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Opera misteriosa

2508_Header_HH_Baakenhoeft_wdAls Steuerzahler hat Klaus-Michael Kühne privat und mit Kühne+Nagel-Unternehmen der Stadt Hamburg längst den Rücken gekehrt. Er ist ins (für ihn) steuerlich attraktive Schindellegi im Kanton Schwyz in der Schweiz ausgewandert. Steuerflüchtlinge weist die Schweiz natürlich nicht aus. Nun will der Milliardär und Opernfreund seiner „Heimatstadt“ Hamburg am Baakenhöft ein neues Opernhaus schenken. Ein Danaergeschenk? Für die Stadt entstehen Vorkosten von etwa 150 Mio Euro, das eigentliche Opernhaus koste – so heißt es – die Kühne Stiftung etwa 330 Mio Euro – anschließende Betriebskosten trägt wieder die Stadt. Es stellen sich Fragen zur Stadtplanung, zum Architekturwettbewerb, zur Macht des Geldes und zur Planungstransparenz.  Red.

oben, links im Bild: Baakenhöft – die Transformation dieses Gebietes im Kontext der Hamburger Hafenkulisse verspricht die „herausragende Lage“. (Bild: Wilfried Dechau)

Am Montag vergangener Woche, dem 7. Februar 2025, wurde in Hamburg eiligst zu einer Sonder-Landespressekonferenz eingeladen.1) Der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Peter Tschentscher (SPD) und ihr Kultursenator Carsten Brosda (SPD) kündigten an, dass die Stadt Hamburg und die Stiftung von Klaus-Michael Kühne gemeinsam ein neues Operngebäude bauen wollen. Hamburg wird dafür ein Grundstück in der HafenCity am Baakenhöft zur Verfügung stellen und aufbereiten – für etwa 150 Mio Euro. Den überwiegenden Teil der Baukosten – angekündigt geht es um 330 Mio Euro – übernimmt laut der verkündeten Zusagen die Stiftung. Für die Kühne-Stiftung sprach Jörg Dräger, Karl Gernandt für die Kühne-Holding. Der Stifter selbst war nicht anwesend.

Sonderpressekonferenz am 7. Februar 2025, von links: Karl Gemandt, Jörg Dräger, Carsten Brosda, Peter Tschentscher, Peter Ulrich Meyer, Christoph Harms.

Sonderpressekonferenz am 7. Februar 2025, von links: Karl Gernandt, Jörg Dräger, Carsten Brosda, Peter Tschentscher, Peter Ulrich Meyer, Christoph Harms.

Bürgermeister Tschentscher eröffnete die Pressekonferenz mit den Worten: „Ein neues Opernhaus in herausragender Lage, das ist ein wirklich großzügiges Geschenk und eine großartige Chance für die Kulturstadt Hamburg. Die Oper ist ein Glücksfall für Hamburg und die Steuerzahler!“ Aber macht dieses Geschenk die Stadt wirklich glücklich? Ist eine Architektur dieser Größenordnung und Bedeutung nicht in jedem Fall eine zu diskutierende, eine öffentliche Angelegenheit – eine res publica?

Don Pasquale – Inszenierung der gegenwärtige Oper in Hamburg (Bild: Oper Hamburg)

Donizettis Oper „Don Pasquale“ – aktuelle Inszenierung der Staatsoper in Hamburg (Bild: Staatsoper Hamburg)

Staatsoper Hamburg in der Großen Theaterstraße. Werner Kallmorgen war im Gespräch, den zerstörten Zuschauerraum mit Gelder der Alfred Toepfer Stiftung wiederaufzubauen. 1957 setzte Oberbaudirektor Hebebrand einen Wettbewerb durch, nach Plänen von Gerhard Weber gebaut, wurde das Haus 1955 widereröffnet. (© Staatsoper Hamburg, Kurt M. Westermann)

Staatsoper Hamburg in der Großen Theaterstraße. Werner Kallmorgen war im Gespräch, den zerstörten Zuschauerraum mit Geldern der Alfred Toepfer Stiftung wiederaufzubauen. Oberbaudirektor Hebebrand hatte einen Wettbewerb durchgesetzt. Nach Plänen von Gerhard Weber gebaut, wurde das Haus 1955 wiedereröffnet. (© Staatsoper Hamburg, Kurt M. Westermann)

Geschenk? Oder Deal?

