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Bild: Christian Holl
Stilkritik (121) | Die schönen Worte geben Hoffnung. Die von der Förderung der Gemeinnützigkeit, weil damit die auf dem Wohnungsmarkt gestärkt werden sollen, die wirklich nur das wollen: guten, zeitgemäßen, bezahlbaren Wohnraum schaffen. Und dann wird der AfA-Satz angehoben. Das schwächt nicht nur die Gemeinnützigen. Es hat auch Nebenwirkungen.

Dass die Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht rosig ist, ist bekannt. Dass es die eine richtige Antwort auf dieses Problem nicht gibt, auch. Aber es gibt viele hilfreiche Bausteine – einige davon sind Wohnungsbau-Genossenschaften und gemeinnützige Entwicklungsgesellschaften, die, so heißt es dann gerne, den Wohnraum dem Zugriff des Marktes entziehen. Das stimmt insofern, als mit den Mieten keine hohen Gewinne für Anleger erzielt werden müssen. Die Wohnungen werden nicht verkauft und wieder verkauft, die Miete orientiert sich nicht an dem, was man verlangen könnte, sondern an dem, was zumutbar ist und was benötigt wird, um die Trägerschaft stabil zu halten und gegebenenfalls in weitere Projekte zu investieren – weiterer Wohnungsbau, soziale, gemeinnützige Initiativen und Infrastruktur, die die Nachbarschaft stärken.

Aber so ganz kann man sich dem Markt dann eben doch nicht entziehen. Bei Vergaben von Grundstücken darf etwa die öffentliche Hand die Bodenwerte als Vergleichsmaßstab nicht ignorieren, weswegen es in manchen Städten für gemeinnützige Träger schwer ist, sich überhaupt noch an Vergabeverfahren zu beteiligen. Auch bei in Erbpacht vergebenen Grundstücken ist die Frage des Erbzinses von den Bodenwerten abhängig. Aber es gibt politische Spielräume. Die Höhe des Erbbauzinses darf variieren, sie kann auch unterschiedlich sein, je nachdem, wer die Erbpacht in Anspruch nimmt. Eine lokalpolitische Entscheidung: In Stuttgart etwa lag der Erbbauzinssatz bei gefördertem Wohnungsbau bis vor Kurzem bei 0,4 Prozent, in Frankfurt noch bei 2 bis 2,5 Prozent. Hier steht zwar die Absenkung des Erbzinses kurz bevor. Aber auf 0,4 wird er nicht gesenkt werden, die Korrektur wird bei den in den letzten Jahren rasant gestiegenen Bodenwerten daher vorerst nur wenig helfen – das dicke Brett eines aus dem Ruder gelaufenen Bodenmarkts muss endlich gebohrt werden, weil ansonsten nur scheibchenweise Symptome, aber keine Ursachen behandelt werden. In Stuttgart hat man inzwischen den Satz wieder angehoben, dafür aber den der Erbpacht zugrundegelegten Bodenwert bei sozialem Wohnungsbau auf bis zu 80 Prozent verbilligt.


Lasst sie selbst entscheiden


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Die erhöhte Abschreibung soll zum Bauen animieren. (Bild: pxhere, CC0)

Wichtig ist, dass Politiker:innen ihre Gestaltungsmöglichkeiten wahrnehmen – und dabei nicht die Gemeinnützigen über den gleichen Kamm scheren wie alle anderen. Womit wir bei der AfA wären, die „Absetzung für Abnutzungen“. Wohngebäude betreffend wurde der AfA-Satz für die Gebäude, die seit dem 1. Januar 2023 fertiggestellt wurden, auf drei Prozent angehoben. Das Ziel ist es dabei, Investitionen anzuregen: In den Wohnungsmarkt, in die energetische Sanierung; das wird leichter, wenn die Möglichkeiten zur Abschreibung verbessert werden, damit können kommerzielle Entwickler Steuern sparen.

Für die gemeinnützigen Träger stellt sich die Sache aber anders dar. Hier stehen den hohen Anschaffungs- und Herstellungskosten gewollt niedrige Erträge aus der Vermietung gegenüber. Steigt der Wertminderungssatz der AfA, heißt das, dass diese Träger schneller ins Defizit rutschen, was die Gefahr erhöht, vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkannt zu bekommen. Was also bei kommerziellen Bauträgern Anreize für Investitionen erhöht, senkt sie bei den gemeinwohlorientierten Entwicklungsträgern. Das Kuriose daran ist, dass die Vorschläge, mit dieser vermeintlichen Zwickmühle umzugehen, bereits auf dem Tisch liegen. Es könnte zum Beispiel den gemeinnützigen Wohnbauträgern das Recht eingeräumt werden, für ihre Abschreibungen auch eine längere und realistischere wirtschaftliche Nutzungsdauer als die nun geltenden 33 1/3 Jahre zu wählen. Dies würde helfen, Defizite in der Steuerbilanz zu vermeiden und die Gemeinnützigkeit dauerhaft zu sichern.

Einer Koalition, die sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt hat, die Gemeinnützigkeit zu stärken, eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit auf den Weg zu bringen, stünde es gut an, hier nachzubessern, will man nicht willentlich einige von denen schwächen, die für bezahlbaren Wohnraum sorgen. Die Änderung der AfA solle nicht dazu führen, dass „wünschenswerte Projekte unterbleiben“, so heißt es in einem Schreiben des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen zu diesem Thema, das der Redaktion vorliegt. Und man habe auf Fachebene bereits Kontakt mit dem federführenden Bundesministerium der Finanzen aufgenommen. Die Problematik sei auch dort bekannt und werde wohlwollend geprüft. Das rückt zumindest in meinen Augen die Gemeinnützigen etwas weit in die Ecke der Bittsteller. Das wird der Sache aber nicht gerecht.

Es kommt nämlich noch etwas hinzu. Denn die schnellere Abschreibung sorgt auch dafür, dass es lukrativer wird, auf Bauten, Bauteile und Materialien zu setzen, die weniger kosten, aber nicht so lange halten. Man muss kaum erklären, dass dies keine besonders wünschenswerte Wirkung des höheren AfA-Satzes ist. Gerade erst wurde bekannt, dass die Treibhausgasemmissionen in Deutschland 2022 zwar etwas gesunken sind, der Gebäudesektor nach wie vor die bereits im Vorjahr die erlaubte Jahresemissionsmenge gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz überschreitet. Könnte auch ein Grund sein, sich die neue AfA-Regelung nochmal vorzunehmen.