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Bild: Wikimedia Commons, CC BY 3.0, Dontworry >>>
Stilkritik (73) | Die Städtischen Bühnen von ABB Architekten in Frankfurt am Main müssen von Grund auf saniert werden. Eine Bürgerstiftung macht sich für ein neues, privatwirtschaftlich finanziertes Opernhaus stark. Einer „Kultur für alle“, für die sich Hilmar Hoffmann in Frankfurt eingesetzt hatte, entspricht dieser Vorschlag allerdings nicht.

Hilmar Hoffmann, der vor einem Jahr gestorben ist, förderte von 1970 bis 1990 als Kulturstadtrat von Frankfurt am Main freie Kulturgruppen, etablierte ein kommunales Kino, setzte sich für Stadtteilbibliotheken und offene kulturelle Zentren ein. Das Museumsufer, der öffentliche Raum der Kultur, war ihm ein besonderes Anliegen, weil sich darin ein demokratisches Grundverständnis äußerte: „Kultur für alle“.

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Die Städtischen Bühnen 2014. Bild: Wikimedia Commons, CC BY 3.0, Epizentrum >>>

„Kultur für alle“ – angesichts der aktuellen Diskussion um die Städtischen Bühnen muss man allerdings wieder daran erinnern, dass Kultur eine öffentliche Angelegenheit ist. Das Haus am Willy-Brandt-Platz, eine Doppelanlage für Oper und Schauspiel, die 1958 bis 1963 nach Plänen der renommierten Frankfurter ABB Architekten errichtet wurde, muss saniert werden. Brandschutz, neue technische Anforderungen, eine in Teilen überalterte Substanz, spätere Um- und Ergänzungsbauten – kurzum, eine große Aufgabe. Noch ist die Art der Sanierung nicht abschließend geklärt, die Kosten dafür noch nicht exakt beziffert. Sicher ist, dass es sich um einen höheren dreistelligen Millionenbetrag handeln wird, je nach Quelle werden 400 bis 900 Millionen genannt. Nun wurden und werden Alternativen zur Sanierung in den Raum gestellt. Sie reichen von Abriss und Neubau am aktuellen Standort über die Errichtung eines Neubaus für Oper und Schauspiel an einem anderen Standort bis hin zur Trennung der beiden Häuser. (Eine Übersicht über den aktuellen Stand der Planungen ist hier >>> zu finden)

Gegenmodell zur Sensation

Inzwischen hat sich hat sich eine Bürgerstiftung  gegründet, die eine Finanzierung von 50 Millionen Euro in Aussicht stellt und sich für einen Neubau der Oper am jetzigen Platz oder Osthafen ausspricht, dessen Kosten sie auf 240 Millionen Euro schätzt. Und an die Bedingung knüpft, dass sie privatwirtschaftlich finanziert werden müsse. Dem zugrunde liegt ein (recht biederer) Entwurf, erarbeitet vom Büro von Martin Wentz, einem der Stiftungsmitglieder und ehemaliger Frankfurter Planungsdezernent. Befürworter eines Neubaus verweisen auf die Elbphilharmonie in Hamburg, die Oper in Sydney oder das MOCAA in Kapstadt. Michael Guntersdorf, der Leiter der Stabsstelle Städtische Bühnen, hat allerdings bereits deutlich gemacht, dass ein privat finanziertes Projekt nicht zur Diskussion steht.

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Hinter der großflächigen Verglasung liegt das Foyer mit der legendären Panorama Bar. Bild: Wikimedia Commons, CC BY 3.0, >>>

Im Sinne Hoffmanns sollte es aber nicht nur um das Finanzierungsmodell und um einen möglichen Neubau gehen. Man sollte darüber reden, welches Kulturverständnis man der Zukunft der Städtischen Bühnen zugrunde legt. Was der Diskussion fehlt, ist ein Gegenmodell zu dem der Kultur der Sensationen.

