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Noch eine Bundesstiftung? Am 23. April 2021 wurde in 1. Beratung über das Stiftungsgesetz und Rahmenkonzept einer Stiftung „Orte der Demokratiegeschichte“ debattiert. In ihr sollen zahlreiche Initiativen in die Obhut des Bundes kommen, die sich an Orten wie beispielsweise dem Hambacher Schloss gebildet haben, um die dort zu lokalisierenden Entwicklungsschritte von Demokratie zu erforschen und ins öffentliche Bewusstsein zu tragen. Eine Bundesstiftung eignet sich jedoch kaum dafür, die Deutungshoheit über Orte und Geschichte der Demokratie zu beeinflussen.

oben: das Hambacher Schloss hoch über dem Rheingraben, vis-à-vis Heidelberg: Hier wurde für die Pressefreiheit gekämpft. (Bild: Wilfried Dechau)

2118_LOGO_DemokratiegeschichteLokales Engagement, zentrale Macht

 

Es ging in der Debatte um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung 1), mit dem eine Bundesstiftung auf den Weg gebracht werden soll – zuvor hatte die Bundesregierung ein Rahmenkonzept für die Weiterentwicklung dieser Orte erstellt.2) Schon 2017 haben sich die bislang fast 50, sehr unterschiedlichen Organisationen, zu denen unter anderem die Hamburger Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, das Deutsche Historische Museum in Berlin, das Hoffmann-von-Fallersleben-Museum in Wolfsburg gehören, zu einer AG „Orte der Demokratiegeschichte“ zusammengeschlossen.3) Die Organisationen überzeugen durch unterschiedliche Kommunikationsansätze, Diskussionsformate und starkes, lokales Engagement von Kommunen, BürgerInnen, Vereinen und vielen mehr. Und durch ihre Unabhängigkeit sind sie vergleichbar und einem hierarchisch organisierten, politischen Einfluss bislang nicht unterworfen.
Das Thema „Orte der Demokratiegeschichte“ reicht zudem tief in die Zuständigkeit der Denkmalpflege hinein, deren ureigene Aufgabe es ist, sich mit historisch bedeutsamen Orten und Gebäuden zu befassen.

Was nun die Debatte im Bundestag zutage förderte, gleicht einer Argumentesammlung, warum sich eine Bundesstiftung als Stärkung aller Initiativen denkbar schlecht eignet. Vorab sind nun ein paar Grundsatzfragen zur Relevanz der Geschichte für die Politik ins Gedächtnis zu rufen.

Demokratiegeschichte, Orte und Deutungshoheiten

Geschichtswissenschaften sind vergleichsweise junge Disziplinen, aber grob vereinfacht darf man ihnen eine bereits zwei Jahrhunderte dauernde Wissenschaftsgeschichte zumessen. Ihre Vorgeschichte beginnt vor Jahrtausenden damit, dass Menschen sich ihrer selbst und ihrer Zeitlichkeit bewusst werden und Geschichten weitergeben. So lesen wir die Heldenepen, kennen die Mythenentstehung und wissen die Menschheitsgeschichte auch schon als Heilsgeschichte erzählt, die ins Jenseits weist. Den Kollektivsingular – den Modus also, dass aus den additiv vermittelten Geschichten „die Geschichte“ als Disziplin mit einer hinterfragten Methodik und vielem mehr wird – gibt es erst im 19. Jahrhundert.4) Und die Messlatte für eine Geschichtswissenschaft, die der Entwicklung der Geschichtsphilosophie standhält, wird hoch und höher gelegt. Nun zeigt die Geschichtswissenschaft auch, dass gerade PolitikerInnen geschichtliche Ereignisse in eigenem Interesse nutzen, genauer: instrumentalisieren und deswegen gern die Deutungshoheit für sich beanspruchen. Gelegentlich landet man wieder bei der uralten HeldInnenerzählung – erwähnt sei nur der derzeitige Streit um Sophie Scholl und wer sich alles für eine Art Sophie Scholl hält. Oder die aktuellen Querelen, wohin denn eine Helmut-Kohl-Stiftung gehöre, was der Bundestag und die Witwe Maike Kohl-Richter sehr unterschiedlich sehen. Und erwähnt sei auch – weil es bei Marlowes ums Gebaute, ums Verortete geht –, dass Abriss ein beliebtes Mittel ist, um geschichtliche Deutungshoheit über Vergangenes zu erkämpfen.

