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Bild: Christian Holl
Marktgeschrei (27) | Die Bundestagswahl wirft schon eine ganze Weile ihre Schatten voraus. Auf dem Wohnungsmarkt ist davon freilich wenig zu spüren. Oder sagen wir es so: Man kann nicht feststellen, dass den Mitgliedern der großen Koalition besonders daran läge, sich um die Sorgen der Mieter:innen zu kümmern. Doch die Ereignisse der letzten Wochen zeigen, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht bessern wird, wenn die Politik der letzten Jahre und Jahrzehnte nicht korrigiert wird.

Die Preise steigen weiter. In Stuttgart sind die Angebotsmieten 2020 um drei, in Frankfurt um fünf, in München um zwei Prozent gestiegen. Klingt moderat, aber angesichts des schon vorher hohen Niveaus ist das immer noch viel. Im Umland von Stuttgart waren es etwa in Reutlingen bis zu zwölf Prozent. So wie es im Moment aussieht, können sich die Menschen zumindest von den derzeit amtierenden Politiker:innen wenig erwarten. Im April hatten sich die Koalition schnell noch – und das reichlich spät – daran gemacht, eine Regelung zu den Share Deals zu treffen, weil es im Koalitionsvertrag ausgemacht worden war. Share Deals, dass ist kein direkter Verkauf von Immobilien, denn diese werden zuerst in eine Gesellschaft überführt, deren Anteile (Shares) dann verkauft werden. Erwirbt ein Käufer weniger als 95 Prozent dieser Gesellschaft, dann muss er keine Grunderwerbsteuer entrichten. Nach fünf Jahren kann der Käufer auch die restlichen Anteile der Gesellschaft kaufen, ohne dass dann die Grunderwerbsteuer bezahlt werden müsste. Das ist kein Steuersparmodell für die private Altersvorsorge, sondern eines der großen Unternehmen, die damit in den letzten Jahren den Staat um einige Milliarden Steuereinnahmen gebracht haben.

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Bild: pixabay

Die Änderungen, die nun verabredet wurden und ab Juli gelten sollen, sind zu marginal, als dass man sie als Verbesserungen bezeichnen dürfte: Anstatt bei 95 Prozent soll die Grenze nun bei 90 Prozent liegen, statt fünf Jahre muss nun zehn Jahre gewartet werden, bis die restlichen Anteile ohne Grunderwerbsteuer aufgekauft werden dürfen. Immerhin: Der vollständige Verkauf der Anteile zur gleichen Zeit auch an zwei oder mehr Käufer soll zukünftig nicht mehr grunderwerbsteuerfrei sein dürfen. Die CDU/CSU habe sich dabei durchgesetzt, heißt es; die SPD wollte die Grenze für die Steuerfreiheit bei 75 Prozent setzen – aber selbst das kann man kaum vermitteln: Wieso gibt es die Befreiung der Grunderwerbsteuer überhaupt? Welche Idee von Gerechtigkeit steht dahinter? Wieso muss sie der- oder diejenige bezahlen, der sich ein Grundstück, ein Haus, eine Wohnung kauft, aber die großen Player auf dem Markt nicht? Nachvollziehbar wäre: Wer 50, 60, 70 Prozent Firmenanteile kauft, zahlt entsprechend auch 50, 60, 70 Prozent der Grunderwerbsteuer. Entschieden wurde freilich anders. Merkwürdiger Zufall: kurze Zeit nach der Einigung über die Share Deals berichtete der Spiegel, fast 80 Prozent der Parteispenden an die CDU im Jahr 2020 kamen aus der Bau- und Immobilienbranche. Möge jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.

Eine Fusion und ein Skandal

Ausdruck des Dilemmas, in das der Wohnungsmarkt in den letzten Jahrzehnten manövriert worden ist, ist die geplante Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen, bekannt gegeben just nachdem das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel gekippt hatte. Das Gericht hatte im übrigen nicht entschieden, dass der Mietendeckel rechtswidrig ist, sondern dass ihn das Land Berlin nicht hätte verhängen dürfen – zuständig dafür wäre der Bund gewesen. Den Mieter:innen, auf die teilweise hohe Mietnachforderungen zukommen, hilft das freilich wenig. Und auch wenn die Vonovia, die in Berlin 42.000 Wohnungen besitzt, vorerst auf Mietnachforderungen verzichtet, muss man Bedenken hinsichtlich der langfristigen Entwicklung haben. Denn gefährlich dürfte die Macht des nach einer Fusion mit etwa 500.000 Wohnungen größten Wohnungskonzern Europas sein: Es drohen weiterhin große Gesellschaften bevorzugende Gesetzeslagen wie die der Share Deals aufrechterhalten zu werden.

