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Die Literatur zum Thema Wohnen ist unüberschaubar geworden. Ernst Hubeli legt nun ein kleines, 188 Seiten umfassendes Büchlein vor, in dem er die Wohnungsfrage im 21. Jahrhundert als Desaster politischer Ökonomie und anderer Fehlentwicklungen ausmacht: differenziert und kenntnisreich.


192 Seiten, 16.8 × 10.7 cm, Broschur, auch als e-Book erhältlich. ISBN 978-3-85869-865-0, Rotpunkt Verlag, Zürich 2020

192 Seiten, 16.8 × 10.7 cm, Broschur, 15 Euro. Auch als e-Book erhältlich.
ISBN 978-3-85869-865-0, Rotpunkt Verlag, Zürich 2020

Es ist eine neue Streitschrift zu einem alten Thema: Ernst Hubeli setzt mit Friedrich Engels‘ Kritik und dessen These an, der Ursprung der Wohnungsnot und des mit ihr verbundenen Elends liege in den kapitalistischen Eigentums- und Produktionsverhältnissen. Von Homer über Engels und Heidegger bis zu Airbnb und dem „Serviceproletariat“ leitet der Autor in die Gegenwart und bettet sie ein in internationale Geldpolitik. Tatsächlich ergebe Überfluss an Wohnungen Sinn – „volkswirtschaftlich und auch seelisch“. Das aber entscheide sich an der Frage, ob Kapital und Boden trennbar sind. Identitätsfragen und vieles mehr betreffen die Wohnungsrealitäten – der Autor rührt an grundssätzlichen Prämissen und weist für die Wohnarchitektur des 21. Jahrhunderts vor allem auf die „Diskrepanz zwischen heterogenen Lebensformen und homogenen Wohnformen“.

Ein ungewöhnliches Inhaltsverzeichnis, das die Breite des Themas andeutet (Bild: Rotpunktverlag)

Ein ungewöhnliches Inhaltsverzeichnis, das die Breite des Themas andeutet (Bild: Rotpunktverlag, Ursula Baus)

Ernst Hubeli verfällt nicht in alte klassenkämpferische Argumentationsmuster, sondern bietet einen kenntnisreichen Überblick über die Breite der Debatten und veranschaulicht sie anhand von zehn Beispielen. Berlin dient ihm dann als Hotspot dessen, was sich problematisieren lässt: das Zusammenwirken von Politik und Ökonomie, einer merkwürdig hingenommenen sozialen Ausgrenzung auch von Kreisen der Mittelschicht und skurrilen Identitätsfragen – und unter anderem einer Mietdeckel-Idee als „Mischung aus indirekter Enteignung und politischer Besänftigung“. Es geht anders, wie er es am Beispiel Wien erläutert.

Bemerkenswert ist, wie sich der Autor auch weichen Themen des Wohnens widmet und dabei das Bekannte reflektiert – von Massimo Cacciari und Hardt/ Negri und vielen anderen. Über das Zuhause als „nach innen gekehrte Heimat“ macht er sich nicht lustig, vielmehr hinterfragt er – wie in der ganzen Streitschrift – hartnäckig die hergebrachten Gewiss- und Gewohnheiten. Auch hält er mit seiner Skepsis gegenüber der „Verschwörung mit einem Ideal“ – etwa in der Moderne – genauso wenig hinterm Berg wie mit jener gegenüber „einem Geist, der aus dem Verlorenen kommt“.

Dem Buch sind viele LeserInnen in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern zu wünschen –  es möge als Basis dienen, die man als bekannt voraussetzen darf. Man muss sich allerdings, so knapp das Buch in der Erscheinungsform daherkommt, Zeit zum Lesen nehmen.

Zum Interview mit Ernst Hubeli im > Spiegel, 1. Juni 2020
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