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Wahlkampf – Thema Wohnen

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Gehen Sie wählen? Plakat der Aktivisten „Stadtlücken“ in Stuttgart an einem leerstehenden Kaufhaus. (Bild: Christian Holl)

Nicht nur der Mieterbund wundert sich, dass die Wohnungspolitik im Wahlkampf kaum eine Rolle spielt. Dabei ist der Handlungsbedarf groß, vor allem dann, wenn gleichzeitig der Klimaschutz berücksichtigt werden soll. Der spielt aber auch kaum eine Rolle. Und so bleibt es überwiegend beim fantasielosen und ernüchternden „Weiter so“. Es gibt aber auch Ausnahmen. Nur leider zu wenige.

Unter anderem mit der Behauptung, Olaf Scholz sei der „Kanzler für das bezahlbare Wohnen“, hatte die SPD die Wahl 2021 gewonnen. 2025 ist die SPD nun zumindest diesbezüglich etwas vorsichtiger, es heißt nun etwas nebulös „Mehr für Dich. Besser für Deutschland“. Wer mag, kann sich auch mehr Wohnfläche für den Euro vorstellen, konkret benannt wird das nicht. Mit gutem Grund: Die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich gegenüber 2021 nicht entspannt, vor allem nicht in den Metropolen, wo von fehlenden 1,9 Millionen bezahlbaren Wohnungen die Rede ist; die Regierung unter Scholz hat hier wenig erreicht; auch der so genannte Bauturbo, den man angesichts der gravierenden Nebenwirkungen als Verzweiflungstat bezeichnen muss, ist nicht mehr eingeführt worden. Dieser §246e im BauGB hatte das Bauen um (fast) jeden Preis zum Ziel, eine Studie des vhw bilanziert, dass die erhofften Wirkungen wohl ohnehin nicht eingetreten wären, dafür müsste man schon etwas sorgfältiger vorgehen.

Deswegen mag es erstaunen, dass CDU und CSU nur wenig Potenzial sehen, hieraus Kapital zu schlagen. In ihrem Sofortprogramm, das 15 Punkte umfasst, kommt das Thema Wohnen schlichtweg nicht vor, wichtiger scheint es zu sein, die Canabis-Legalisierung rückgängig zu machen und weiter das Thema Migration aufzublähen. Auch das von CDU/CSU selbst 2020 eingeführte Gebäudeenergiegesetz, für das man den von der Boulevardpresse erfundenen Namen „Heizungsgesetz“ übernimmt, will man abschaffen. Das Gesetz von 2020 hatte übrigens vorgesehen, dass alte Heizungen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, auch dann verschrottet werden müssen, wenn sie noch funktionieren.

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Spielt im Wahlkampf nur eine Nebenrolle: Bezahlbares Wohnen. (Bild: Rasande Tykar / flickr.com)

Bauen, bauen, bauen und Mieterpreisregulierungen

Zurück zum Wohnen: Hier haben CDU und CSU in ihrem Programm nicht viel Fantasie bewiesen. Wie befürchtet, vertrauen sie in erster Linie der Maxime „Bauen, bauen, bauen“: „Um den Markt zu entspannen, hilft nur mehr Angebot. Wir brauchen mehr neue Häuser und Wohnungen, schneller und günstiger. Dafür senken wir die Baukosten durch mehr Bauland und niedrigere, sinnvolle Standards. Wir sorgen für weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung und richten die Bau-Förderung neu aus.“ Der Bauturbo soll mit den Unionsparteien kommen: „Wir erlauben dauerhaftes Bauen auch dort, wo bisher nur vereinfachtes Bauen nach Sonderregelungen erlaubt war“ –nichts anderes war ja der Kern des unter der Ampel vorgeschlagenen §246e des BauGB. Dazu sollen Vorschriften reduziert werden, Bauland schneller aktiviert werden. Als hätten wir unbegrenzt Boden zur Verfügung, als wäre der, den wir haben, nicht für Klima und Biodiversität wichtig, als würden durch Neubau nicht weiter Energie und Ressourcen verwendet werden müssen. Als Baukostenmoratorium betitelt wird die Versprechung, auf neue Standards, die „Baukosten ohne nennenswerten Mehrwert erhöhen“, zu verzichten. Wer auch immer bestimmt, was nennenswerter Mehrwert ist.