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Der Saal der Paulskirche; Rudolf Schwarz fand nach dem Zweiten Weltkrieg eine überaus angemessene Lösung für den Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes. (Bild: DAM Ausstellungs_PR)

So bleiben wir bei den „Orten der Demokratiegeschichte“. In der hier besprochenen Bundestagsdebatte weist der AfD-Abgeordnete Götz Frömming zum Beispiel darauf hin, dass seine Fraktion ihren Fraktionssaal „Saal Paulskirche“ benennen wollte – warum wohl? Dazu später. Volker Kauder (CDU) mäkelte derweil am derzeitigen Aussehen der Paulskirche rum, sie sei „lieblos“. Wie kommt er darauf, und was meint er damit? Auch dazu später. Aber sofort erkennt man, warum dringend vermieden werden sollte, dass Orte der Demokratiegeschichte in den Einflussbereich praktizierender PolitikerInnen kommen.

Eine Bundesstiftung in erster Lesung im Bundestag

Die Initiative zur Bundesstiftung geht auf den Sprecher der AG zurück, den Leiter des Arbeitsbereiches Politische Theorie und Ideengeschichte der Universität Jena, Michael Dreyer. Im Rahmenkonzept der zu gründenden Bundesstiftung heißt es: „Nach der im Grundgesetz festgeschriebenen Kompetenzverteilung ist die staatliche Förderung der Auseinandersetzung mit der Demokratiegeschichte in erster Linie eine Aufgabe der Länder und Kommunen. Der Bund kann fördern, wenn die Voraussetzungen für eine nationale, gesamtstaatliche Bedeutung vorliegen und sich im Regelfall das jeweilige Sitzland angemessen beteiligt.“ 5) Länder und Kommunen sind also laut Grundgesetz kompetent genug, um sich mit der Demokratiegeschichte zu befassen. Verwiesen wird im Rahmenkonzept auf das „Forum Recht“, das derzeit in Karlsruhe und Leipzig realisiert wird und in dessen 22-köpfigem Kuratorium 11 Bundestagsabgeordnete sitzen.6) Auch hier gab es im Vorfeld politisches Gerangel, das dem Ruf der unabhängigen Rechtssprechung nicht zur Ehre gereichte.

Vorgesehen sind für die Stiftung „Orte der Demokratiegeschichte“ ein Stiftungsrat mit 12 Mitgliedern, die für jeweils fünf Jahre entsandt werden, wobei eine wiederholte Entsendung zulässig ist. 4 davon sollen Mitglieder des Deutschen Deutschen Bundestags, 2 Mitglieder der Bundesregierung, 2 von der Bundesregierung entsandte „sachverständige Persönlichkeiten“ sein. Mitglieder des Stiftungsrates kraft Amtes sind der Vorsitzende oder die Vorsitzende des Stiftungsbeirates sowie die Präsidenten oder Präsidentinnen der Stiftung Deutsches Historisches Museum, der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der Bundeszentrale für politische Bildung. 8 von 12 Mitgliedern stammen damit aus dem parteipolitischen Entscheidungsbereich. Man könnte nun abwarten, wer auf die Stiftungsposten berufen wird – beeinflussen lässt es sich nicht.

Die Debatte

Monika Grütters, Kulturstaatsministerin, CDU

Die Kulturstaatsministerin erläuterte, dass Demokratie „erlebt und gestaltet, notfalls auch erstritten und erkämpft wird“. Vorbilder dafür finde man „in unserer Geschichte, nicht zuletzt an Orten, die an die Wegbereiterinnen und Wegbereiter eines demokratischen Deutschlands erinnern“. HeldInnenerzählung? Die Sache sei Teil des Koalitionsvertrages und vom Bundestag eingefordert gewesen, und die Stiftung solle ihren Sitz in Frankfurt am Main haben. Sie solle koordinieren und „sowohl die Projekte Dritter fördern als auch mit eigenen oder mit Kooperationsveranstaltungen demokratiegeschichtliche Meilensteine in ihrem historischen Kontext würdigen.“ Es gehe um eine „kompetente Anlaufstelle für die Beratung bestehender und neu aufzubauender Erinnerungsorte“. Sie sprach auch von „erinnerungskultureller Bescheidenheit“ – was immer das sei, denn: Entweder man erinnert sich oder nicht. Und die Kompetenz, siehe oben, liegt laut Grundgesetz eben bei den Ländern und Kommunen, die sich gut beraten wissen, wenn sie ausschließlich auf wissenschaftliche Unterstützung – und nicht auf politisch gefärbte Zuarbeit setzen.
Und dann kam die Staatsministerin auf die „Wehrhaftigkeit unserer Demokratie“. In diesem Sinne solle das Rahmenkonzept in „historisch ausgewogener Weise“ Anregungen geben. Das Konzept leiste deswegen auch einen „herausragenden Beitrag zur Extremismusbekämpfung“, und wir sollten deswegen „mehr Demokratiegeschichte wagen“.7)

