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Mit Sondervermögen und üblen Tricks, die beispielsweise CO2Einsparziele nicht jedem Ministerium abfordern, sondern hin und her schieben, damit sich bloß ja keine Zielverfehlungen ergeben, zeigt die Bundesregierung, für wie blöd sie das Wahlvolk hält. Erfahrungen im Alltag zeigen, dass es mit der Verkehrswende nichts werden kann, wenn der ÖPV – nah und fern – nicht massiv ausgebaut wird. So manifestiert es ein ganz normaler Reisebericht aus Schleswig-Holstein.

oben: Es gab sie tatsächlich: die Linienbusfahrt auf dem nordfriesischen Festland. (Foto: Wilfried Dechau)

Lesehinweis: Der Beitrag war ursprünglich als Bericht über eine Reisevorbereitung mit öffentlichen Verkehrsmitteln geplant. Doch der Reiseverlauf liefert Erkenntnisse, die nicht verschwiegen werden dürfen.

So lesen Sie linksbündig die Reisevorbereitung, rechtsbündig – kursiv und blau – die Erfahrungen an Ort und Stelle. Wunsch und Realität klafften weit auseinander.


Alter Christian-Albrechts-Koog, Friedenshof«, einer der 56 Haltepunkte des Netzes NIB 1 Rufbus Niebüll. Auch hier, im Niemandsland zwischen Dagebüll, Niebüll, Klanxbüll und Galmsbüll, wird man mitgenommen – wenn man seinen Fahrtwunsch spätestens 90 Minuten vorher angemeldet hat. (Bild: Wilfried Dechau)

Alter Christian-Albrechts-Koog, Friedenshof«, einer der 56 Haltepunkte des Netzes NIB 1 Rufbus Niebüll. Auch hier, im Niemandsland zwischen Dagebüll, Niebüll, Klanxbüll und Galmsbüll, wird man mitgenommen – wenn man seinen Fahrtwunsch spätestens 90 Minuten vor einer vom Anbieter festgelegten Abfahrtzeit angemeldet hat. (Bild: Wilfried Dechau)


Um es vorweg zu nehmen …

Die Verkehrswende gelingt nur, wenn ländliche Teile der Republik ohne den Besitz eines Automobils wenigstens halbwegs bequem an das öffentliche, deutsche Verkehrsnetz angeschlossen sind. Wie weit die realen Verhältnisse von diesen klaren, unabdingbaren Vorstellungen entfernt sind, zeigt als Feldstudie nur die konkrete Erfahrung. Oder sollten wir sagen: der Abenteuerbericht? Die Leidensbotschaft?

Im Folgenden wird anhand von 14 Tagen zu spätsommerlicher „Saison“ im Feriengebiet an der Nordseeküste Nordfrieslands erkennbar, dass die Republik noch weit, sehr weit von einer „Verkehrswende“ entfernt ist.


Der Urlaub wird vorbereitet

Im Urlaub sollte es wieder an die Nordsee gehen. Zwischen Niebüll und Dagebüll findet sich »achtern Diek« ein kleines, geeignetes Ferienhaus, von dem aus man die nordfriesischen Inseln gut erreichen könnte. Aber wie kommt man dort als Bahnfahrer hin? Bis Niebüll ist’s leicht.
Nachfrage beim Gastgeber: »Wir sind Bahn-Reisende. Wir kommen nicht mit dem Auto. Gibt es eine Busverbindung? Oder könnten wir vom Bahnhof Niebüll abgeholt werden? Im Prinzip ginge das ja auch mit Taxen. Aber vor zwei Jahren hatten wir, um von Klanxbüll nach Rodenäs zu kommen, ganz üble Erfahrungen mit Taxen. Die gingen noch nicht einmal ans Telefon, wenn man dort anrief. Laut ‚Next DB Navigator‘ gibt es nach Galmsbüll wohl keine Busverbindung. Wie geht es dann? Sind die Taxen in Niebüll verläßlicher?«
Die Antwort des Vermieters: »Moin Moin, mir wird der Bus 1001 angezeigt. Dieser benötigt 15 Minuten nach Galmsbüll. Alternativ können Sie sich unter folgender Nummer ein Taxi bestellen: xxx-xxx-xxxx.«

Das klang erstmal beruhigend. Also wurde das Haus gebucht. Bei näherem Hinsehen erweist sich die Auskunft zum Bus 1001 leider nur als halbe Wahrheit. Der Bus fährt erstens als Bus 101, zweitens nur montags bis freitags. Und ausgerechnet am Samstag, wenn überall die Ferienhäuser verlassen oder frisch bezogen werden, fährt er gar nicht.