Die SPD setzt auf Mietpreisregulierung und sozialen Wohnungsneubau: „Wir wollen die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau auf hohem Niveau stärken und verstetigen.“ Basis der Förderung sollen regional differenzierte Bedarfsprognosen sein. Außerdem will man über einen Deutschlandfonds „Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften mit dem nötigen Eigenkapital versorgen und damit den Wohnungsbau ankurbeln.“

Die Linke will 20 Milliarden Euro im Jahr in gemeinnützigen Wohnraum investieren, eine bessere Wohnungsgemeinnützigkeit etablieren und das kommunale Vorkaufsrecht wieder einführen und stärken. Man will der Spekulation entgegentreten, die Mieten sollen sechs Jahre nicht erhöht werden dürfen, die Sozialbindung soll verstetigt werden und nicht mehr nach einigen Jahren auslaufen wie derzeit; ein Mechanismus, der dafür sorgt, dass wir nur noch ein Drittel der Sozialwohnungen von 1990 haben. Einen Schwerpunkt setzt die Linke darauf, gegen Leerstand vorzugehen; hiervon unterscheidet sie sich vom Bündnis Sahra Wagenknecht, das sonst sehr ähnliche Forderungen stellt.

Ebenfalls erwartbar die Vorschläge der FDP: „Wir Freie Demokraten werden die steuerlichen Abschreibungen im Wohnungsbau verbessern – das macht Investitionen attraktiver und schafft schneller neuen Wohnraum.“ Auch hier wird der Königsweg im Neubau gesehen: „Wir wollen schnelleres und günstigeres Bauen möglich machen.“ Wie  CDU/CSU ist die FDP für ein Baukostenmoratorium, mit dem „staatliche Kostentreiber“ gestoppt werden sollen. Welche das sind? „Überflüssige Umweltgutachten“ zum Beispiel. Bau-Auflagen will man „auf sinnvolle Mindeststandards bei Gebäudeenergie, Brand- und Gesundheitsschutz sowie Statik reduzieren.“ Was überflüssig und was sinnvoll ist, bleibt offen. Man wolle das Baurecht entrümpeln, setzt auf den „von uns auf den Weg gebrachten“ Gebäudetyp E.

Das Geraune der AfD soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Deutschland solle ein „Volk von Eigentümern“ werden, Wohnnebenkosten sollen gesenkt werden – dafür will die AfD unter anderem die Grundsteuer und  – kein Witz – die Rundfunkbeiträge abschaffen. Selbstverständlich ist die Migration an der Wohnungsnot schuldig, und damit Menschen im ländlichen Raum bleiben, soll „die großflächigen Naturzerstörungen durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen sofort“ beendet werden. Zum bezahlbaren Wohnen findet sich wenig, außer, dass man es für besser hält, „einkommensschwache Mieter vermehrt mit Wohngeld zu unterstützen, wodurch eine soziale Durchmischung gewährleistet wird.“ Klar, weil ja etwas wohlhabendere Menschen vor allem dort wohnen, wo der Wohnraum so günstig ist, dass er für einen Wohngeldbeziehenden bezahlbar wäre.

Unterbewertet: Bestand und Boden


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Stuttgart, ehemaliges Statistisches Landesamt. Hier, auf dem Schöttle-Areal, könnte ein neues Wohnquartier im Bestand entstehen. (Bild: MSeses, CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons)

Mietenstopp, leichteres Vorgehen gegen Mietwucher, strenge Regulierung bei der Vermietung möblierter Zimmer und die Förderung von Eigentumserwerb finden sich bei den Grünen. Wie bei der Linken sind hier die Bekenntnisse zu Mietpreisregulierungen glaubhaft, weil diese beiden Parteien tatsächlich Menschen mit niedrigeren Einkommen entlasten wollen – und nicht hauptsächlich die mit höheren. Wohnraum und Bauflächen dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Wir setzen uns für eine Bodenpolitik ein, die sich auch am Gemeinwohl orientiert und passen das Baurecht entsprechend an“, so heißt es außerdem bei den Grünen. Um deren Programm zu bewerten, lohnt sich der Hinweis, den Barbara Schönig, Stadtplanungsprofessorin und Expertin für soziale Wohnraumversorgung, in einem Interview gegeben hat. Auf die Frage, nach welchen Stichworten man in den Wahlprogrammen suchen müssen, wenn man nach wirksamen Instrumenten zur Bekämpfung der Wohnungskrise sucht, antwortet sie: „Bauen im Bestand“.