Ich gebe zu, dass ich hier gleich widersprechen wollte: Mit welchem Verständnis von Geschichte wandelt Monika Grütters Willy Brandts historischen Appell, „mehr Demokratie wagen“ mir nichts, dir nichts ab? Natürlich ohne auf Brandt hinzuweisen? Und wie kann man denn überhaupt Demokratiegeschichte „wagen“?
Und glaubt sie allen Ernstes, Extremisten eilen zu den „Orten der Demokratiegeschichte“, um – dort nach museumspädagogischen Kriterien geläutert – zu aufrechten Demokraten zu werden?
Extremismus bekämpft man wohl effizienter, wenn man zum Beispiel eine gute Politik macht, die Extremisten keinen Zulauf gönnt. In dem man zum Beispiel Geschichtsunterricht in Schulen nicht den wirtschaftsrelevanten MINT-Fächern opfert und mit einer ordentlichen Infrastrukturpolitik das Funktionieren eines am Gemeinwesen orientierten staatlichen Handelns gewährleistet.

Götz Frömming, AfD

Der in Germanistischer Mediävistik promovierte Abgeordnete fragte gleich zu Beginn seines Statements: „Wissen Sie eigentlich, wie viele Bundesstiftungen es gibt? Also Stiftungen, die der Bund entweder komplett selbst finanziert oder zu denen er zumindest einen erheblichen Anteil gibt?“ Nicht einmal das Bundesfinanzministerium wisse das genau, wie auf eine Anfrage der Fraktion der Linken hervorgegangen sei. Es gebe „kein Zentralregister, in dem die Bundesstiftungen aufgeschlüsselt“ seien. Es seien schätzungsweise 60 Bundesstiftungen, die mit etwa 600 Millionen Euro gefördert werden. Parteinahe Stiftungen wie Friedrich Ebert- oder Konrad-Adenauer-Stiftung bekämen zudem weitere 600 Millionen Euro. Hier ist anzumerken, dass die von Frömming mitgegründete Desiderius-Erasmus-Stiftung inzwischen als AfD-Parteistiftung firmiert. 2008 habe der Bundesrechnungshof ein Zentralregister angemahnt. „Bringen Sie endlich Licht in das Dunkel des Stiftungswesens.“ Das ist nun eine generell und bereits vielfach erhobene, berechtigte Forderung.
Schließlich kam Götz Frömming auf die Wartburg und das Hambacher Schloss und die Paulskirche – um abstrus festzustellen, dass „Demokratie und Nation historisch eng verwachsen sind und auch zusammengehören“. Welcher Logik folgt diese These? Gerade in Hambach ist das nicht so, weil hier die Einflüsse aus Frankreich und Polen maßgeblich gewesen sind und die Pressefreiheit eine international prägende Relevanz zugesprochen bekam. Frömming zitierte zudem die Kulturstaatsministerin, die in der FAZ benannt hatte, „prägenden historischen Ereignissen in Deutschland ein Denkmal zu setzen“. Und fragte abschließend, „ob wirklich nur vier Vertreter aus dem Deutschen Bundestag im Stiftungsgremium sitzen sollen. Wir befürchten einmal mehr, dass Sie die AfD dabei ausgrenzen wollen.“8) Deutlicher kann kaum in Erscheinung tretten, dass diese Bundesstiftung Zankapfel parteipolitischer Interessen ist.

Marianne Schieder, SPD

Die SPD-Abgeordnete berief sich auf ein Plädoyer des Bundespräsidenten, der 2019 in der ZEIT gefragt habe: „Warum tut unser Land nicht mehr für die Erinnerung an seine demokratische Tradition?“ Wieso das ein Auftrag für den Bundestag sein soll, erläuterte Marianne Schieder nicht. Ihr Beitrag im Duktus einer Art Sonntagsrede beinhaltet kaum erwähnenswerte Ideen – oder Fragen. Immerhin sprach sie beim Punkt „Kooperationen“ die Notwendigkeit an, nicht im Nationalen zu bleiben, sondern europäisch, international zu agieren.9) Ach, sollte die Demokratie etwa nicht allein auf nationalem Boden entstanden sein? Dann könnte man’s mit der Stiftung doch sein lassen und gleich auf eine europäische Institution setzen.

