohem Loftambiente, die die Klientel, die als Mieterschaft infrage kommt, schätzen dürfte. Nicht noch in weitere Oberflächenschichten zu investieren, spart natürlich auch Kosten. Wenn sich das in der Miete niederschlägt, dürften die Nutzerinnen und Nutzer dieses schönen neuen Inlays auch nichts dagegen haben.

 


Ort: Immanuelkirchstraße 26, Berlin-Prenzlauer Berg
Bauherrschaft: Suwelack SHC GmbH, Billerbeck
Architektur: Jan Wiese Architekten mit Ralf Wilkening Architekt
Projektleitung:  Lukas Beer
Projektteam: Alisa Joseph, Pedro Hamon, Hannah Knittel, Luisa Schäfer, Annett Schneider, Christoph Seibt, Aaron Schedler, Jean-Baptiste Bernard, Matic Cerin
Tragwerksplanung: fd-ingenieure, Berlin
TGA: Ingenieurbüro Dr. Specht, Berlin
Holzbau: Kai Vater Zimmerei und Holzbau GmbH & Co. KG, Lutherstadt Wittenberg
BGF: 655 qm
Baukosten (KG 300 und 400): 1.500.000 €
Fertigstellung: 2020
Fotograf: Simon Menges

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Das Bestandsgebäude von 1987 wurde mit einer Holzkonstruktion um zweieinhalb Geschosse aufgestockt. (Bild: Brigida González)

Aufstockung in der Maxvorstadt

Man baut Häuser selten so, dass sie irgendwann auch mal ordentlich aufgestockt werden können. Obwohl es manchmal gar nicht so lange dauert, bis diese Art der Nachverdichtung ansteht. Wie in diesem Fall, in dem es um ein Haus aus den späten 1980ern geht. Die Bauherrschaft wollte den eigenen Wohnraum erweitern. Dabei sollte nicht nur mehr Fläche gewonnen werden, auch eine andere Qualität wollte man sich gönnen: offen und großzügig, mehr noch, ausdrucksstark sollten die neuen Räume sein. Etwas Besonderes eben. Innen und Außen sollten mit einander verwoben werden. Nur zur Öffentlichkeit hin sollte es nicht groß auffallen. Und dann galt es noch, Flexibilität zu planen: Drei Wohnungen sollten mit überschaubaren Interventionen in vier oder fünf Wohnungen umgebaut werden können – damit man reagieren kann, wenn sich die Familie verkleinert, die Bedürfnisse andere werden. Pool Leber Architekten sollten diese Wünsche erfüllen.

Nicht nur, weil es praktisch ist

Da die Fundamente wenig Reserven boten, war schon früh entschieden, dass es eine Holzmassivkonstruktion würde sein müssen, da so das Gewicht der Aufstockung niedrig gehalten werden konnte. Das Terrassengeschoss musste zudem abgerissen werden, weil erst dann die neuen zweieinhalb Geschosse auf dem 3. Obergeschoss aufgesetzt werden konnten. Um das Material der Konstruktion auch im 5. und 6. Obergeschoss erlebbar zu machen, wurden Decken und Wände im 4. Obergeschoss eingekapselt; zudem wurden sie schallschutztechnisch von den Geschossen darüber entkoppelt. Die Fassaden- und Dachflächen wurden mit mattem Edelstahl bekleidet, als Dämmung Mineralwolle gewählt, insgesamt auf gute Rückbaubarkeit und niedrige Herstellungsenergie geachtet. Die Nordseiten den Schlaf- und Sanitärräume, die Südseiten den Wohnbereichen vorzubehalten ist auch energetisch sinnvoll, können doch die Räume, die man am längsten beheizt, von der Energie der Sonne profitieren.

Doch es waren ja auch ausdrucksstarke Räume gewünscht. Zur Straße, nach Norden hin, ist die Aufstockung zurückhaltend gestaltet, werden die Räume über Dachflächenfenster belichtet. Nach Süden, zum Hof hin aber zeigt sich, wie die Architekten die Wünsche der Bauherrschaft umgesetzt haben: Mit einer bewegten, topografisch verstandenen Raumabfolge, die Innen und Außen miteinander verschränkt, die Durchblicke und Querbezüge schafft und die Gebäudetiefe erlebbar macht. Daraus entwickelte sich eine lebendige Außenansicht mit Vor- und Rücksprüngen, in der Breite variierenden Sturz- und Brüstungsbändern, freien und überdachten Außenbereichen. Wahrlich ausdrucksstark.

Die Innenräume werden vom Holz dominiert, auf dessen atmophärische Wirkung das Materialkonzept zugeschnitten ist. Der Eichenboden ist weiß geölt, der Galerieeinbau mit abgetöntem Weiß gestrichen, abgestimmt auf das weiß lasierte Birkenholzfurnier der Regalwand, der Kücheneinbauwand und den raumhohen Schiebeelementen, mit denen sich die Küche von Wohnraum und Diele abtrennen lässt. Auch andere Materialien wurden weitgehend ohne Anstriche verwendet: Der Beton der Giebelwand, der schwarze Edelstahl für Geländer, der Jura, mit dem die Ablagefläche der Küche belegt wurde, die sich als Sitzbank und schließlich Sideboard ins Wohnzimmer fortsetzt. Eine Galerie sorgt dafür, dass der Dachraum über die Länge des Gebäudes genutzt werden kann. Kein Wunder, dass diese Aufstockung schon nach knapp dreißig Jahren gewünscht war.


Ort: Maxvorstadt, München
Bauherrschaft: Privat
Architektur und Innenausbau: POOL LEBER ARCH, München, Isabella Leber, Martin Pool
Mitarbeit: Valéria Polakovicová, Johannes Sailer, Joanna Tomaszewska
Tragwerksplanung: Lieb Obermüller, München
Brandschutz: Fire und Timber, München
Bauphysik: Hansen Ingenieure, Wuppertal
HLS: Haas und Holler, München
ELT: Zausinger GmbH, München
Holzbau: Zimmerei Frank, München
BGF gesamt: 2.169 qm
Wohnfläche Aufstockung: 568 qm
Fotografie: Brigida González