Das hat zwar auch die Linke im Blick: „Viel zu oft reißen Immobilienkonzerne Bestandsgebäude ab, treiben Mieter*innen aus der Wohnung, bauen neu und vermieten für das Doppelte oder verkaufen: Das ist eine ökologische Katastrophe und befördert Gentrifizierung – wir wollen das verbieten. Ein Abriss soll nur noch dann erlaubt sein, wenn die Gebäudesubstanz nicht mehr zu retten ist oder wenn durch Neubau ein Vielfaches des bisherigen Wohnraums entsteht.“

Wenn man aber vor allem den Nichtwohnungsbestand mitdenkt, dann wird es nur bei den Grünen deutlich. Sie sehen es als beste realistische Strategie für mehr Wohnraum an, „vorhandenes Potenzial zu nutzen: bestehende Gebäude aufstocken, ungenutzte Büro- und Gewerbeflächen zu Wohnraum umwandeln, Dachböden ausbauen, zweckentfremdete und leer stehende Gebäude wieder aktivieren. Mehrere Millionen Wohnungen könnten auf diesem Weg bereitgestellt werden.“

Es ist beinahe erschütternd, dass die Bedeutung des gesamten Bestands sonst keine Partei wirklich erkennt. Woran liegt es? An der Weigerung, Dinge wie Klimaschutz und Wohnungsfrage zusammenzudenken? Populismus, der meint, sich jedes Verdachts, vermeintliche grüne Positionen einzunehmen, erwehren will? Weil es im Bestand Potenziale gibt, die man aber nur mit komplexen Strategien aktivieren kann, mit denen man sich nicht plakativ als Macher:in inszenieren kann? Was wissenschaftlich bereits untersucht ist, kann doch angesichts der drängenden Problematik auf beiden Feldern – Klima und Wohnungspolitik – nicht ignoriert werden. Kann es anscheinend doch.

Nur wenig besser sieht es bei der Bodenpolitik aus – auch sie gerade in angespannten Wohnungsmärkten die maßgebliche Stellschraube. Auch sie ist von Klima- und Umweltpolitik nicht zu trennen. Ausführlich hat Stephan Reiß-Schmidt die bodenpolitischen Aussagen der Parteien analysiert und zusammengetragen, in diesem Zusammenhang seien deshalb hier nur wenige Stichworte genannt. Eine Trendwende zur soziale Bodenpolitik möchte die SPD, Konzeptvergaben sollen helfen, das Ziel der gemeinwohlorientierten Nutzung fördern, Bodenwertsteigerungen wollen die Grünen, die Linke und die SPD abschöpfen. Einen Bundesbodenfonds schlagen die Grünen vor, die SPD möchte den Aufbau kommunaler Bodenfonds steuern. Knapp hält Reiß-Schmidt fest: „Für CDU/CSU, FDP und AfD ist eine gemeinwohlorientierte Weiterentwicklung des Bodenrechts kein Thema.“

Das mag ins Bild passen, aber überrascht dann doch insofern, als die Bodenfrage, nach übereinstimmender Einschätzung der Expert:innen der maßgeblichen Treiber der Wohnungspreise, gerade die Parteien nicht anpacken wollen, für die sie in Sachen bezahlbares Wohnen besonders wichtig sein müsste. Denn sowohl FDP als auch CDU/CSU setzen bei der Frage nach dem bezahlbaren Wohnen auf den Neubau – und genau hier schlagen die Bodenpreise gerade da, wo es an bezahlbarem Wohnraum fehlt, besonders eklatant zu. In München sind es schon etwa 50 Prozent, auch anderswo liegen die Anteile der Bodenpreise an den Neubaukosten über 30 und 40 Prozent.

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So wird die Wohnungsfrage nicht gelöst, dem Klima nur weiter geschadet. (Bild: Christian Holl)

Eigenheim und Eigentum

Am Ende geht es wohl doch wieder darum, weiter neue Einfamilienhausgebiete auszuweisen – auch wenn es nicht wörtlich benannt wird, ist dies zu erwarten. „Mehr Bauland und niedrige Baukosten helfen Familien bei der Eigentumsbildung“, so bei CDU/CSU, die dafür auch die Einkommensgrenzen für Förderprogramme anheben will. Die FDP träumt mit der AfD von der „Eigentümernation“. Die gibt es in Europa übrigens schon: Es ist Rumänien. Hier liegt die Eigentumsquote bei annähernd 96 Prozent – am unteren Ende der Skala, noch hinter Deutschland: die Schweiz. Ziehen Sie selbst Ihre Schlüsse. Und sonst? „Wir wollen den Kauf und den Neubau des ersten, selbst genutzten Wohneigentums (…) stärker und sozial gerecht fördern“,  heißt es bei den Grünen, die SPD will, „dass Träume vom Eigenheim Wirklichkeit werden können.“ Immerhin beziehen beide die Nutzung von Bestand mit ein, die SPD will insbesondere das Programm „Jung kauft Alt“ verstetigen.