Carsten Schneider, SPD

Schneider forderte „neues Licht“ für die Orte der Demokratiegeschichte, und Engagement müsse „gebündelt“ werden. Im Auflisten der Orte kam er kaum zum Ende, wusste aber nicht zu erklären, warum ausgerechnet der Bund sich dabei ins Zeug legen müsste.

Thomas Hacker, FDP

In seinem Beitrag fiel das Stichwort „das richtige Erinnern“. Da stünden die „dunklen Kapitel“ oft an, und so erinnerte er an die „friedliche Revolution“ und versäumte nicht, an Worte seines Parteikollegen Hans Dietrich Genscher oder an die Verdienste Bayerns (sein Wahlkreis liegt in Bayreuth) für die Demokratie zu erinnern. 10)
„Richtig Erinnern“ heißt, die Parteifreunde und die Wahlkreisheimat zu erwähnen?

Erhard Grundl, B90/ Grüne

Grundl begann mit der Feststellung, das es in Myanmar, Hongkong, Belarus und anderswo schlecht um die Demokratie stehe. Gerade in Deutschland könne man Orte der Demokratiegeschichte als „Orientierungspunkte gut brauchen“. Grundl ließ an Rahmenkonzept und Gesetzentwurf wegen der „dürren Worte“, mit denen die inhaltliche Grundlage der Stiftung skizziert sei, kein gutes Haar. Das Ganze sei von einer „geradezu Besorgnis erregenden Lieblosigkeit geprägt“. Junge Menschen, die Ostdeutschen und andere seien gar nicht eingebunden. Es fehle eine gute Idee.11)

Simone Barrientos, Die Linke

Sie wies auf die Lücken in den Ortslisten der Demokratiegeschichte, dazu gehöre beispielsweise auch das Frankfurter Landgericht mit den Auschwitz-Prozessen von 1963 – oder das Gelände der Versöhnungskirche in Dachau. Und vielleicht solle die Stiftung nicht nach Frankfurt am Main, sondern nach Frankfurt an der Oder ziehen, „das täte der ostdeutschen Seele wirklich gut“. Eine Bundesstiftung zur Seelentröstung im Osten? Im Ernst?

Volker Kauder, CDU

Volker Kauder ist in die Konzept- und Gesetzentwurfsarbeit involviert und ließ es beim Umgang mit den „Orten der Demokratie“ konkret werden – drastisch konkret sogar. Er wies zunächst auf die vielen kleinen und großen Initiativen, die sich längst der Orte der Demokratiegeschichte angenommen haben. Und was man nun mit der Stiftung erreichen wolle, sei, diejenigen, die sich erst vor Kurzem [2017, Anm. der Autorin] zu einer AG zusammengeschlossen haben, um „durchschlagskräftiger zu werden, um auch gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit zu machen“, zu „unterstützen“. Manche, auch „ganz große Projekte“ seien dabei, die bisher „nicht so repräsentiert worden“ seien „wie es notwendig“ sei. Und dann: „Ich nenne da beispielsweise die Paulskirche in Frankfurt. Wer dort schon an Veranstaltungen teilgenommen hat, der spürt, Herr Kollege Grundl, das ischd so, die Lieblosigkeit dieses großen Saales und keine Atmosphäre, die die Geschichte ausstrahlt, die dort stattgefunden hat. Und das wollen wir ändern. Und deswegen ist die Paulskirche auch ein besonderer Punkt, neben Weimar, und wir wollen deshalb in der Paulskirche ein Zentrum vor allem auch für die didaktische Aufarbeitung und Präsentation für junge Menschen zu formulieren. „

Blick aus dem ehemaligen Regieraum in den Saal, 2019 (Foto: Moritz Bernoully)

Blick aus dem ehemaligen Regieraum in den Saal, 2019 (Foto: Moritz Bernoully)

Was geht hier alles Durcheinander! Ich halte es für anmaßend, wie der Jurist Kauder sich hier zu einem Entscheider über das Denkmal Paulskirche aufschwingt, das in die Kompetenz der Denkmalpflege gehört. Wohl wissen wir, dass im modern gewordenen Ruf nach Rekonstruktion auch mal die Paulskirche erwähnt wird. Nun aber droht dem denkmalgeschützten Gebäude Gefahr aus dem Parlament via Bundesstiftung? Zudem scheinen die vielen Nachkriegsjahrzehnte, in denen die Paulskirche ein Ort herausragender Redebeiträge zur internationalen Politik- und Geistesgeschichte als Grundlage demokratischer Gesellschaftsentwicklungen war, in Vergessenheit geraten zu sein.