Das Geschehen nimmt seinen Lauf


Interaktive Karte auf www.nas.ha.de

Interaktive Karte auf www.nah.sh.de

Die Suche im Internet nach ÖPNV Schleswig-Holstein findet sich der interaktive Liniennetzplan für Bahn und Bus unter NAH.SH.de. Ich gab den Zielpunkt „Galmsbüll“ ein und bekam das Ergebnis: »Im Radius von 500 m wurde nichts gefunden.«

Als gewiefter Rufbus-Nutzer weiß ich jetzt: Es funktioniert, auch wenn diese erste Information im Internet nicht vielversprechend klang.

 

Auf der Website www.nordfriesland.de stieß ich bei ÖPNV auf das Stichwort Rufbus. Da hieß es: »Mit Rufbus und Lüttbus durch Nordfriesland. Überall mobil an 365 Tagen im Jahr«.

Dies war vor Ort der entscheidende, heiße Tipp.

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Rufbus Bereich Nord auf der Website nordfriesland.de

Rufbus – Nördliches und südliches Nordfriesland hatte ich angeklickt und landete auf der Seite »Rufbus«. »Bereich Nord« angeklickt.

Da gibt es die Linien KSX1, LAD1 … bis NIB3. Bei NIB1 Niebüll-Klanxbüll wurde ich fündig: Galmsbüll. Na also. Hier fand und findet sich ein Fahrplan und ein Plan der Haltestellen.

Rufbus NIB 1, Fahrpläne

Rufbus NIB 1, Fahrpläne

Die Lage vor Ort

Hier entdeckte ich, dass die dem Ferienhaus nächstgelegene Haltestelle »Galmsbüll Hauberg« heißt. In der Randleiste sah ich, dass man den Rufbus spätestens 90 Minuten vor Abfahrt telefonisch buchen kann. Und es fand sich eine Telefonnummer (04841 67444). Und der Button »Zur Online-Buchung«. Also geht’s doch online?

Nun ja, online zum Schein. Buchen kann man, ob »online« oder per Telefon, nämlich nur von 8 bis 18 Uhr. Solange jemand in Husum in der Zentrale sitzt, der dann »zu Fuß« die Fahrtwünsche je nach Bedarf an Taxibetriebe oder einen 8-Sitzer-Bus weiterreicht. Ginge es wirklich online, könnte man rund um die Uhr seine Fahrtwünsche durchgeben, die über ein dafür programmiertes Organisations-System automatisch an die Fahrer weitergeleitet werden würden, direkt auf deren Navigationssysteme. So etwas tatsächlich Zukunftsweisendes zu programmieren, kann sich der Kreis Husum vielleicht nicht leisten, aber der Bundesverkehrsminister könnte es. Und könnte das gleich so anlegen lassen, dass ein und das selbe Grundprogramm nicht nur für Nordfriesland, sondern auch für die Regionen Waldfischbach-Burgalben, Kirchheim-Bolanden, Lutter am Barenberge, Burg Stargard, Annaberg Buchholz und Vilshofen an der Donau problemlos angepasst werden könnte. Herr Wissing, das wäre doch mal ein Projekt, mit dem Sie den Nachweis erbringen könnten, dass Ihnen an einer Verkehrswende gelegen ist – sogar auf dem »flachen Land«.