Trübe Aussichten


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Experimentelle Strategien zur Nutzung des Bestands könnten mit neuen Wohnmodellen verknüpft werden. Das hätte mehr Potenzial, wenn es einen Konsens darüber gäbe, dass wir neue Wege gehen müssen. Im Bild die temporäre Wohnnutzung von Adapter in der Wendinger Neckarspinnerei. (Bild: Christian Holl)

So bleibt schließlich ein wenig erfreulicher Ausblick auf das, was uns nach dem 23. Februar aller Wahrscheinlichkeit nach erwarten wird. Die Wahl aber ist – so zeigt sich – keine mehr, in der zwischen Parteien keine nennenswerte Unterschiede auszumachen sind, wenn es je so gewesen ist. Sie ist deswegen wichtig. Andererseits sind die teils wider jede Vernunft gezogenen Abgrenzungen auch beängstigend, es ist im Hinblick auf eine politische Konsenskultur, die wir statt eines die Realität verzerrenden Populismus dringend bräuchten, eine schlechte Nachricht. Denn diese Konsenskultur wäre notwendig, um ohne Furcht davor, vor den Wählerinnen abgestraft zu werden, weiter zu denken anstatt im Rahmen der überwiegend erwartbaren Grenzen je sein Gärtchen zu pflegen. Von wenigen Lichtblicken abgesehen, reichen die Konzepte der Parteien nicht aus, um eine Wende auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen, die perspektivisch auf ganz andere zukünftige Herausforderungen reagieren kann, als sie bereits bestehen, von der Klimakrise bis zur Vereinsamung älterer Menschen und der wegen der alternden Boomergeneration absehbar großen Zahl leerstehender Einfamilienhäuser, die in die Hunderttausende gehen wird.

Die Frage, wie ein Zusammenleben anders organisiert werden kann, so dass auch die Verkehrswege des Alltags wieder reduziert werden, setzt voraus, anders über Dichte nachzudenken – auch und gerade im ländlichen Raum, der ja eigene, dichte Siedlungsformen durchaus kennt. Suffizenz mag ein spröder Begriff sein, ihn zur Basis von Leitlinien des Wohnens zu machen, verspricht wenig politische Gewinne. Umso wichtiger wäre ein Konsens, ein Einverständnis darüber, dass Funktionen enger zueinander rücken müssen, um noch eine Chance zu haben, den Ressourcenverbrauch absehbar zu senken – denn Ressourcen werden auch für Akkus, PV-Elemente, digitale Steuerung und die Nahrungsmittelproduktion benötigt. Dann könnten wir wirklich in den Wettstreit zukunftsfähiger Konzepte treten. Anstatt auf der Basis von gesicherten Erkenntnissen wirklich Perspektiven zu öffnen, wird aber nur enorme Energie im Pendeln zwischen Anbiederung an und Abgrenzung zu einer Partei vergeudet, die in der Abschaffung der Rundfunkgebühren einen Beitrag zur Wohnungsfrage sieht.


Da nicht alle Themen, die das Wohnen betreffen, hier aufgegriffen werden können, verweisen wir auf die Wahlprogramme:

SPD: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD_Programm_bf.pdf

Bündnis 90/Die Grünen: https://cms.gruene.de/uploads/assets/20250205_Regierungsprogramm_DIGITAL_DINA5.pdf

CDU/CSU:  https://www.politikwechsel.cdu.de/sites/www.politikwechsel.cdu.de/files/downloads/km_btw_2025_wahlprogramm_langfassung_ansicht.pdf

Die Linke: https://www.die-linke.de/fileadmin/user_upload/Wahlprogramm_Langfassung_Linke-BTW25_01.pdf

FDP: https://www.fdp.de/sites/default/files/2024-12/fdp-wahlprogramm_2025.pdf

BSW: https://bsw-vg.de/wp-content/themes/bsw/assets/downloads/BSW%20Wahlprogramm%202025.pdf

AFD: https://www.afd.de/wp-content/uploads/2025/02/AfD_Bundestagswahlprogramm2025_web.pdf


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