Über das Ansinnen von Klaus-Michael Kühne, der Stadt eine Oper zu schenken wird in Hamburg schon seit 2019, als er diesen Wunsch zum ersten Mal vortrug, debattiert. Der geschenkte Gaul wurde lautstark auf Herz und Nieren geprüft – aber Begeisterung kam nur partiell und gedämpft auf. Kühne wollte die Bausumme auf 330 Millionen Euro deckeln. Im Gegenzug sollte er ursprünglich aber das Grundstück, auf dem die mittlerweile in die Jahre gekommene Oper an der Dammtorstraße steht, zur Verfügung gestellt bekommen. Das Gebäude besteht in Teilen noch aus dem Ursprungsbau von 1827 und einer expressionistischen Erweiterung aus den 1920er Jahren. Im Wesentlichen ist es aber als Nachkriegsbau 1955 nach den Entwürfen des Architekten Gerhard Weber eröffnet worden.

Der Bund der Steuerzahler schlug wegen Kühnes Pläne Alarm und warnte vor den erheblichen Risiken, die Großbauprojekte in Deutschland mit sich brächten. Die dynamischen Ereignisse um den Bau der Elbphilharmonie sind trotz ihrer mittlerweile großen, internationalen Anerkennung als Spielstätte und insbesondere ihrer Architektur in der Hansestadt noch nicht vergessen.

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Die derzeitige Situation am Baakenhöft weckt Bauwünsche. (Bild: Christian Holl)

Philanthrop? Oder Geschäftsmann?

Klaus-Michael Kühne machte als Kaufmann und Unternehmer, aber auch als Philanthrop schon öfter in der Stadt von sich reden. Er lebt mit seiner Frau Christine zwar in der Schweiz, wo er kaum Steuern auf sein Vermögen von geschätzt über 40 Milliarden zahlt. Fühlt sich aber mit seiner Geburtsstadt Hamburg eng verbunden. Er engagiert sich finanziell für den Hamburger Sportverein, den HSV, gibt dort auch gerne Hinweise zur Spielaufstellung, allerdings mit mäßigem Erfolg. Am Westufer der Alster ließ er das Fünfsterne Hotel Fontenay mit dem Architekten Jan Störmer bauen – weithin sichtbar und nicht gerade behutsam in die Umgebung eingefügt.

Als die mit Hamburg eng verbundene Reederei Hapag-Lloyd in finanzielle Schwierigkeiten geriet, war Kühne zur Stelle und erwarb Anteile, die sich heute mit hohen Dividenden für ihn auszahlen. Auch seit mit dem Elbtower ein im Hamburger Stadtbild wichtiges Bauprojekt durch das wilde Gebaren des Konjunkturritters René Benko zur Ruine und zum Gespött zu werden droht, ist Klaus-Michael Kühne zur Stelle – zwar nicht als weißer Ritter. Dafür ist das Projekt dann doch wohl zu riskant. Er wäre aber schon bereit, einen Teil zu dessen Erfolg beizutragen. Dieses Engagement für die Stadt Hamburg ist schon ehrenwert. Doch mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte des Fuhrunternehmens Kühne + Nagel während des Nationalsozialismus, das sein Vater betrieb und offenkundig von den Deportationen jüdischer Menschen aus Deutschland und dem Einziehen von deren Hab und Gut profitierte, hapert es. Immerhin war dieses Kapital eine Grundlage für Kühnes heutiges Vermögen. Gelinde gesagt, fördert Klaus-Michael Kühne die Aufarbeitung dieser Geschichte nicht gerade. Damit bekommen die Spenden aus seinem Besitz einen schalen, wenn nicht bitteren Beigeschmack.

Neuer Anlauf – neues Glück?

Als möglicher Standort für die neue Oper war das Baakenhöft an der Einfahrt zum Magdeburger und zum Baakenhafen langsam durchgesickert. Es ist dies eine buchstäblich herausragende Position in der HafenCity, am Ufer der Norderelbe und mit der Elbphilharmonie im Westen, dem Elbtower im Osten, der Ericusspitze mit dem Verlagshaus des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL im Norden auch eines der vier wirklich prominenten Grundstücke in der Stadt Hamburg überhaupt.

Der Baakenhafen hatte allerdings, das unterstreichen aktuelle historische Forschungen, große Bedeutung für den Schiffsverkehr mit den ehemaligen deutschen Kolonien und war eine wichtige Drehscheibe für den Völkermord an den Herero und Nama in Namibia, dem früheren Deutsch-Südwestafrika. An diese Geschichte erinnert in der hier entstandenen östlichen HafenCity nichts mehr. Deshalb möchte die Kulturbehörde hier auch einen Gedenkort schaffen. Es war auch ein Dokumentationszentrum im Gespräch, das dem prominenten Ort des Baakenhöft auch gut angestanden hätte. Darüber hätte man in der diskutieren können und sollen. Das geschah aber nicht, vielleicht auch deshalb, weil sich die Gerüchte um den Bau der Oper an diesem Ort schon verdichtet hatten. Die Gespräche, die die lokale Presse mit Klaus-Michael Kühne oder mit Kultursenator Carsten Brosda führte, kamen dann auch stets auf seine Beteiligung am Elbtower und auf den Bau der Oper.