Rufbus – die Onlinebuchung

Rufbus – die Onlinebuchung

Beim Rufbus-Gebiet hatte ich die Auswahl zwischen 15 Kürzeln von KXS1-Rufbus Klanxbüll-Süderlügum über HUS3 bis EID2. Inzwischen kannte ich mich aus und klickte NIB1 an und das Anreisedatum 16.9. ein.

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So ging’s aber nicht. »Eine Fahrt kann nicht in der Vergangenheit und auch nicht mehr als 14 Tage im Voraus gewählt werden.« Nun denn.

Also, diese Rufbus-App war schon die richtige. Wenn man sie am Tag der gewünschten Fahrt oder einen Tag vorher benutzt, funktioniert das System prächtig.

Zweiter Versuch über NAH.SH: Dort findet sich eine Fahrplanauskunft. Also gab ich dort ein: 16.9., 17 Uhr. Siehe da. Es klappte. 17.04 geht’s ab. Im Zickzack.

Die Zickzack_Linie zeigt die Fahrroute von Niebüll nach Galmsbüll-Hauberg, 15 Uhr

Die Zickzack-Linie zeigt die Fahrroute von Niebüll nach Galmsbüll-Hauberg, 17:04 Uhr

Das sah auf dem Plan irrsinnig aktiv aus. Gefiel mir. Gleich mal geschaut, wie es für andere Zeiten angezeigt wird.

OK, diese Zickzackgrafik hatte es mir besonders angetan. Natürlich fährt der Rufbus nicht die Zickzackstrecke ab, sondern nur zu dem oder den für einen bestimmten Zeitraum gewünschten Zielen.

Die Fahrroute im Zickzack um 16:04

Die Fahrroute im Zickzack um 15:04 Uhr

Am besten gefiel mir die Abfahrt um 15.04: Sightseeing-Tour durch Nordfriesland. Mit Endpunkt »Emmelsbüll-Horsbüll Kleinkoogsdeich«. Von dort sind’s dann nur noch 17 Minuten zu Fuß bis zum Haus am Mitteldeich. Easy.

Siehe oben: Der Plan soll ja nur zeigen, dass insgesamt 56 Haltepunkte angesteuert werden können (aber nicht müssen, wenn nicht gewünscht).

Toll, wenn man dies auch als NAH.SH-App aufs Handy runterladen könnte. Ja, man konnte. Man kann die exakte Adresse eingeben und bekommt eine detaillierte Auskunft, einschließlich nächster Haltestelle. Aber keine expressiv schönen Routenpläne. Schade. Dafür aber die Auskunft, dass die Fahrt »im Vergleich zu einer Fahrt mit dem eigenen PKW 13,85 kg mehr CO2-Emissionen verursacht.«.

Die Angaben dazu, wieviel weniger CO2-Emissionen ich verursachen würde, führe ich mit dem eigenen Auto, haben mich immer etwas amüsiert. Denn ich habe kein Auto. Wie würde die Rechnung wohl ausfallen, wenn ich mir extra dafür eines kaufte? Ob der Hinweis auf erhöhte CO2-Emissionen von der Auto-Lobby eingeflüstert wurde?

Ok, damit wären wir wieder am Anfang angelangt. Wir kamen nicht mit dem eigenen Pkw und wollten – auch in Nordfriesland – so umweltfreundlich wie möglich von A nach B kommen. Wieviel mehr CO2-Emissionen hat denn Christian Lindner verursacht, als er im Privatjet von NRW nach Sylt zum Heiraten gedüst ist?

Unterm Strich

Funktioniert hat das System Rufbus immer. Allerdings war im Vorfeld viel Recherche und vor Ort viel Gleichmut und Geduld gefordert. Nach wie vor ist es ein Skandal, dass die DB, sprich: die DB-App »Next DB Navigator« keine Ahnung hat von all der Mühe, die man sich in Nordfriesland ganz erfolgreich mit »Rufbus« und »Lüttbus« macht.

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Eine der seltenen Linienbusfahrten: Tatsächlich fuhr der Linienbus 101 um 15:49 Uhr von von der Haltestelle „Emmelsbüll-Horsbüll, Kleinkoogsdeich“ nach Klanxbüll. (Bild: Wilfried Dechau)