Junge Menschen, so Kauder weiter, müssten verstehen, „dass Demokratie nicht nur eine theoretische Einrichtung ist, sondern dass Demokratie erkämpft worden ist an vielen Stellen in unserem Land.“12) Im Vorfelde habe der Bundestag schon beschlossen, dass „diese Stiftung jährlich mit 10 Millionen Euro ausgestattet werden soll.“ Dazu muss wohl der Haushaltsausschuss noch ein Wörtchen sagen. Und schließlich stellte Kauder, nachdem er erklärt hatte, was die Stiftung denn zu tun habe, klar, dass es „keine Bevormundung vom Bundestag aus“ gebe. Ja, was denn sonst, wenn er die Paulskirche „liebevoller“ machen und wer weiß was „ändern“ will? Der Einfluss wird erheblich sein.

Zwar heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung: „Die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts gewährleistet eine inhaltliche Autonomie, die für eine überparteilich arbeitende Stiftung notwendig ist. Es werden damit selbständige und unabhängige Entscheidungsstrukturen geschaffen.“13) Was Volker Kauder zur Paulskirche verlautbart, entspricht dieser Vorgabe nicht. Und unter § 2, Stiftungszweck, sind zur Zweckerfüllung insbesondere aufgelistet: „eigene Veranstaltungen, Publikationen, digitale Angebote sowie sonstige Beiträge mit Bezug zu Orten, die mit der Demokratiegeschichte verknüpft sind.“
Unter Autonomie dieser Orte und ihrer Pflege und Programmgestaltung verstehe ich etwas anderes.

Politik und Geschichte

Alle wollen hier also mitreden und ihre eigenen, parteiopportunen Vorstellungen demokratischer Verdienste berücksichtigt wissen, wenn es um die Präsentation von Demokratiegeschichte geht. Eine Bundesstiftung setzt, wenn es sie geben sollte, damit die politische Deutungshoheit über die Arbeit der Geschichtswissenschaften. Das Argument, dass die vielen Initiativen mehr Geld brauchen, stimmt sicher – nur: Darüber dürfen Parteipolitiker nicht entscheiden. Und der Haushaltsausschuss schon gar nicht. Und ein Kuratorium mit Wissenschaftlern genügt nicht, um Einflüssen aus der Politik hinreichend entgegenzuwirken.

Die „Orte der Demokratiegeschichte“ kann und sollte man durchaus unterstützen. Aber bitte nur mit Geld für geschichtswissenschaftliche Forschung und gemeinnützige Vermittlungsarbeit. Jeder Ort der Demokratie verlangt nach einer individuellen Konzeption – was einer Vernetzung nicht im geringsten entgegensteht.

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Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Wettbewerb der Wüstenrot Stiftung zum Thema „Gebaute Orte für Demokratie und Teilhabe“.14) Es ging dabei um Orte, die Demokratie wahrnehmbar machen und demokratische Praxis schaffen; die bürgerschaftliche Verantwortung unterstützen und die Raum bieten für eine am Gemeinwohl orientierte Verständigung über die weitere gesellschaftliche, soziale und technische Entwicklung. Diese Orte fördern Dialogfähigkeit und Pluralität und vermitteln demokratische Werte an Menschen jeden Alters und Herkunft.“ Die Ergebnisse zeigen, dass dank der Unabhängigkeit von tages- und parteipolitischen Interessen verflixt gute Initiativen zustande kommen.


2) Das Rahmenkonzept als PDF vom 15.4.2021: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/285/1928535.pdf

4) Alexander Demandt: Philosophie der Geschichte. Von der Antike zur Gegenwart. Böhlau, Köln/ Weimar/ Wien, 2011; Jörn Rüsen: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2013

5) Rahmenkonzept zur Weiterentwicklung der Orte deutscher Demokratiegeschichte, siehe Anm. 2, Seite 3

6) für je 5 Jahre je nach Parteiproporz berufen. Zudem gibt es einen Beirat mit 30 Mitgliedern. Und einen Förderkreis, in dem die beiden Initiativkreis aus Karlsruhe und Leipzig | https://stiftung-forum-recht.de/

 (Links aufgerufen am 11. Mai 2021, 21 Uhr)