Symphonie mit Paukenschlägen

So konnten Peter Tschentscher und Carsten Brosda gleich mehrere Paukenschläge machen: Die Oper kommt! Erster Paukenschlag! Die Kosten sind für die Stadtkasse überschaubar. Sie stellt das Grundstück und lässt es so aufbereiten und erschließen, dass es auch hohen Fluten standhalten kann. Der Betrag ist gedeckelt. Die eventuell aufkommenden Mehrkosten über den Betrag von 330 Millionen Euro hinaus trägt die Stiftung. Die Bedenken des Bundes der Steuerzahlers sind ausgeräumt. Zweiter Paukenschlag! Um die alte Oper an der Dammtorstraße war es indes still geworden. Bis zuletzt hatten sich Gerüchte um einen geplanten Abriss gehalten, aber wäre das Gebäude nicht sanier- und weiterhin als Oper gut nutzbar? Neuere Untersuchungen hätten ergeben, führte Carsten Brosda an, dass eine Sanierung als Opernhaus unkalkulierbar geworden wäre. Ein Blick nach Köln, Stuttgart oder Düsseldorf zeige, wie schnell solche Kosten über eine Milliarde Euro steigen könnten. Da sei man mit einem Neubau, der weniger böse Überraschungen bereithalten könne als die Sanierung eines Altbaus, auf der sicheren Seite. Ein weiterer Glücksfall, ein dritter Paukenschlag! Der Altbau bliebe außerdem erhalten und werde saniert – wenn auch nicht für einen Opernbetrieb, so doch als Theaterhaus. Vierter Paukenschlag!

Die Stadt bereite das Grundstück in der HafenCity mit allen an diesem Ort vorgegebenen Maßnahmen vor, verkündete Senator Brosda. Der Betrag, der von der Stadt dafür aufzubringenden Geldsumme ist auf 147, 5 Millionen Euro beschränkt. Alle weiteren Kosten trägt bis zur Fertigstellung inklusive aller möglichen Kostensteigerungen die Stiftung. Anders als bei der Elbphilharmonie wird also eine Erhöhung des öffentlichen Anteils ausgeschlossen. Zur Erinnerung: Der öffentliche Anteil am Bau der Elbphilharmonie war auf mehr als das Zehnfache angestiegen. Der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz hatte mit einer Deckelung zumindest der öffentlichen Kosten die Fertigstellung des Gebäudes erst möglich gemacht. Also ein weiterer, der fünfte Paukenschlag!

Man werde also mit großer Freude mit der Oper ein – um es mit Alexander Kluge zu sagen – „Kraftwerk der Gefühle“ bauen, rief Carsten Brosda aus. Sie entstehe an einem öffentlichen Ort am Baakenhöft, solle begehbar sein und mit dem an der Höftspitze anzulegenden Park zu einem öffentlichen Treffpunkt in der Stadt werden. Und sie solle Menschen ähnlich wie bei der Elbphilharmonie davon überzeugen, kulturelle Veranstaltungen wahrzunehmen, deren Besuch sie sich zuvor nicht hätten vorstellen können.

Also, alle Bedenken ausgeräumt, alles in bester Ordnung? Die Stadt kann sich glücklich schätzen? Wie geht es weiter?

Durchgetaktestes Verfahren, klare Vorstellungen zur Architektur

Jörg Dräger, geschäftsführender Stiftungsrat der Kühne-Stiftung, beschrieb dazu drei Schritte. Der erste sei mit der direkt bevorstehenden Vertragsunterzeichnung getan, der nächste sei die Planungsphase des Gebäude und der dritte der Bau des Gebäudes, das dann nach Fertigstellung an die Stadt übergeben werden soll. Die Kühne-Stiftung wolle Exzellenz fördern, und dafür brauche man ein exzellentes Opernhaus auf modernstem Niveau und im neuestem Stand der Technik. So etwas wie die 1973 eröffnete Sydney-Oper, nur als Hamburg-Oper. Sie solle sich architektonisch aber eher zurücknehmen und nicht so sehr im Vordergrund stehen – also: sichtbar und unsichtbar zugleich?