Frankfurt hat Star und Signature Architektur en masse: die EZB von Coop Himmelb(l)au, den gerade fertiggestellten Omniturm von Bjarke Ingels; bald wird UN Studio im Herzen der Stadt das Four, ein spektakuläres Hochhausensemble, bauen. Insgesamt rund 20 neue Hochhäuser werden die Skyline bereichern. An der Rückseite der Städtischen Bühnen entsteht die Erweiterung des Jüdischen Museums von Volker Staab. Die Neue Altstadt ist ein Magnet nicht nur für Touristen – auch die Frankfurter nehmen sie gut an. Nicht zuletzt sollte man dem Neuen Frankfurt als kultur- und architekturhistorisches Erbe der Moderne ruhig mehr Aufmerksamkeit schenken, auch wenn man so langsam merkt, dass hier ein Schatz zu lange vernachlässigt würde.

Oper und Schauspiel für alle

Was Frankfurt also nicht braucht, ist ein weiteres Gebäude, das Aufmerksamkeit erzeugt. Ein Signature Building als Oper, finanziert durch Public Private Partnership, das ist ein Denken der 1990er Jahre. Ein Neuaufguss alter Rezepte im Stile des Bilbao-Effekts, der mit Originalität und Kreativität nichts zu tun hat und der Anspruch, Kultur als ein Gut für alle zu verstehen, aufgibt. Das Resultat können wir in Kopenhagen sehen: Die Oper von Henning Larsen, finanziert vom Logistik-Millionär Maersk, ist ein ungeliebtes Kind – und ein Haus hauptsächlich für die Bessergestellten. Und auch in Hamburg muss man sich fragen, ob die Elphie wirklich funktioniert – nicht nur wegen der Akustik-Probleme, sondern auch, weil die Gäste, die lange auf die teuren Tickets warten mussten, schon in der Pause die Konzerte verlassen – man habe ja die Elphie nun gesehen.

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Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen hat von November 2018 bis März 2019 mit einem Open Space experimentiert. Wegen des großen Erfolgs wird er 2020 erneut eingerichtet. Bild: Christian Holl

„Kultur für alle“ hingegen nicht als eine der spektakulären Hülle, sondern des Inhalts zu verstehen – das bestehende Haus könnte diesem Anspruch kaum besser gerecht werden. Sein großflächig verglastes Foyer – von den Frankfurtern liebevoll „Aquarium“ genannt –, lässt Sichtbeziehungen von außen nach innen und umgekehrt zu und zeigt damit, dass es ein Haus der ganzen Stadt ist. Und das funktioniert: Beide Häuser – die Oper als auch das Schauspiel – haben rekordverdächtige Auslastungsquoten und sind in Frankfurt äußerst beliebt. Es wird nicht nur von einigen wenigen genutzt, sondern von Frankfurter Bürgern aller Schichten. Die Städtischen Bühnen sind deutschlandweit vorbildlich: Die Oper wurde in den letzten Jahren mehrfach „Opernhaus des Jahres“. Obendrein sind die Veranstaltungen und Parties, die im Foyer und der Panorama Bar unabhängig vom Spielbetrieb immer wieder stattfinden, legendär – und bilden ein Frankfurt jenseits der Hochglanzfassaden ab.

Nachhaltiges Signal


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Für Frankfurt ein wichtiger Ort: die Panorama Bar. Bild: Wikimedia Commons, CC BY 3.0, Epizentrum >>>

Was Frankfurt braucht, ist eine radikales Bekenntnis zur Hoffmannschen „Kultur für alle“: ein niedrigschwelliger Kulturzugang, sichtbar gemacht durch eine Architektur, die das Offene betont. Oper und Schauspiel als Open Space, der Angebote auch für die macht, die sonst wenig Zugang zu Kultur finden. Das bestehende Haus weiter zu nutzen, wäre auch ein wichtiges Signal im Zeichen von Ökologie und Nachhaltigkeit – um die graue Energie zu erhalten, die im Gebäude gespeichert ist. Architektur muss weg von dem Hype um immer neue öffentliche Bauten – hin zur Bestandsaufarbeitung! Wünschenswert wäre außerdem ein Bündnis, das sich für das Versprechen auf Chancengleichheit in der Kultur einsetzt. Frankfurt als „Green City“ und Kulturstadt für alle Bürger könnte mit den Städtischen Bühnen ein leuchtendes Beispiel setzen.