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Klaus Stiglat (1932-2025)

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Es gab gute Zeiten, als die deutsche Infrastruktur mit wunderschönen Brücken, exzellenten Ingenieur-Hochbauten und kontinuierlicher Pflege weltweit anerkannt wurde. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt als Blütezeit hiesiger Ingenieurbaukunst. Und Klaus Stiglat kommt das Verdienst zu, die baukulturelle Verantwortung der Bauingenieure als Chronist und Kritiker dieser Zeit immer wieder begleitet und zur Diskussion gestellt zu haben.

Klaus Stiglat, 2003 (Bild: Wilfried Dechau)

Bauingenieure und ihr Werke – ein Standardwerk

Klaus Stiglat: Bauingenieure und ihr Werke – ein Standardwerk, 1999 erschienen bei Ernst & Sohn, 2004 in zweiter Auflage.

Die Brücken und Hallentragwerke von Ulrich Finsterwalder (1897-1988), die Rheinbrücken und Fernsehtürme von Fritz Leonhardt (1909-1999), die Brücken, die gewagten Tragwerke und Pionierleistungen im Energiebereich von Jörg Schlaich (1934-2021) – das sind nur wenige Hinweise auf die herausragenden Leistungen im Ingenieurbau, um die sich die Verantwortlichen der Gegenwart viel zu wenig kümmern.

Die verrottete Infrastruktur hierzulande ist nicht ihren Erbauern anzulasten, sondern denen, die sie nicht pflegten.

Klaus Stiglat sorgte als rhetorisch begabter, immens gebildeter Bauingenieur dafür, dass in seiner weitgehend wortkargen Zunft Ingenieurbau mit Geschichte, Theorie und Baukultur zur Sprache kamen.

 

1932 im ostpreußischen Insterburg geboren, kam er als Vertriebener nach Karlsruhe, wo er 1952 bis 1957 Bauingenieurwesen studierte. Zunächst blieb er als Assistent an der TH und promovierte 1960 zu Aspekten der Plattenstatik. 1968 gründete er mit Herbert Wippel, Ernst Buchholz und Horst Weckesser in Karlsruhe die „Ingenieurgruppe Bauen“, eines der renommiertesten Ingenieurbüros im Land. Als Kraftakt darf man bezeichnen, was Klaus Stiglat daneben für die Wissens- und Bewusstseinsbildung der Bauingenieure leistete: als Schriftleiter der Zeitschrift Beton- und Stahlbeton; als Verfasser zahlreicher Porträts deutscher Bauingenieure, die 2004 in einem Buch erschienen, das zum Standardwerk wurde. 1988 initiierte Klaus Stiglat den Ingenieurbaupreis, der 2026 zum 19. Mal ausgelobt wird. Sein Engagement, den Ingenieurbau als Kulturleistung zu begreifen, kann nicht überschätzt werden – in persönlichen Gesprächen wurde jedoch auch ein gewisser Frust deutlich, dass Bauingenieure viel zu wenig Interesse an Ingenieurbaugeschichte, Kultur und Verantwortung für den öffentlichen Raum zeigen. Dass sie sich immer wieder „verschnupft“ als Rechenknechte von Architekten beklagen statt selbst im baukulturellen Sinne zu agieren.

Der Ingenieurbaupreis, den Klaus Stiglat initiierte, wird vom Verlag Ernst & Sohn betreut und wird 2026 zum 19. Mal vergeben.

Der Ingenieurbaupreis, den Klaus Stiglat initiierte, wird vom Verlag Ernst & Sohn betreut und wird 2026 zum 19. Mal vergeben.

Sich mit Klaus Stiglat auszutauschen, über alte und neue Ingenieurbauwerke zu räsonieren, aber auch ganz andere Themen anzuschneiden, war ein Vergnügen. Blickt man in die Lehrpläne gegenwärtiger Ingenieurbaufakultäten, vermisst man Geschichte, Gestaltung und Berufsethik durchweg. Kenntnisreiche, eloquente Bauingenieure gibt es zwar, aber gerade Ingenieurbaugeschichte verschwindet aus dem Wissenskanon junger Bauingenieure.

Vielleicht ließe sich ein „Klaus-Stiglat“-Preis etablieren, in dem die historisch-kulturelle Dimension des Ingenieurbaus öffentlichkeitswirksam thematisiert ist.

Mit den aktuellen, milliardenschweren Investitionen in die Infrastruktur steht eine fürchterliche Abrisswelle herausragender Brücken bevor, weil diese auf ein Mal für Kriegsgeräte taugen sollen. Ein ingenieurbauhistorischer Kahlschlag – den Klaus Stiglat wortmächtig benannt hätte.

Die ausgezeichneten Ingenieurbauwerke weisen auf die Bedeutung von Ingenieurleistungen. (Bild: Ernst & Sohn)

Die ausgezeichneten Ingenieurbauwerke weisen auf die Bedeutung von Ingenieurleistungen. (Bild: Ernst & Sohn)