Die vielfach ausgezeichnete Oper in Oslo von Snohetta (Bild: Snohetta, Jiri Havran)

Die vielfach ausgezeichnete Oper in Oslo von Snøhetta (Bild: Snøhetta, Jiri Havran)

Senator Brosda lobte dagegen die exaltierte, von Snøhetta gebaute Oper in Oslo in höchsten Tönen. Klaus-Michael Kühne ließ laut Hamburger Abendblatt verkünden: „Es gibt den schönen Entwurf eines ausländischen Architekten, der wunderbar zu dem Standort passt.“ Also, alles schon in trockenen Tüchern. Alles gelaufen. Die Favoriten stehen fest? Jörg Dräger avisierte im Vorfeld eine „theaterfachliche Planung“ des Projektes, die der Architektur einen Rahmen setzen und der dann ein „architektonisches Qualifizierungsverfahren“ mit fünf ausgewählten Architekturbüros folgen solle. Das Vorhaben ist in jedem Verfahrensschritt bis zur geplanten Übertragung des Gebäudes an die Stadt in den Verträgen bereits festgelegt. Senat und Bürgerschaft bräuchten nur noch zuzustimmen. Man habe das langwierige Vertragsschlussverfahren nur für die Pressekonferenz unterbrochen, aber man sei sich über das Vorgehen einig, unterstrich Karl Gernandt, Präsident der Kühne Holding AG, Stiftungsrat Kühne-Stiftung.

Wer macht den Bebauungsplan?

Für das Grundstück gibt es keinen Bebauungsplan, der mit Gesetzeskraft Vorgaben für die Gestaltung des Gebäudes machen würde, lies Andreas Kleinau, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH in die Pressekonferenz einfließen. Die in dem „architektonischen Qualifizierungsverfahren“ eingesetzte Jury, der selbstverständlich auch der Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt angehört, könne frei entscheiden. Das letzte Wort habe aber der Stifter (sic!). Gegen sein Wort kann keine Entscheidung getroffen werden, unterstrich der Kultursenator.

Das letzte Wort des Stifters

Moment! Hört hier hört das Glück der Stadt auf? Hier gilt weder die Gesetzeskraft eines Bebauungsplans, noch gibt es ein umfassendes freiraumplanerisches, städtebauliches und architektonisches Wettbewerbsverfahren, in dem auch ungewöhnliche oder innovative Ideen Berücksichtigung fänden, die nicht bereits in der Vorstellungswelt des Stifters oder des Kultursenators existieren? Es wird lediglich ein vergleichendes Gutachten von fünf handverlesenen Architekturbüros geben. Wo bleibt hier die vielgerühmte Offenheit Hamburgs? Stattdessen haben einige Favoriten den Vorzug? Den Experten im fachkundigen Preisgericht sowie dem Oberbaudirektor, der Kraft seines Amtes eigentlich das Bild der Stadt moderierend formen soll, bleibt lediglich eine beratende Funktion für einen Stifter, dessen Qualifikation mit Verlaub nicht gerade auf dem Feld der Architektur und des Städtebaus liegt.

Architektur: res publica

Architektur ist – wenn überhaupt – eine öffentliche Kunst, zumindest eine öffentliche Angelegenheit: eine res publica! Man kann sie nicht wie ein Buch zuschlagen, man kann sie auch nicht wie eine Oper verlassen oder wie eine Kapelle bitten, mit dem Spielen aufzuhören. Architektur ist im Stadtraum präsent, ob man will oder nicht, deshalb geht sie alle Menschen an, die sie benutzen oder ihr begegnen. Das gilt umso mehr je größer das Gebäude ist und auch, wenn es viel kostet! Die Oper wird – ob zurückhaltend und ihr Umfeld eingegliedert gestaltet oder exponiert als ein weiteres Wahrzeichen – das Stadtbild Hamburgs prägend bestimmen. Dabei sollte die Stadtgesellschaft bei aller Großzügigkeit des Spenders ein Mitspracherecht haben. Aber in diesem Verfahren sind alle Träger öffentlicher Belange ruhiggestellt. „Der Stifter hat das letzte Wort“. Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik? Egal wie laut oder wie schräg sie ist? Geht’s noch?

So handeln auch Oligarchen. Es klingt nach der Macht des großen Geldes, nach „potere del denaro“ – und nicht nach Demokratie.


1) Online nachzuhören: https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/senat/presseservice-des-senats/landespressekonferenz/sonder-landespressekonferenz-am-7-februar-2025-1017964