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Deutsche Wohnen und Vonovia besitzen in Berlin 150.000 Wohnungen. Der kommunale Wohnungsbestand beläuft sich auf 340.000. (Bild: pixabay)

Man müsse Antworten finden auf die zunehmende Regulierung, so begründet Vorstandsvorsitzende der DW die Fusion. Hier zeigt sich der ganze Zynismus der Branche. Mit politischen Mitteln wird und wurde dafür gesorgt, dass solche Firmen auch auf Kosten der Menschen groß und mächtig wurden, und nun wenden sie sich gegen politische Wege, um dem Mieten- und Kaufpreis-Wahnsinn auf dem Wohnungsmarkt Herr zu werden. Sie handeln eben so, wie es von ihren Anlegern erwartet wird: Sie betreiben des Wohnungsgeschäft, um Renditen zu erwirtschaften, weder um das Gemeinwohl zu stärken, noch, um stadtpolitischen Zielen zu dienen. Nicht nur in Berlin hat das „eine Verarmung an Raum, Diversität und Komplexität der (Nutzungs-)Strukturen mit sich gebracht.“ (1) Vonovia will nach der Fusion 20000 Wohnungen an Berlin verkaufen, 12000 davon aus dem 150.000 Wohnungen zählenden Bestand der DW, aber das dient ja nicht zuletzt auch der Refinanzierung des Deals. Zudem seien das auch die Wohnungen, die die man ohnehin langfristig nicht halten wolle.

Auch wie mit dem Skandal um die Pleite der German Property Group umgegangen wird, stärkt nicht gerade das Vertrauen in die Politik. Ein Anlagebetrug allererster Güte. Für den Ankauf von Immobilien hatte die Gruppe Investitionen in Millionenhöhe von ausländischen Anlegern eingetrieben, Gewinnerwartungen der Anleger wurden mit den Investitionen von neuen gestillt; gebaut oder entwickelt wurde nicht. Seit 2020 ist die GPG insolvent – wohin die Investitionen nun verschwunden sind, sei unklar. Die Immobilien-Investmentgesellschaft ging 2008 aus einem Zusammenschluss von mehreren Firmen hervor. Bereits seit 2011 wurden die Jahrebilanzen von Gesellschaften der Gruppe nicht oder nicht rechtzeitig veröffentlicht.  Das Bundesamt für Justiz hatte seit Jahren Ordnungsgelder gegen die GPG verhängt, verzichtete darauf aber seit 2017 – ohne Erklärung. Und bereits 2015 hatte das Finanzamt Hannover anscheinend schon gewarnt und den Verdacht auf ein Betrugsmodell geäußert. Die zuständigen Behörden, neben dem Bundesamt für Justiz auch die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hätten aber auch ohne diese Hinweise energischer vorgehen können, früher dem Verdacht nachgehen können, dass es hier nicht mir rechten Dingen zugeht. Haben sie aber nicht.

An der falschen Stelle aktiv

All dies zeigt: Politiker:innen können dem in den letzten Jahrzehnten geschaffenen Problemen nicht mehr ausweichen, schlimmer noch, gehen sie diese Probleme nicht entschieden an, schaffen sie auch noch neue. So galt es zuletzt noch diese Kröte zu schlucken: Im Mai hat der Deutsche Bundestag rasch noch entschieden, den mehr als umstrittenen §13b des Baugesetzbuchs bis 2022 zu verlängern. Damit wird der Bau von Wohnungen – meist in Ein-und Zweifamilienhausgebieten – am Ortsrand auf kleinen Flächen (bis zu einem Hektar) erheblich erleichtert, was auch heißt, dass der nach wie vor viel zu hohe Flächenverbrauch in Deutschland weiter vorangetrieben wird – eigentlich wollte die Bundesregierung 2020 bei 30 Hektar pro Tag landen, hat dieses Ziel mit 56 Hektar allerdings deutlich verfehlt. Dass der Wunsch der Immobilienlobby, den 13b gleich bis 2032 zu verlängern, nicht erfüllt wurde, ist kaum ein Grund zu jubeln, denn auch so heizt man nun den Flächenverbrauch erst einmal weiter an, ohne die Wohnungsnot dort zu mindern, wo sie am meisten drückt: in den Metropolen. Das Umweltbundesamt hatte festgestellt, dass der 13b vor allem in kleineren und ländlichen Gemeinden genutzt wird. Enttäuscht sind aber nicht nur Naturschutzverbände, sondern beispielsweise auch die Architektenkammer Baden-Württemberg. Mit dem §13b wird nicht nur der Flächenverbrauch vor Ort weiter vorangetrieben, auch die Verkehrsflächen werden weiter wachsen: von den 58 Hektar täglichem Landverbrauch 2018 entfielen 16 auf  Verkehrsflächen (2), der durchschnittliche Arbeitsweg ist seit 2000 um über zwei Kilometer gestiegen, er liegt nun bei fast 17 Kilometern.

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Bild: pixabay

Wie man sieht, hängen Fragen des Wohnungsmarkts nicht nur wegen der hohen Bodenpreise in den Metropolen eng mit Bodenpolitik zusammen. Das von Marlowes und der bauwelt als Medienpartner unterstütztes Bündnis Bodenwende hat im Vorfeld der Bundestagswahl bodenpolitische Wahlprüfsteine erarbeitet und darauf basierend entsprechende Forderungen abgeleitete. Sie werden am 29. Juni vorgestellt und mit Vertreterinnen der Bundestagsparteien diskutiert. Die Antworten werden aufschlussreich sein. Auch und gerade dann, wenn den Fragen ausgewichen wird.


(1) Florine Schüschke: Ausverkauft. Die Privatisierung von landeseigenem Grundbesitz in Berlin. In: arch+ 241, Dezember 2020, S. 76-85, hier S. 84. Zum Thema siehe auch weitere Beitrag derselben Ausgabe
(2) Stefan Rettich, Sabine Tastel (Hg.): Die Bodenfrage. Klima, Ökonomie, Gemeinwohl. Jovis Verlag, Berlin, 2020. >>>